Entmystifizierter Effekt: Keine spezifische Wirkung der Musik Mozarts
Psychologen der Uni Wien nahmen Studien über die angeblich positive Wirkung bei Epilepsie unter die Lupe und fanden keine positiven Effekte.
Wien – In den vergangenen Jahrzehnten wurden der Musik Mozarts positive Auswirkungen auf Mensch, Tier und selbst Bakterien zugeschrieben – doch dieser „Mozart-Effekt" ist offenbar ein Mythos. Nachdem sie bereits 2010 die angebliche Intelligenzsteigerung durch Mozarts Sonate für zwei Klaviere (KV 448) nicht bestätigen konnten, haben Psychologen der Uni Wien nun im Fachjournal „Scientific Reports" gezeigt, dass auch keine positive Wirkung von Mozart bei Epilepsie nachweisbar ist.
Anfang der 1990er-Jahre hatte die US-Psychologin Frances Rauscher mit ihrer im Fachjournal „Nature" veröffentlichten Studie über verbesserte Leistungen bei Intelligenztests nach dem Hören von Mozarts Musik einen Hype ausgelöst. Von Wissenschaftern unterschiedlichster Fachgebiete wurde die Wirkung von Musik auf Mensch und Tier untersucht – mit unterschiedlichsten Ergebnissen. Breit rezipiert wurden dabei vor allem jene Studien, die positive Effekte gefunden haben wollten.
Von intelligenten Kindern und Milchleistung von Kühen
So sollte zum Beispiel das Hören der Mozart-Sonate nicht nur die Intelligenz von Erwachsenen, Kindern oder Föten im Mutterleib steigern – was einzelne US-Bundesstaaten sogar dazu veranlasste, jeder Mutter eines Neugeborenen eine Klassik-CD zu schenken. Die Musik sollte auch Kühe zu höherer Milchleistung bringen und selbst Bakterien in Kläranlagen ihre Arbeit besser verrichten lassen. In jüngster Zeit gab es eine weitere Variation des Mozart-Effekts: Einige Studien berichteten von Symptomlinderungen bei Epilepsiepatienten, nachdem sie KV448 gehört hatten.
Resultate konnten nicht bestätigt werden
Den Ausgangspunkt des „Mozart-Effekts" entmystifizierte ein Team um Jakob Pietschnig vom Institut für Psychologie der Entwicklung und Bildung der Universität Wien bereits 2010: Sie untersuchten in ihrer im Fachjournal Intelligence veröffentlichten Meta-Analyse die Ergebnisse von 39 Studien zum Thema „Mozart und Intelligenzsteigerung" statistisch und konnten die ursprünglich postulierten Resultate nicht bestätigen.
Nun haben Sandra Oberleiter und Jakob Pietschnig Studien unter die Lupe genommen, die den Effekt der Sonate „auf eine physische Erkrankung im Allgemeinen untersucht haben", wie Oberleiter gegenüber der APA erklärte. In einer Literaturrecherche identifizierten sie zunächst nur 26 Studien als passend, „was zeigt, dass es zu diesem Thema gar nicht so viel Literatur gibt, wie der durch die Medien vermittelte Eindruck vermuten lässt", so die Psychologin. Zudem mussten die Forscher den Großteil dieser Untersuchungen ausschließen, da es sich entweder um Fall-Studien mit Einzelpersonen handelte oder die Daten nicht mehr vorhanden waren.
Sechs der schließlich acht analysierten Studien beschäftigten sich mit der Wirkung der Mozart-Musik auf Epilepsie und jeweils eine mit der Wirkung auf den Blutdruck von Schlaganfall-Patienten und die Schmerzwahrnehmung von Frühgeborenen nach Einschätzung von Pflegekräften. Sie zeigten, dass es keine belastbaren Nachweise zu positiven Effekten gibt, die Studien „wiesen in der Regel kein adäquates Design entsprechend den Standards experimenteller Forschung auf und basierten auf sehr, sehr kleinen Stichprobengrößen", so Oberleiter.
„Mozart-Effekt" auf selektive Berichte zurückzuführen
Zusammenfassend betonen die Forscher, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt werde, es gebe sehr viel Evidenz zum Mozart-Effekt in Bezug auf Epilepsie. „Das ist aber nicht der Fall", betonte die Psychologin. Zurückzuführen sei der angebliche Mozart-Effekt auf selektive Berichte, zu kleine Stichproben und inadäquate Forschungspraktiken.
Die Wissenschafter wollen Mozarts Musik ihre Wirkung nicht komplett absprechen. Es gebe durchaus Evidenz dafür, dass Musik, die man gerne mag, aktivierend wirkt und dies zu positiven Effekten führen kann – unabhängig vom Genre. „Allerdings ist schwer zu bezweifeln – und es gibt im Moment keine wissenschaftlich belastbare Hinweise darauf, dass dies auf eine spezifische Wirkung von Mozarts Musik zurückzuführen ist - weder für Epilepsie, noch Intelligenz", so Oberleiter. (APA)