Patienten und Kasse betrogen

Patienten geschädigt und gepfuscht: Zahnärzte vor Gericht in Steyr

Die Angeklagten vor Beginn des Prozesses am Landesgericht in Steyr.
© APA/KERSTIN SCHELLER

Der Erstangeklagte soll Sozialversicherungen sowie rund 150 Patienten betrogen und einen Schaden von rund 300.000 Euro angerichtet haben. 25 Patienten erlitten nach Fehlbehandlungen Gesundheitsprobleme. Der mitangeklagte Bruder soll in 16 Fällen gepfuscht haben.

Steyr – Zwei Zahnärzte müssen sich am Donnerstag in Steyr wegen des Verdachts des schweren gewerbsmäßigen Betrugs und der fahrlässigen Körperverletzung vor Gericht verantworten. Der Erstangeklagte soll Sozialversicherungen sowie rund 150 Patienten betrogen und einen Schaden von rund 300.000 Euro angerichtet haben. 25 Patienten erlitten nach Fehlbehandlungen Gesundheitsprobleme. Der mitangeklagte Bruder soll in 16 Fällen gepfuscht haben. Beide waren großteils geständig.

Der Hauptangeklagte, ein deutsch-syrischer Staatsangehöriger, hatte 2013 als Wahlarzt in Oberösterreich eine Ordination eröffnet. Ab dann habe er laut Anklage mindestens 150 Patienten hochwertige Kronen zugesagt, die sich jedoch als Provisorien entpuppten. In 113 Fällen stellte er offenbar zudem Behandlungen in Rechnung, die er nie durchgeführt haben dürfte. Weiters soll es bei 14 von 25 unfachgemäß behandelten Patienten zu schweren Komplikationen gekommen sein. Der ebenfalls vor Gericht stehende Bruder, der ab 2016 in einer Kassenordination mit dem Hauptangeklagten arbeitete, soll in 16 Fällen Patienten gesundheitlich geschädigt haben.

2018 war eine erste mutmaßliche Fehlbehandlung bekannt geworden. Eine Patientin hatte in entzündetes Gewebe ein Zahnimplantat erhalten. Gesetzt wurde diese vom Zweitangeklagten in der Privatordination des Bruders. Diese "gravierende Fehlbehandlung" führte dazu, dass die Patientin in Linz im Krankenhaus operiert werden musste, führte die Staatsanwältin aus. Es habe eine beginnende Sepsis vorgelegen. Die Patientin erlitt eine Nervenschädigung einer Gesichtshälfte - ein "bleibender Schaden."

Fehlbehandlungen waren kein Einzelfall

Polizeiliche Ermittlungen ergaben, dass besagte "Fehlbehandlung kein Einzelfall" gewesen sei, unterstrich die Anklagebehörde. Nach viereinhalb Jahren Ermittlungsarbeit war die Liste der mutmaßlichen Verfehlungen fertig.

Auch wenn beide Mandanten grundsätzlich die Verantwortung bezüglich der fahrlässigen Körperverletzung übernehmen, hätten sie "nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt", erklärte der Verteidiger. Den Vorwurf, er habe minderwertige Kronen eingesetzt, tatsächlich aber teurere in Rechnung gestellt, wollte der 46-jährige Hauptangeklagte so nicht stehen lassen. Er habe Langzeitprovisorien aus einem Kunststoff-Keramik-Gemisch, die besser seien als "spröde werdende Keramikkronen" verarbeitet. Darüber habe er auch die Patienten mündlich aufgeklärt, versicherte er.

Zugeben hat er indes, den Sozialversicherungen nicht erbrachte Leistungen verrechnt zu haben. Mit den beiden Ordinationen "habe ich über meine Verhältnisse gelebt, bin dann leider Gottes zu den Fehlberechnungen gekommen, ohne nachzudenken, dass dies auch meine eigene Zukunft ruinieren wird", nannte er vor Gericht als Motiv. Er "bereue zutiefst, die Kassen betrogen" zu haben. 2018 habe er beim "Finanzamt 140.000 Euro Schulden" gehabt.

Auch sein zehn Jahre älterer Bruder bekannte sich schuldig - der "grob fahrlässigen Körperverletzung mit zum Teil schweren Folgen". Auf die entsprechende Nachfrage des Vorsitzenden Richters des Schöffensenats antwortete er kurz mit "Ja". Auf Fragen der Staatsanwältin, Schöffen und Rechtsvertretern von Opfern, die sich als Privatbeteiligte mit Schadenersatzforderungen im sechsstelligen Bereich dem Verfahren angeschlossen haben, verweigerte er ebenso wie sein Bruder von vornherein eine Beantwortung.

Dem Hauptangeklagten drohen ein bis zehn Jahre, seinem Bruder bis zu zwei Jahre Haft. Der Prozess ist vorerst für einen Tag anberaumt. (APA)

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