Terror-Prozess in Wien

Kontaktmann des Attentäters von Wien als Zeuge vernommen

Prozess-Fortsetzung im Straflandesgericht Wien.
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Wien – Im Prozess um sechs Angeklagte, die den Attentäter unterstützt haben sollen, der beim Terror-Anschlag in Wien vom 2. November 2020 in der Wiener Innenstadt vier Menschen getötet und zahlreiche weitere verletzt hatte, sind am Dienstag am Landesgericht weitere Zeugen vernommen worden. Als erster kam ein Kontaktmann des Attentäters zu Wort, der im Verdacht steht, diesem das geistige Rüstzeug geliefert zu haben. Eine Beteiligung am Anschlag war ihm bisher nicht nachzuweisen.

Der 24-Jährige hatte in einem eigenen Verfahren am Wiener Landesgericht vor drei Monaten wegen terroristischer Vereinigung und krimineller Organisation eine Freiheitsstrafe von 19 Monaten ausgefasst. Er befindet sich mittlerweile wieder auf freiem Fuß, da er wenige Stunden nach dem Terror-Anschlag fest- und in U-Haft genommen worden war. Die fast zweijährige U-Haft war ihm auf seine Strafe anzurechnen. "Sie sind ein IS-Mann", hatte der Richter ihm in seinem eigenen Prozess beschieden. Dem nicht rechtskräftigen erstinstanzlichen Urteil zufolge - der 24-Jährige hatte dieses angenommen, die Staatsanwaltschaft gegen die Strafe berufen - hatte er in einer eigens angemieteten Wohnung in St. Pölten Treffen für Befürworter und Sympathisanten der radikal-islamistischen Terror-Miliz "Islamischer Staat" (IS) veranstaltet, bei Zusammenkünften zum Freitag-Gebet Predigten mit IS-Inhalten gehalten und ein einschlägiges Buch vertrieben. An den Treffen nahm auch der spätere Attentäter teil, zuletzt Ende Oktober 2020 und damit wenige Tage vor dem Anschlag im Herzen von Wien.

Attentäter "zwei bis drei Mal im Monat" gesehen

Als Zeuge gab der 24-Jährige nun unter Wahrheitspflicht zu Protokoll, er habe den Attentäter im Jahr 2020 "zwei bis drei Mal im Monat" gesehen. Kennen gelernt habe er diesen 2017 in einer Moschee. Bis 2019 habe er "fast keinen Kontakt mit ihm" gehabt. Später habe er den Mann "beim Freitagsgebet" getroffen. Der Zeuge bestätigte auch Besuche des Attentäters in der St. Pöltner Wohnung sowie die Teilnahme "an dem so genannten Jihadisten-Treffen", wie er sich ausdrückte.

Mitte Juli 2020 waren radikale Islamisten aus Deutschland und der Schweiz nach Wien gekommen, um Zeit mit dem 24-Jährigen, dem späteren Attentäter sowie dem Viertangeklagten im gegenständlichen Verfahren zu verbringen. Der 24-Jährige dürfte die Gesinnungsgenossen zusammengeführt haben, denn wie er nun schilderte, habe er seine Wiener Bekannten zunächst gefragt, ob er "zwei deutsche Freunde" mitbringen dürfe. Danach seien "noch zwei gekommen", die habe er auch zu mitgenommen. Man habe gemeinsam gegessen, "Brötchen und Manner-Schnitten und so etwas".

Verfassungsschutz observierte Jihadisten-Treffen

Das Jihadisten-Treffen wurde nach Hinweisen aus Deutschland vom Verfassungsschutz observiert, ohne dass daraus ein akutes Bedrohungsszenario abgeleitet worden wäre. Unmittelbar nach dem Netzwerk-Treffen hatte sich der Attentäter allerdings in die Slowakei begeben, um Munition für ein davor erworbenes und beim Terror-Anschlag verwendetes Sturmgewehr zu kaufen.

Mit einem Blick auf die Anklagebank erklärte der Kontaktmann des Attentäters auf eine entsprechende Frage, er kenne von den sechs Männern nur den Viertangeklagten, einen 28-Jährigem, dem die Staatsanwaltschaft vorwirft, den Attentäter unterstützt zu haben. Die Staatsanwältin konkretisierte diesbezüglich am Dienstag ihre ursprüngliche Anklage, indem sie festhielt, der 28-Jährige habe ab Mitte Juli 2020 zur Ausführung der Tat insoweit beigetragen, als er den Anschlag mit dem Attentäter gemeinsam geplant und diesen psychisch bestärkt habe.

Auf die Frage, wie gut er den Viertangeklagten denn kenne, erwiderte der Kontaktmann des Attentäters, er habe diesen "nur vier bis fünf Mal getroffen". Man sei nie gemeinsam in einer Moschee gewesen: "Wir haben gegrillt, gegessen, das war's."

Anklage zu weiteren Beschuldigten modifiziert

Die Staatsanwältin modifizierte ihre Anklage auch zu zwei weiteren Beschuldigten. Einem mittlerweile 22-Jährigen langjährigen Bekannten des Attentäters wird nun nicht mehr vorgeworfen, diesen am 23. Juni 2020 begleitet zu haben, als dieser ein Sturmgewehr übergeben bekam. Aufrecht bleibt der Vorwurf, der 22-Jährige habe den Attentäter wenige Stunden vor dem Anschlag in dessen Wohnung aufgesucht und diesen bei den Tatvorbereitungen unterstützt. Hinsichtlich eines 32-Jährigen tschetschenischer Abstammung, der dem Attentäter ein vollautomatisches Sturmgewehr samt passender Munition sowie eine Pistole besorgt hatte, werden die Waffenbeschaffungen von der Anklagebehörde nun als terroristische Straftaten qualifiziert.

Dieser wird auch beschuldigt, am Tag des Anschlags in der Wohnung des Attentäters gewesen zu sein, was der 32-Jährige entschieden bestreitet. Die Anklage stützt sich dabei auf Handydaten, denen zufolge der Mann zwischen 14.00 und 14.34 Uhr im Bereich der Wohnung des Attentäters eingeloggt war. Der 32-Jährige hält dem entgegen, er sei im fraglichen Zeitpunkt bei seiner Schwester bzw. im Donauzentrum gewesen, beide Adressen befänden sich nahe der Anschrift, in welcher der Attentäter zuletzt wohnhaft war. Dazu liegt nun einer neuer Bericht der Polizei vor, demzufolge die Wohnung der Schwester 3,3 Kilometer von der maßgeblichen Adresse entfernt ist, das Donauzentrum dagegen 400 Meter. Das Einkaufszentrum in der Donaustadt habe "teilweise" denselben Sendebereich wie die Wohnung des Attentäters, die Adresse der Schwester keinesfalls.

Abschließend zeugenschaftlich befragt wurden zwei weitere Bekannte des Attentäters. Er habe diesen "vom Schwimmen" gekannt, sagte der eine. Der andere meinte, die Bekanntschaft habe sich "vom Bezirk" ergeben. Beide waren der Meinung, dass die jeweiligen Meldeadressen die Bekanntschaft begründet hätten. "Wenn man ein paar Jahre da wohnt, ist es so, dass man sich kennt", schilderte einer der zwei.

Die Verhandlung wird am Mittwoch fortgesetzt - mit einem eingeschränkten Programm. An sich wären drei Zeugen vorgesehen. Einer von ihnen ist jedoch coronapositiv mit Krankheitssymptomen und hat sich daher entschuldigt. Geladen sind außerdem die Eltern des Attentäters. Der Vater befindet sich allerdings bis zum 15. Jänner im Urlaub und wird daher nicht erscheinen. Offen ist, ob die Mutter kommt. (APA)