Rettungskräfte im Dauereinsatz

Dramatisches Wochenende in Tirol: Fünf Lawinentote allein am Sonntag geborgen

Im Bereich des roten Kreises wurden die Verschütteten in St. Anton tot geborgen.
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Auch am Sonntag standen die Retter in Tirol im Dauer-Einsatz. Nachdem in Osttirol ein Schneepflugfahrer und im Kaunertal ein 62-jähriger Tourengeher tot aufgefunden worden waren, wurden auch die Leichen der zwei in St. Anton am Arlberg vermissten Wintersportler geborgen. Im Ötztal ereignete sich ein weiteres tödliches Unglück. Damit starben seit Freitag sieben Menschen in Tirol unter Lawinen.

Innsbruck – Die heikle Lawinenlage sorgte seit Freitag für viele Rettungseinsätze in Tirol. Wintersportler waren allen Warnungen zum Trotz ‒ es herrschte Warnstufe vier auf der fünfteiligen Skala ‒ auch am Sonntag im freien Gelände unterwegs.

So konnten zwei 29 und 33 Jahre alte Männer in St. Anton am Arlberg sowie ein 62-jähriger Skitourengeher in Kaunerberg, die bereits am Samstag unter die Schneemassen gerieten, erst am Sonntag tot geborgen werden. In Längenfeld ging zudem am Sonntag eine weitere Lawine ab, die einen Mann das Leben kostete. Mehrere Tourengeher wurden außerdem bei Abgängen verschüttet und teilweise verletzt.

In Osttirol kam der Fahrer eines Schneepfluges ums Leben, als er beim Schneeräumen von einer Lawine mitgerissen wurde. Seit Freitag starben in Tirol (7) und Vorarlberg (1) damit acht Personen unter Lawinen. Am Samstag verunglückte in Kaltenbach ein 17-jähriger Skifahrer aus Neuseeland, am Freitag bereits ein chinesischer Freerider in Sölden.

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Schneepflug in Osttirol von Lawine mitgerissen: Fahrer kam ums Leben

In St. Anton starteten die Retter um 7.30 Uhr eine erneute Suche nach einem 29-jährigen Bergführer und einen 33-jährigen Urlaubsgast, die am Samstag von einer Lawine verschüttet worden waren. Die beiden Männer waren mit einem weiteren 64-jährigen Urlauber aus Österreich vom Kapall aus im freien Skiraum über die Variantenabfahrt „Törli“ abgefahren, als sich in einer Rinne die Lawine gelöst hatte. Während die beiden jüngeren Skifahrer mitgerissen und komplett verschüttet worden waren, blieb der 64-Jährige von den Schneemassen unberührt und konnte einen Notruf absetzen. Er wurde mit dem Notarzthubschrauber unverletzt geborgen und in Sicherheit gebracht.

Ein sofortiger Sucheinsatz war wegen der hohen Lawinengefahr nicht möglich. Zwar wurden Lawinensprengungen durchgeführt, der Bereich konnte jedoch nicht vollständig gesichert werden. Sonntagfrüh wurde nach einem Erkundungsflug entschieden, Bergrettung und Alpinpolizei mittels Tau auf den Lawinenkegel zu fliegen. Rasch konnten die Lawinen-Piepser der beiden Verschütteten geortet werden. Die Leiche des 33-Jährigen wurde schließlich in mehr als vier Metern Tiefe gefunden, der 29-Jährige wurde etwas unterhalb in mehr als drei Metern tiefe gefunden. Im Einsatz standen drei Notarzthubschraubern die Bergrettungen St. Anton am Arlberg und Pettneu, das Kriseninterventionsteam des Roten Kreuzes, die Polizei St. Anton und die Alpinpolizei.

In Kaunerberg starb ein 62-jähriger Tourengeher unter der Lawine.
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Helfer entdeckten Leiche in Lawinenkegel im Kaunertal

Ebenfalls fortgesetzt wurde Sonntagfrüh die Suche nach einem 62-jährigen Skitourengeher in Kaunerberg. Er wurde unter einem Lawinenkegel im Bereich der Hohen Aifnerspitze vermutet, der bei einem Hubschrauberüberflug festgestellt wurde. Für eine Sondierung war das Gebiet am Samstag zu gefährlich, teilte die Polizei mit. Der Mann war als vermisst gemeldet worden, nachdem sein Hund gegen 13.30 Uhr alleine nach Hause gekommen war.

Am Sonntagvormittag nahmen die Helfer die Suche nach dem Vermissten erneut auf. Der Lawinenkegel wurde mit einem Spezialsuchgerät am Tau eines Hubschraubers abgeflogen. Gegen 7.30 Uhr wurde auf etwa 2110 Metern ein Signal empfangen, worauf die Rettungskräfte mittels Tau zu der Stelle geflogen wurden. Kurz darauf wurde die Leiche des vermissten 62-Jährigen unter den Schneemassen gefunden.

Auch in Längenfeld kam es zu einem Lawinenunfall mit tödlichem Ausgang.
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Skitourengeher (55) starb im Ötztal

In Längenfeld ereignete sich dann am Sonntagvormittag ein weiterer Lawinenabgang in den drei Wintersportler involviert waren. Die Gruppe befand sich im Aufstieg zum Innerberger Felderkogel, als sich unterhalb des Gipfels auf etwa 2400 Metern ein Schneebrett löste, das die drei Tourengeher mitriss. Die 100 Meter breite Lawine ging bis in den Talboden des Eiskars ab.

Ein 55-Jähriger wurde verschüttet. Den teilverschütteten Begleitern gelang es noch, den Mann zu bergen. Der eintreffende Notarzt des Notarzthubschraubers konnte jedoch nur noch seinen Tod feststellen.

Drei Freunde in Schmirn verschüttet

Auch am Sonntag wurden in Tirol zudem zahlreiche weitere Lawineneinsätze gemeldet. In Schwendau (Zillertal) und Hopfgarten (Brixental) konnten sich die Wintersportler selbst aus den Schneemassen befreien.

Am Tuxer Hauptkamm im Gemeindegebiet von Schmirn wurden gegen 13 Uhr zwei Mitglieder einer sechsköpfigen Tourengruppe verschüttet. Die erfahrenen Tourengeher waren in Richtung Hohe Warte unterwegs, wollten allerdings aufgrund der Lawinensituation nicht bis zum Gipfel aufsteigen. Die Freunde entschieden sich auf einer Seehöhe von ca. 2280 Metern, die Tour abzubrechen. Wegen der Lawinengefahr fuhren die Gruppenmitglieder einzeln über den 25 Grad steilen Hang ab. Als ein 53-Jähriger als Vierter abfuhr, löste sich links von ihm auf einem 45 Grad steilen Hang ein rund 200 Meter breites Schneebrett.

Der 53-Jährige wurde teilverschüttet, er konnte sich selbständig befreien. Seine drei bereits abgefahrenen Freunde versuchten, der Lawine zu entkommen. Dabei wurden jedoch zwei Frauen (49 und 54) von der Lawine erfasst und komplett verschüttet. Es war lediglich jeweils eine Hand an der Oberfläche sichtbar. Ein Gruppenmitglied befreite die Frauen. Die 49-Jährige wurde leicht verletzt, die 54-Jährige blieb unverletzt. Der 53-Jährige Tiroler wurde mit einer Knieverletzung ins Krankenhaus Hall geflogen.

Experten warnten vor hoher Lawinengefahr

Die Experten warnen seit Tagen: Intensive Schneefälle und Wind haben im Westen Österreichs die Lawinengefahr auf Stufe 4 ansteigen lassen. Die Fachleute der appellieren an Wintersportler, bei der aktuellen Lage große Vorsicht walten zu lassen. Unerfahrene sollten die Pisten derzeit nicht verlassen.

Die hohe Störanfälligkeit der Schneedecke zeigte sich auch durch zahlreiche spontane Lawinenabgänge. Dabei handelte es sich um mittlere, große und vereinzelt sogar sehr große Lawinen. Letztere lösten sich in großen Höhen vornehmlich in windabgewandten, kammnahen Bereichen. Ausschlaggebend dafür waren nicht nur die zunehmende Belastung aus Neuschnee und Triebschnee (in großen Mengen), sondern auch der heutige Strahlungseinfluss.

Wie der Lawinenreport zeigt, gab es vor exakt einem Jahr in Tirol eine ähnliche Lawinensituation. Innerhalb von zwei Tagen kamen bei drei Lawinenunfällen acht Personen ums Leben. Es handelte sich dabei um einen Lawinenunfall beim Fließer Berg in der Samnaungruppe (fünf Tote), um einen Lawinenunfall bei der Breiteggspitze in den Westlichen Kitzbüheler Alpen (zwei Tote) und um einen Lawinenunfall bei der Gammerspitze im Schmirntal in den Nördlichen Zillertaler Alpen (ein Toter).

17-Jähriger starb am Samstag in Kaltenbach

Bereits am Samstag kam in Kaltenbach ein 17-jähriger Skifahrer aus Neuseeland durch eine Lawine ums Leben. Der junge Mann war gegen 11 Uhr im Gebiet Hochzillertal außer Sichtweite seiner Familie in den freien Skiraum gefahren. Nachdem ihn seine Angehörigen auch mehrere Minuten später nicht mehr antrafen und er telefonisch nicht erreichbar war, nahmen seine Familie und die alarmierte Pistenrettung die Suche auf. Etwa eine Stunde nach dem Lawinenabgang wurde der Jugendliche tot geborgen.

📽 Video | Sieben Tote bei Lawinenabgängen

Im Zillertal kam es zu weiteren Lawinenabgängen. Nach einem Abgang in Schwendau rückten die Rettungskräfte aus. „Es führen Spuren in den Anriss hinein, aber keine heraus“, hieß es von Seiten der Polizei gegenüber der Tiroler Tageszeitung. Wie sich herausstellte, war eine Person verschüttet worden und konnte verletzt geborgen werden. Im Skigebiet Penken in Mayrhofen wurde im freien Skiraum vermutlich von einem Snowboarder eine große Schneebrettlawine ausgelöst. Eine Suchaktion der Bergretter aus Mayrhofen und Tux blieb jedoch ergebnislos. Es ergaben sich keine Hinweise auf Verschüttete.

In Hippach wurde im Skigebiet Horberg eine 37-jährige Wintersportlerin aus Australien im freien Skiraum von einem Schneebrett etwa 100 Meter weit mitgerissen. Die Frau wurde bis zum Hals verschüttet, ihre Begleiter gruben sie aus und setzten den Notruf ab. Da eine Bergung per Hubschrauber wegen der sehr schlechten Sichtverhältnisse nicht möglich war, wurde sie von den Rettungsmannschaften geborgen und per Seilbahn ins Tal transportiert. Sie erlitt eine schwere Beinverletzung.

Bei einem Lawinenabgang im Gebiet Horberg wurde eine 37-jährige Australierin schwer verletzt.
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Ebenfalls in Hippach wurde am Vormittag ein 42-jähriger Pole im Skigebiet Horber im freien Skiraum von einer Lawine mitgerissen und verlor dabei einen Ski. Der Mann wurde nicht verschüttet und blieb unverletzt. Der 42-Jährige wollte in der Lawine nach seinem Ski suchen – erst nach mehreren Zurufen durch die Pistenrettung konnte der Mann dazu gebracht werden, das unsichere Gelände zu verlassen.

Der Mann suchte nach seinem verlorenen Ski.
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Ein 16-jähriger Skifahrer wurde außerdem am Tuxer Hauptkamm aus Schneemassen befreit. Der Jugendliche aus Tschechien war gemeinsam mit vier weiteren Personen im Skigebiet Hintertuxer Gletscher in das 40 Grad steile Variantengelände in Richtung Sessellift Lärmstange eingefahren. Als drei der Skifahrer an einer Geländekante anhielten, löste sich ein etwa 90 Meter breites Schneebrett. Drei Gruppenmitglieder wurden mitgerissen, wobei eine Person teilweise und der 16-Jährige vollständig verschüttet wurde. Der Bub konnte von seinem Vater per LVS geortet und unverletzt ausgegraben werden. Auch ein Helikopter kam zum Einsatz.

Eine Lawine verschüttete die Rodelbahn beim Hecherhaus.
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Nahe des Hecherhauses bei Schwaz ging gegen 14.30 Uhr eine Lawine vom Arbeserkogel auf die Rodelbahn ab. Mehrere Bergretter aus Schwaz und Jenbach durchsuchten den Lawinenkegel, verschüttet wurde zum Glück niemand.

In Fieberbrunn wurden zwei Personen nach einem Lawinenabgang mit Verletzungen ins Tal transportiert. Stürmischer Wind und Neuschnee erschwerten die Bedingungen für die 27 Bergretter, Pistenretter und die beiden Notarzthubschrauber. Wie die Polizei am Abend mitteilte, handelte es sich bei den Verschütteten um zwei Schweden im Alter von 48 und 50 Jahren. Sie hatten mit einem weiteren Skifahrer östlich des Gipfelmassivs „Henne" eine Variantenabfahrt unternommen, als sie das Schneebrett im steilen und felsigen Gelände auslösten.

Einsatzkräfte in Fieberbrunn. Dort wurden bei einem Lawinenabgang zwei Personen verletzt.
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Wegsperren an der Nordkette

Meldungen über Lawinenabgänge gab es auch von der Innsbrucker Nordkette. Es sei aber niemand zu Schaden gekommen, hieß es in einer Aussendung von Innsbrucks Vizebürgermeister Johannes Anzengruber. Mehrere Straßen wurden vorsichtshalber gesperrt: der Kollnerweg (Höttinger Bild bis Gramartboden), der Höttinger Graben (Bildhöll), Mühlauer Klamm sowie die Zufahrt zur Arzler Alm. Man appelliere an die Vernunft der Bevölkerung, besonders an die Wanderer, die Gefahr nicht zu unterschätzen. Die Wegsperren auf der Nordkette seien unbedingt zu beachten.

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