Stürmung des Präsidentenpalasts in Brasília

Ex-Justizminister Brasiliens wegen Krawallen verhaftet, Ermittlungen auch gegen Bolsonaro

Gegen Brasiliens Ex-Präsident Jair Bolsonaro wird ermittelt.
© AFP/Pimentel

Anderson Torres wurde nach seiner Ankunft aus den USA festgenommen. Der Generalstaatsanwaltschaft bezichtigt den Ex-Staatschef Brasiliens Jair Bolsonaro der „Anstiftung und geistigen Urheberschaft".

Brasilia – Nach dem Angriff auf Brasiliens Regierungsviertel ist der ehemalige Sicherheitschef der Hauptstadt und Ex-Justizminister des Landes verhaftet worden. Anderson Torres, der nach den Krawallen vergangenen Sonntag als Sicherheitschef des Bundesbezirks Brasília entlassen worden war, wurde dort am Samstag am Flughafen nach seiner Ankunft aus dem US-Staat Florida festgenommen, wie die Nationalpolizei mitteilte.

Wegen des Verdachts von Versäumnissen und Duldung im Zusammenhang mit den Krawallen hatte der Oberste Gerichtshof gegen ihn Haftbefehl erlassen. Anhänger des rechten Ex-Staatschefs Bolsonaro hatten am Sonntag den Kongress, den Regierungssitz und den Obersten Gerichtshof in der Hauptstadt Brasília gestürmt. Sie randalierten in Büros und Sitzungssälen und verursachten erhebliche Schäden. Die Sicherheitskräfte brachten die Lage erst nach Stunden wieder unter Kontrolle. Präsident Luiz Inácio Lula da Silva warf Teilen der Polizei und des Militärs eine Zusammenarbeit mit den Angreifern vor.

Bolsonaro war im vergangenen Oktober dem Linkspolitiker Lula in der Stichwahl unterlegen und zum Jahreswechsel aus dem Amt geschieden. Bereits vor der Wahl hatte er immer wieder Zweifel am Wahlsystem gestreut, ohne dafür Beweise vorzulegen. Seine Niederlage erkannte er bisher nicht ausdrücklich an. Zwei Tage vor dem Ende seiner Amtszeit an Neujahr flog er mit seiner Familie in die USA.

Oberster Gerichtshof: Ermittlungen gegen Bolsonaro

Brasiliens Oberster Gerichtshof gab am Freitag einem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft statt, den rechtsradikalen Politiker auf eine Liste von Verdächtigen zu setzen, gegen die wegen der Gewalt am 8. Jänner ermittelt werden soll. Bolsonaro hält sich derzeit in den USA auf.

Die Generalstaatsanwaltschaft wirft dem Ex-Präsidenten „Anstiftung und geistigen Urheberschaft" der Krawalle vor. Seine Anwälten wiesen dies entschieden zurück.

Der Oberste Richter Alexandre de Moraes teilte mit, er gebe dem Antrag der Staatsanwaltschaft statt und setze den Ex-Präsidenten mit auf die Ermittlungsliste. Die Generalstaatsanwaltschaft hatte zuvor dargelegt, mit der Veröffentlichung eines Videos, das „die Rechtmäßigkeit der Präsidentschaftswahlen 2022 in Frage stellt", habe Bolsonaro „öffentlich zur Begehung eines Verbrechens angestiftet".

Generalstaatsanwaltschaft: Video rechtfertigt Untersuchung

Das Video wurde zwei Tage nach der gewaltsamen Stürmung des Präsidentenpalasts, des Kongresses und des Obersten Gerichtshofs durch Anhänger Bolsonaros veröffentlicht und später gelöscht. Die Generalstaatsanwaltschaft argumentierte, obwohl das Video nach den Krawallen aufgenommen wurde, könne es als „beweiskräftiger Zusammenhang" dienen, der „eine umfassende Untersuchung der Handlungen des Angeklagten vor und nach dem 8. Jänner 2023" rechtfertige.

In einer Mitteilung an die Nachrichtenagentur AFP erklärten Bolsonaros Anwälte, dieser habe „niemals auch nur die geringsten Verbindungen" zu den Verantwortlichen für die Erstürmung staatlicher Institutionen gehabt. Die Anwälte machten „eingeschleuste" Akteure für die Gewalt vom 8. Jänner verantwortlich.

Vergangenen Sonntag waren hunderte Bolsonaro-Anhänger in der Hauptstadt in das Kongressgebäude, den Präsidentenpalast und den Sitz des Obersten Gerichts eingedrungen und hatten dort stundenlang schwere Verwüstungen angerichtet. Dabei entlud sich ihr Zorn über den Wahlsieg des Linkspolitikers Luiz Inácio Lula da Silva, der sich in einer Stichwahl knapp gegen Bolsonaro durchgesetzt hatte und seit Jahresbeginn im Amt ist. (APA/dpa)

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