„Juilliard String Quartet“ im Haus der Musik: Unersättliche Lust an Farben
Innsbruck – Die Frage, was das 1945 an der New Yorker Juilliard School of Music gegründete Juilliard String Quartet mit dem Juilliard String Quartet gemein hat, das am Donnerstagabend im Rahmen des 6. Kammerkonzertes im Haus der Musik gastierte, ist schnell beantwortet: so gut wie gar nichts. Denn selbst wenn das Quartett noch immer in Originalbesetzung existieren würde, wären die musikalische Entwicklung, die musikwissenschaftlichen Erkenntnisse und, wenn man so will, der Geschmack der Zeit nicht spurlos an ihm vorübergegangen.
Was allerdings geblieben wäre, wären der Anspruch und die Qualität, die man mit dem Namen Juilliard assoziiert und mit denen sich das Quartett identifiziert. Um es vorwegzunehmen, sowohl Anspruch wie interpretatorische Qualität wurden vorbehaltlos eingelöst, der „Institution“ Juilliard alle Ehre gemacht.
Mit Michelle Ross und Ronald Copes (Violinen), Molly Carr (Viola) und Astrid Schween (Violoncello) komplett neu aufgestellt, knüpfte man in Innsbruck an alte Traditionen und Gewohnheiten an: Erlesenes aus klassischer Literatur in Kombination mit zeitgenössischem Schaffen.
So stand das auf die Cavatina aus Beethovens berühmtem Op. 130 Bezug nehmende Streichquartett Nr. 10 „Cavatina“ von Jörg Widmann als österreichische Erstaufführung zum Konzertauftakt auf dem Programm. In Schlagworten festgemacht: viel Beethoven, sehr viel Spätromantik, wenig Klangsprache der Zeit. Idyllische Stimmungsmomente, aufbrausende Emotionen, denen etwas der große Fassungsbogen fehlte.
Maurice Ravels Streichquartett F-Dur und Juilliard durchleben den versonnen abgedunkelten Ansatz ebenso wie das lyrisch Getönte mit einer geradezu unersättlichen Lust an raffinierter Farbwirkung.
In Antonín Dvorˇáks Streichquartett Nr. 14 As-Dur op. 105 wird von Juilliard geradezu exemplarisch vorgeführt, wie man es schafft, den so einnehmenden Schmelz der im weitesten Sinn „böhmischen Musik“ freizulegen, ohne an Schmalz anzurühren. Der zweite Satz aus Ludwig van Beethovens Streichquartett op. 135 als Zugabe und noch einmal eine Demonstration, wie vielschichtig, facettenreich und präzise man die grandiose musikalische Substanz eines Werkes mittels souveräner Ausdrucksnuancen vermitteln kann. (hau)