Härtere Strafen bei Missbrauch? Tiroler Kinder- und Jugend GmbH skeptisch
Die Tiroler Kinder- und Jugend GmbH spricht sich gegen höhere Strafen bei Missbrauch aus.
Innsbruck – Härtere Grenzen, schärfere Gesetze und höhere Strafen bei Kindesmissbrauch und sexueller Gewalt hat gestern Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) gefordert – und stärkt damit Innenministerin und Parteikollegin Susanne Raab den Rücken. Sie hatte sich für höhere Strafen für den Besitz von sexuellen Missbrauchsdarstellungen Minderjähriger ausgesprochen. Gesprächsbereitschaft hatte diesbezüglich auch Justizministerin Alma Zadić (Grüne) signalisiert.
Die Tiroler Kinder- und Jugend GmbH sieht den Ruf nach einem höheren Strafmaß bei Missbrauch von Kindern allerdings skeptisch und kann diesem wenig abgewinnen. Vor einigen Jahren seien die Strafrahmen bereits ausgeweitet worden, in den Gerichten würden diese allerdings kaum ausgeschöpft, erklärt Geschäftsführerin Petra Sansone. „Aus unserer Sicht leistet eine weitere Verschärfung keinen entscheidenden Beitrag, das Problem in den Griff zu bekommen“, sagt sie. Eines der zentralen Probleme sei vielmehr, dass viele Fälle gar nicht zur Anzeige gebracht werden. „Die Erhöhung des Strafmaßes führt eher zu einer höheren Hemmschwelle bei den Anzeigen“, ist Sansone überzeugt. Das liege vor allem daran, dass rund 70 Prozent der Taten im persönlichen Umfeld der Opfer passieren, 56 Prozent sogar im innerfamiliären Kreis. In 44 Prozent der Fälle sind Vater oder Mutter, in zwölf Prozent Stiefvater oder Stiefmutter die Täter, bei elf Prozent Geschwister. Die Bereitschaft, bei einem Missbrauchsverdacht ein Familienmitglied anzuzeigen, werde mit einer Erhöhung der Strafen weiter abnehmen, glaubt Sansone.
In der Debatte um das Strafmaß erkennt sie eine „klassische Dynamik“, wie sie so oft bei aktuellen Fällen in Gang komme. „Die Aufregung ist dann groß, der Ruf nach höheren Strafen wird laut und es geht in erster Linie um die Fragen, wie so etwas passieren konnte und warum erst so spät reagiert wurde. Was aber die Kinder brauchen, das fragt niemand“, so die Geschäftsführerin der Tiroler Kinder- und Jugend GmbH. Sie fordert einen massiven Ausbau von Präventionsprogrammen bereits vom Kindergarten aufwärts. Auch Sensibilisierungsoffensiven, was die Darstellung von Kindern in sozialen Netzwerken betrifft, oder der Ausbau von Kinderschutzkonzepten samt Kinderschutzbeauftragten könnten einen wichtigen Beitrag leisten, ist Sansone überzeugt.
Hintergrund der aktuell laufenden Debatte über Strafrahmen bei Kindesmissbrauch ist die Causa rund um den Schauspieler Florian Teichtmeister, der sich Anfang Februar wegen des Besitzes von Missbrauchsdarstellungen Unmündiger und Minderjähriger vor Gericht verantworten muss.
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