Meinungen zum Treffen

Nicht mehr auf Augenhöhe: So kommentieren Medien den Besuch von Xi in Moskau

Der Besuch von Xi Jinping in Moskau machte deutlich, dass Russland von China zunehmend abhängig ist.
© APA/AFP/SPUTNIK/ALEXEY MAISHEV

Der chinesische Staatschef Xi Jinping traf sich mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau. China versucht sich derzeit in einem Balanceakt, jedenfalls markiere der Besuch den Abschied Russlands vom Status als "Supermacht", kommentieren internationale Zeitungen.

Moskau, Peking – Der chinesische Präsident Xi Jinping hat seinen Staatsbesuch in Russland beendet. Xi sei wieder abgereist, berichtete der staatliche chinesische Sender CCTV am Mittwoch. Er war am Montag in Moskau eingetroffen. Xi und sein Gastgeber, Russlands Präsident Wladimir Putin, vereinbarten, dass China und Russland politisch und wirtschaftlich enger zusammenrücken.

Internationale Tageszeitungen kommentierten den Besuch wie folgt:

de Volkskrant (Amsterdam):

"Wenn in den vergangenen Tagen eines deutlich geworden ist, dann ist es Russlands rascher Abstieg vom Status einer 'Supermacht'. Die Präsidenten Xi Jinping und Wladimir Putin feierten in Moskau zwar die 'Freundschaft der starken Männer', die sie in den letzten Jahren aufgebaut haben. Doch dass es sich dabei nicht länger um ein Duett zwischen mehr oder weniger Gleichen handelt, dürfte niemandem entgangen sein – außer dem russischen Staatsfernsehen.

Zum x-ten Mal bejubelten beide Staatschefs diese Woche das Entstehen einer 'multipolaren Weltordnung', womit sie das Ende der US-Dominanz meinen. Doch in Wirklichkeit kann Putin noch froh sein, wenn er als unberechenbarer revanchistischer Bursche weiter hinten mitfahren darf, während Xi am Steuer sitzt."

Neue Zürcher Zeitung:

"Die USA haben deutlich gemacht, dass sie China mit ähnlichen Sanktionen wie Russland belegen würden, sollte China Russland mit Kriegsmaterial unterstützen. Die EU würde höchst wahrscheinlich mitziehen. China wäre isoliert, die Beziehungen mit dem Westen wären irreparabel beschädigt. Xi Jinpings Traum vom 'gemeinsamen Wohlstand' für China wäre dann wohl ausgeträumt.

Noch gelingt es Peking, ein solches Dilemma zu verhindern, indem es sich taktisch geschickt auch ein wenig von Russland distanziert. (...) Denn insbesondere mit der EU sieht Xi noch Hoffnung auf eine konstruktive Zusammenarbeit. Doch Xis Spagat wird immer breiter, die Spaltung der Welt wie im Kalten Krieg immer offensichtlicher. Statt auf Abschreckung sollte der Westen jetzt auf intensiven Dialog mit China setzen. Wenn sich in Peking die Überzeugung festgesetzt hat, dass es früher oder später sowieso auf einen Bruch mit dem Westen hinauslaufen wird, hat Xi nichts mehr zu verlieren. Dann wird er Putin auch mit Kriegsmaterial unterstützen."

Financial Times (London):

"Der Krieg hat Moskau noch abhängiger von China gemacht. Das gibt Xi ein echtes Druckmittel in die Hand, sollte er es nutzen wollen. Es mag nicht in Pekings Interesse sein, dass Putin eine demütigende Niederlage erleidet und damit seine Führungsposition aufs Spiel setzt. Aber es liegt auch nicht in Chinas Interesse, tiefer in einen langen und destabilisierenden Konflikt hineingezogen zu werden.

Ein klügerer Kurs für Peking wäre es, öffentlich mehr Distanz zu Moskaus Aggression zu schaffen und Putin insgeheim klarzumachen, dass er in der Ukraine nicht gewinnen kann. Pekings derzeitiger Weg dient nur dazu, die Spannungen mit dem Westen weiter anzuheizen und die Abkopplung von seinen größten Handelspartnern zu beschleunigen."

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Nepszava (Budapest):

"Trotz aller Verbrüderung und Freundschaft unterstützt China Putin nicht bedingungslos. Xi Jinping hat sich in Moskau auf keine wesentlichen Verpflichtungen eingelassen. Die gemeinsame Erklärung der beiden Führer enthält Allgemeinplätze. Zum Beispiel ist keine Rede davon, dass die Befürchtungen Washingtons wahr würden und China Waffen nach Russland schickt. Für Peking lohnt es sich nicht, wegen Putin ein derartiges Risiko auf sich zu nehmen.

In Wirklichkeit markiert Xis Besuch den Beginn von Russlands Zerfall. Dieser wird nicht so spektakulär ausfallen wie der (der Sowjetunion) 1991, doch wird er sich sehr schmerzhaft gestalten. Moskau wird zum Vasallen Chinas und verliert langsam jegliches weltpolitisches Gewicht."

Latvijas Avize (Riga):

"Die Ergebnisse der Gespräche zwischen den Präsidenten Russlands und Chinas in Moskau und die unterzeichneten Dokumente zur langfristigen Zusammenarbeit zeigen, dass Russland zu einem Rohstoffanhängsel für China wird. Von einer gleichberechtigten Zusammenarbeit kann keine Rede sein. Chinas Staatschef Xi Jinping wurde im Kreml als "lieber Freund" mit besonderen Ehren empfangen. Doch zeigte er sich selbst nicht so entgegenkommend gegenüber dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, der auf eine schnelle Antwort auf seine Rufe nach Unterstützung gehofft hatte."

Pravda (Bratislava):

"Gas war die stärkste Waffe des Kreml gegen Europa. Daher ergab die russische Drohung, ohne dieses Gas würden wir im Winter frieren, tatsächlich einen Sinn. Die extremen Katastrophenszenarien waren jedoch von Anfang an unrealistisch. Das heißt aber nicht, dass sie völlig umsonst waren. Der Kreml wusste sehr gut, was er tat. Abgesehen von der Verunsicherung vieler Menschen trieben die Drosselungen und völligen Lieferstopps den Gaspreis in die Höhe – zeitweise auf das Zehnfache. Daran hat Russland bestens verdient.

Zugleich hat es aber gerade damit auch der EU geholfen, ihr Ziel zu erreichen: die Gasimporte aus Russland um zwei Drittel zu senken. (...) Die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen haben wir also verringert. Alles gewonnen haben wir damit aber noch nicht. Der nächste Winter muss nicht wieder so warm werden. Und wenn Chinas Wirtschaft wieder anspringt, wird es mehr Nachfrage nach Flüssiggas geben. Darum ist es wichtig, die Gasspeicher rechtzeitig zu füllen. Und wenn es Europa mit dem Klimaschutz wirklich ernst meint, dann werden auf Dauer auch so umfangreiche Flüssiggas-Importe nicht mehr zu akzeptieren sein."

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