Großeinsatz am Arlberg

„Weihnachtswunder“ von Lech/Zürs: Aufatmen und Rätseln nach Lawinendrama

Mehr als 200 Menschen waren an dem stundenlangen Sucheinsatz beteiligt.
© APA/Lech Zürs Tourismus

Bis zu zehn Menschen waren zunächst unter der Lawine vermutet worden. Erst nach stundenlanger Suche konnte Entwarnung gegeben werden – auch weil sich Personen, nach denen gesucht wurde, relativ spät meldeten.

Lech – Der Lawinenabgang in Lech/Zürs am Sonntagnachmittag ist mit einem "Weihnachtswunder" zu Ende gegangen. Nach Befürchtungen, wonach bis zu zehn Personen von den Schneemassen begraben worden sein könnten, wurde in der Nacht auf Montag Entwarnung gegeben. Gegen 23.00 Uhr meldeten sich auch die letzten beiden Vermissten, der Such- und Rettungseinsatz wurde eingestellt.

Wahrscheinlich war es eine Mischung aus Schock und Nachlässigkeit.
Hermann Fercher (Lech/Zürs-Tourismus) mutmaßt, warum sich die Wintersportler nicht rascher meldeten

Aus Sicherheitsgründen wurde am Montagvormittag noch eine letzte Suche durchgeführt. Um auszuschließen, dass sich noch jemand unter den Schneemassen befindet, standen Bergrettung und Bundesheer, Lawinenhunde und Helikopter noch einmal bis Mittag im Einsatz. Eine Erklärung dafür, weshalb am Sonntag eine Lawine auf eine Piste abging, gab es vorerst nicht. Bei dem Lawinenabgang wurde ein Skifahrer schwer verletzt.

Ein Skifahrer "sehr schwer verletzt, aber stabil"

Der Verunglückte aus Deutschland war teilverschüttet und nach der Bergung in die Klinik nach Innsbruck geflogen worden. "Er liegt mit sehr schweren Verletzungen auf der Intensivstation, sein Zustand ist aber stabil", erklärte ein Sprecher der tirol kliniken. Alle anderen in den Lawinenabgang involvierten Skigäste – nach Angaben von Hermann Fercher von Lech/Zürs-Tourismus stammen sie aus Deutschland, Belgien, den Niederlanden, Bosnien, Kroatien und aus den USA – zogen sich nur leichte Blessuren zu bzw. blieben unverletzt. In Anbetracht der Situation sprach Fercher wie auch Vorarlbergs Sicherheitslandesrat Christian Gantner (ÖVP) von einem "Weihnachtswunder".

Warum sich die Skifahrer nicht unmittelbar nach dem Lawinenabgang mit der Polizei oder Lift-Verantwortlichen in Verbindung setzten, konnte Fercher sich nicht erklären. "Wahrscheinlich war es eine Mischung aus Schock und Nachlässigkeit", mutmaßte er. Er appellierte an alle Wintersportler, sich in einem Fall wie am Sonntag so schnell wie möglich zu melden. Weil das nicht geschehen war, wurden in Lech/Zürs am Sonntag über Stunden hinweg bis zu zehn Lawinenopfer vermutet.

📽 Video | Lawinenunglück: Alle Vermissten gefunden

Entsprechend groß war die Dimension des Sucheinsatzes – mehr als 200 Personen von Bergrettung und diversen Blaulichtorganisationen standen im Einsatz, sieben Helikopter absolvierten zahlreiche Flüge. In Bezug auf die Kosten werde es wohl eine Aufteilung zwischen der Gemeinde und dem Land geben, so Fercher.

Fakt ist, dass noch in der Früh genau an der Stelle des Lawinenabgangs gesprengt wurde.
Hermann Fercher, Lech/Zürs-Tourismus

Zunächst ungeklärt bleiben musste die Frage, wie es überhaupt zu dem Lawinenabgang auf die Skipiste Nr. 134 (Balmen) kommen konnte. Die Piste wurde auf einer Länge von 500 bis 600 Meter verschüttet. "Fakt ist, dass noch in der Früh genau an der Stelle des Lawinenabgangs gesprengt wurde", sagte Fercher. Trotzdem sei offenbar nicht der ganze Schnee abgegangen. Dass sich Stunden später erneut eine Lawine löste, wird von der Alpinpolizei untersucht werden – sobald die Sicherheitssuche abgeschlossen ist, wie Fercher erklärte.

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Bergretter warnen

Lawinengefahr in Tirol weiter heikel: Die meisten Unfälle passieren bei Stufe 3

"Weitere Ermittlungen zur Unfallursache führt die Alpinpolizei in den nächsten Tagen durch", hieß es seitens der Polizei. Mögliche Faktoren für die Lawinenauslösung könnten Mensch, Tier oder auch die Sonneneinstrahlung gewesen sein. In Lech/Zürs herrschte am Sonntag erhebliche Lawinengefahr der Stufe drei auf der fünfstufigen Gefahrenskala.

Die Lawine löste sich unterhalb des Trittkopfs (2720 Meter) im freien Gelände, die Schneemassen erfassten aber auch die Skipiste.
© APA/zeitungsfoto.at

Bei der Sicherheitssuche am Montag flog zunächst ein Helikopter über den Lawinenkegel, um mögliche Signale eines Lawinenpiepsers aufzunehmen. Anschließend wurde mit Lawinenhunden und Sonden gesucht. Mit weiteren Verschütteten rechnete aber niemand. "Nach derzeitiger Erkenntnislage kann davon ausgegangen werden, dass keine Personen mehr vermisst werden", so die Polizei.

📽 Video | Bürgermeister von Lech zum Lawinenabgang:

Im Web verbreitetes Video zeigt Lawinenabgang

Die Lawine ging kurz vor 15 Uhr bei der Trittkopfbergstation ab. Sie nahm ihren Anfang im freien Gelände, die Schneemassen ergossen sich aber auch über die Skipiste Nr. 134 (Balmen). Auf dem auch in sozialen Netzwerken verbreiteten Video eines Skigasts war zu sehen, dass sich beim Abgang des Schneebretts zehn Wintersportler im Bereich der Lawinenbahn aufgehalten hatten – weshalb sogleich die Rettungskette in Gang gesetzt wurde.

Sucheinsatz nach Lawinenabgang in Sölden

Auch in Tirol kam es am Sonntag zu einem Großeinsatz: 40 Rettungskräfte suchten nach einem Notruf drei Stunden einen Lawinenkegel am Tiefenbachferner in Sölden ab. Es bestand die Möglichkeit, dass eine Person unter den Schneemassen verschüttet worden war. Nach drei Stunden wurde die Suche ergebnislos abgebrochen.

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Drei Stunden im Einsatz

Große Suchaktion nach Lawinenabgang in Sölden: Keine Person gefunden

Lawinensituation in Tirol weiter heikel

Die Lawinensituation bleibt auch am Stefanitag teils heikel, vor allem im Westen Tirols und darüber hinaus. „Schon einzelne Wintersportler können leicht Lawinen auslösen, vor allem an sehr steilen West-, Nord- und Osthängen oberhalb von rund 2400 Metern und an sehr steilen Südhängen im Hochgebirge“, hieß es am Sonntag im Lawinenreport des Landes.

Lawinen könnten demnach besonders in den schneereichen Gebieten gefährlich groß werden. „Vorsicht vor allem in Kammlagen sowie in Rinnen, Mulden und hinter Geländekanten. Die Gefahrenstellen sind schwer zu erkennen“, hieß es weiter. Fernauslösungen seien möglich. Zudem bestehe eine gewisse Gefahr von Gleitschneelawinen und Rutschen an steilen Grashängen unterhalb von rund 2400 Metern. (TT.com, APA)

© lawinen.report

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