Christian Thielemann dirigiert zum zweiten Mal das Neujahrskonzert
2019 führte der mittlerweile 63-jährige Deutsche bereits durch einen Neujahrsvormittag im Wiener Musikverein.
Wien – Mit Christian Thielemann steht 2024 ein Dirigent am Pult des Neujahrskonzerts der Wiener Philharmoniker, der damit bereits Erfahrung hat. 2019 führte der mittlerweile 63-jährige Deutsche bereits durch einen Neujahrsvormittag im Wiener Musikverein. Und auch sonst haben die Philharmoniker bereits viel gemeinsam mit dem Wagner-Experten und noch bis 2024 amtierenden Chefdirigenten der Sächsischen Staatskapelle Dresden zusammengearbeitet.
"Mit Christian Thielemann verbindet uns eine tiefe künstlerische Partnerschaft vor allem im symphonischen Bereich. Er zählt zu den philharmonischen Dirigenten, die dem Orchester besonders nahe stehen", begründete am Sonntag Orchester-Vorstand Daniel Froschauer in einer Aussendung die Wahl des Maestros für das kommende Jahr.
Die Karriere des am 1. April 1959 geborenen Thielemann begann an der Deutschen Oper Berlin, wo er später, von 1997 bis 2004, auch als Generalmusikdirektor tätig sein sollte. 1985 wurde er Erster Kapellmeister an der Rheinoper und trat 1988 als jüngster Generalmusikdirektor Deutschlands in Nürnberg an, wo ihm mit Wagners "Tristan" der endgültige Durchbruch gelang. Erfolg macht aber keineswegs handzahm, als künstlerische wie politische Person sorgte Thielemann immer wieder für Aufsehen: Der Rausschmiss am Nürnberger Theater 1992 (und der Sieg des Dirigenten im folgenden Rechtsstreit) ist dafür ebenso ein Beispiel wie die Aufregung um Thielemanns Verteidigung der Musik von Hans Pfitzner trotz dessen Verstrickung mit dem NS-Regime.
📅 Musikalischer Jahresauftakt
Wiener Neujahrskonzert 2023: Klimaaktivisten von Störaktion abgehalten
2004 kündigte Thielemann sein Engagement an der Deutschen Oper Berlin. Da seine Forderungen nach Erhöhung des Orchesteretats abgelehnt wurden, verließ der gebürtige Berliner das Haus nach sieben Jahren als musikalischer Leiter und wurde bereits im selben Jahr Generalmusikdirektor der Münchner Philharmoniker. Auch hier zeigte der Star Ecken und Kanten, legte sich 2009 mit der Stadt hinsichtlich der Kompetenzen seiner Position an und lehnte schlussendlich eine Vertragsverlängerung ab.
2012 wurde er Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle Dresden mit einem Vertrag bis 2024, wenn ihm Daniele Gatti nachfolgt. Ab 2015 war Thielemann zusätzlich Musikdirektor der Wagner-Festspiele in seiner künstlerischen Wahlheimat Bayreuth – ein Titel, der aber 2020 ebenfalls auslief. Seit 2013 verantwortete er überdies gemeinsam mit seiner Staatskapelle die Salzburger Osterfestspiele – ein Engagement, das jedoch mit dem heurigen Jahr Geschichte ist, verabschiedeten sich doch die Dresdner unter ihrem streitbaren Chef aus Salzburg, nachdem dort Nikolaus Bachler das Zepter übernahm. Aber dem Wiener Musikverein und den Philharmonikern bleibt Christian Thielemann auch 2024 treu. (APA)
Die Geschichte der Frontmänner am 1. Jänner
Eigentlich beginnt die Geschichte des Neujahrskonzerts der Wiener Philharmoniker 1939 – an einem Silvestertag – mit einem "Außerordentlichen Konzert" unter Clemens Krauss im Großen Musikvereinssaal. Das erste Konzert an einem Neujahrstag folgte dann am 1. Jänner 1941, erneut unter Krauss' Leitung, der bis 1945 zu Neujahr wienerisch aufspielte.
1946 und 1947 leitete dann zwischenzeitlich Josef Krips die Neujahrskonzerte, wobei 1946 die Veranstaltung – bis dahin unter "Johann-Strauß-Konzert" oder "Philharmonische Akademie" firmierend – erstmals offiziell Neujahrskonzert hieß. Clemens Krauss übernahm dann nach Aufhebung eines im Zuge der Entnazifizierung verhängten Auftrittverbots ab 1948 bis zu seinem Tod 1954 wieder die Konzerte.
Nach der Ära Krauss und einigen Kalamitäten in der Nachfolgeregelung wählte man schließlich die salomonische Lösung, Willi Boskovsky, den ersten Konzertmeister, als Stehgeiger einzusetzen und auf einen Dirigenten zu verzichten. So begann 1955 eine 25-jährige Erfolgsgeschichte. Erst als Boskovsky nach 1979 krankheitshalber auf die Leitung verzichten musste, griff man wieder zur Variante mit einem Dirigenten. Lorin Maazel übernahm als designierter Direktor der Staatsoper die Leitung des Neujahrskonzerts 1980, die er durchgehend bis 1986 innehatte und dann wieder 1994, 1996, 1999 und 2005.
Nach der Auftaktära Maazel wechselten die Maestros zwar häufiger, dennoch finden sich auch hier zwei Veteranen des Events: Riccardo Muti setzte sich hier mit seinem Einsatz 2021 an die Spitze. Der italienische Maestro führte die Philharmoniker bis dato sechs Mal durch den Neujahrsvormittag (1993, 1997, 2000, 2004, 2018 und 2021), während sein indischer Kollege Zubin Mehta auf fünf Einsätze kommt (1990, 1995, 1998, 2007 und 2015).
Aus dieser Perspektive ist der nun für 2024 designierte Christian Thielemann, der sein Neujahrskonzertdebüt 2019 feierte, mit seinem zweiten Einsatz kommendes Jahr praktisch noch ein Frischling. Damit wird er auch kommendes Jahr noch hinter dem heurigen Pultherrscher Franz Welser-Möst hintanstehen. Schließlich feierte dieser heute nach 2011 und 2013 doch seinen 3. Neujahrsvormittag am Philharmoniker-Pult.