Prozess in Bayern

Regelrecht „hingerichtet": Hohe Strafen im Starnberger Dreifachmord

Die Tat sorgte weithin für Entsetzen. Eltern und Sohn werden in ihrem Haus in Starnberg erschossen. Was zuerst wie ein erweiterter Suizid aussieht, war dreifacher Mord. Geschossen hat ein Freund des Sohnes. Das Gericht verhängt hohe Strafen gegen ihn und einen Mitangeklagten.

München – Ein cooles Gangsterleben hätten die beiden Angeklagten führen wollen, sagt die Vorsitzende Richterin Regina Holstein. Es fehlte aber an Geld. Um an das illegale Waffenlager eines Freundes zu kommen und es zu verkaufen, habe der Hauptangeklagte beschlossen, den Kumpel zu töten. Den Mitangeklagten habe er dazu ins Boot geholt. Am Ende erschoss er laut Richterin nicht nur den Freund, sondern auch dessen Eltern. Danach filmte er die Tatszenerie. Er habe seine Opfer regelrecht "hingerichtet", sagte die Richterin in ihrer fünfstündigen Urteilsbegründung: Der Sohn schlief, die Eltern waren arglos im Schlafzimmer.

Das Landgericht München II hat am Montag nach anderthalb Jahren Prozess um den Dreifachmord von Starnberg den 22 Jahre alten Hauptangeklagten wegen Mordes in drei Fällen zu 13 Jahren Jugendstrafe verurteilt. Der Mitangeklagte bekam acht Jahre und sechs Monate wegen eines Mordes.

Der 21-Jährige hatte den anderen zwar nur zum Tatort gefahren. Das Gericht sieht ihn aber als Mittäter an dem Mord an seinem Kumpel. Die Verteidigung des 21-Jährigen kündigte an, in Revision zu gehen.

Ermittlungen nahmen Wendung

Die Tat im Januar 2020 hatte auch deshalb Schlagzeilen gemacht, weil die Ermittler zunächst davon ausgegangen waren, der Sohn habe seine Eltern und dann sich selbst erschossen. Der Hauptangeklagte hatte ihm die Tatwaffe in die Hand gelegt, um einen erweiterten Suizid vorzutäuschen.

Der 22-Jährige hatte vor einem Jahr ein umfassendes Geständnis abgelegt. Er räumte ein, dass er durch die Morde an die Waffen kommen wollte. Zudem habe er einen Amoklauf verhindern wollen, den sein Freund geplant haben soll, sagte die Richterin. Als sich dessen Amokpläne zu konkretisieren schienen, habe er entschieden, dass die Tat nun sein müsse - einerseits um Schlimmeres zu verhindern, andererseits, weil er sonst nicht mehr an die Waffen gekommen wäre.

Der 21-jährige Mitangeklagte war nach Auffassung des Gerichts in die Planung des Mordes an dem Kumpel eingeweiht und hatte den Haupttäter zum Tatort gefahren. Es stehe fest, "dass er das als Mittäter gemacht hat". Der junge Mann, interessiert vor allem an Äußerlichkeiten wie Autos und teurer Kleidung, habe gewusst, dass der Sohn in der Nacht getötet werden sollte, damit man an seine Waffen komme. Die Ermordung auch der Eltern sei aber nicht abgesprochen gewesen.

Auf Hunderttausend Euro gehofft

Der Hauptangeklagte habe von mehreren hunderttausend Euro gesprochen, die der Verkauf bringen könnte, sagte die Richterin weiter. Doch der Waffenverkauf gestaltete sich nicht einfach. Um an Geld zu gelangen, begingen die beiden einen Raubüberfall. Wenig später wurden sie festgenommen.

Den beiden habe man nach der Tat nichts angemerkt, sagte die Richterin. Am Tag danach sei der Hauptangeklagte mit seinen Eltern in eine Pizzeria gegangen. Sie würdigte aber seine Aussagebereitschaft im Prozess und wertete seine Angaben – auch jene, die den Mitangeklagten belasteten – als glaubwürdig. Er sei bemüht gewesen, die Sache umfassend aufzuklären. Schon bei seiner Festnahme durch die Polizei habe er sich fast befreit gezeigt: "Ich hab schon auf die Polizei gewartet", habe er gesagt.

Der Mitangeklagte hatte hingegen geschwiegen. Seine Verteidigung plant die Revision. Die Mittäterschaft seines Mandanten sei seit seinem Plädoyer "nicht mehr haltbar", sagte Rechtsanwalt Alexander Stevens der Deutschen Presse-Agentur. Er begründet das damit, dass in einem Video vom Tatort die Tatwaffe zu sehen ist, die später in der Hand des getöteten Freundes gefunden wurde. Der Hauptangeklagte sagt in dem Video, das seien die Waffen, die er gleich mitnehme. Daraus schließt Stevens, dass sein Mandant von dem Plan, es wie einen Selbstmord aussehen zu lassen, nichts gewusst haben könne. Er hatte Freispruch vom Mordvorwurf verlangt.

Anklage hatte jeweils 13 Jahre gefordert

Die Anklagebehörde hatte für die beiden Angeklagten hohe Jugendstrafen wegen Mordes gefordert. Sie sprach sich in ihrem Plädoyer für jeweils 13 Jahre und sechs Monate Haft aus sowie den Vorbehalt der Sicherungsverwahrung.

Die Forderung war ungewöhnlich. Denn damit verlangte die Staatsanwaltschaft für den 22 Jahre alten Deutschen, der die Tat zugegeben hatte, genau die gleiche Strafe wie für den 21-jährigen Slowaken, der am Tatort gar nicht anwesend war. Außerdem gilt im Jugendstrafrecht auch bei Mord eine Höchststrafe von zehn Jahren. Werden Heranwachsende zwischen 18 und 21 Jahren nach Jugendstrafrecht verurteilt, sind nur in seltenen Fällen bei Mord bis zu 15 Jahre möglich.

Der Anwalt des Hauptangeklagten war nur wenig unter der Forderung der Anklagebehörde geblieben. Er sprach sich für eine zwölfjährige Haft für seinen Mandanten aus. Dieser zeigte sich reuig. "Ich wollte mich bei allen Angehörigen entschuldigen, auch wenn ich weiß, dass meine Taten nicht zu entschuldigen sind", sagte er in seinem letzten Wort. (dpa)

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