Album-Kritik

Neues Album von Lana Del Rey: Familientreffen im Nebel

Lana Del Rey gibt auf ihrer neunten Platte einiges preis. Ganz zu fassen bekommt man sie und ihre weichgezeichnete Musik aber nie.
© Neil Krug

Lana Del Rey ist zurück. Sie zeigt mit „Did You Know That There’s a Tunnel Under Ocean Blvd“, wofür sie geliebt wird: wehmütiges Singen über Liebe.

Innsbruck – Willkommen in der Familie. Das wird einer dieser Besuche, die sich ziehen. Einer, bei dem am Tisch gepredigt, um die Kinder und den Tod gestritten wird. Und einer, bei dem die eine weirde Tante überraschend feststellt, dass da noch ein Tunnel unter dem Ocean Boulevard hindurchführt, der heute nicht mehr betreten werden darf. Mit „Did You Know That There’s a Tunnel Under Ocean Blvd“ will Lana Del Rey aber kein Licht ins Dunkel bringen, sie wirft lieber noch einmal die Nebelmaschine an. Ihr neues Album hat sie jedenfalls so getauft. Gehauchte Poesie, ein sanft klimperndes Piano – recht viel mehr braucht sie nicht.

In „Did You Know That There’s a Tunnel Under Ocean Blvd“ gibt es sogar ungemein viel davon. 14 Songs (plus zwei Interludes), insgesamt 77 (lange) Minuten lang reckt die 37-Jährige damit den Mittelfinger in Richtung Generation Z, die, von Spotify und TikTok angeschoben, am liebsten alle 20 Sekunden zum Höhepunkt kommen will. Lana Del Rey lässt sich Zeit. Stellt mit „The Grants“ erst einmal die Familie vor. Ein Schnipsen begleitet Gospelgesang, bevor sie „oh- oh“-schluchzend die Bühne betritt. Lana Del Rey, einst eben Lizzy Grant, wie sie leibt und lebt: Sadcore at it’s best.

🎧 Audio | „The Grants“ von Lana Del Rey

Was auch zwölf Jahre nach ihrem Durchbruch mit „Video Games“ nicht gelingt: Ganz greifbar wird die Musikerin, mal inszeniert als weiße Trailer-Park-Ikone, mal die abgebrühte Diva, nicht. Hauptsache, der Blick bleibt unterkühlt. Faszination bekommt sie für diese Stimme, ihre Interpretation von Country und Folk nach wie vor. Gemeinsam mit Produzent Jack Antonoff hat sie ein Erfolgsrezept gefunden – eines, das ohne TikTok-Challenges funktioniert.

Für die Fans geht Lana Del Rey im neuen Album also erneut in die Vollen, im (Album-)titelgebenden Schmachtfetzen, im vorsichtigen „Kintsugi“ oder dem schier rastlosen „Fingertips“ singt sie wehmütig von Liebe, Erinnerungen und ihren Nächsten. Sie erinnert sich etwa an den Suizid ihres Onkels – ohne dabei aber zu konkret zu werden. Herzstück und zugleich Höhepunkt des Albums ist das siebenminütige „A&W“. Der Track biegt nach allzu viel Harmonie rechtzeitig ins Düstere ab. Unter elektronischem Dröhnen sprechsingt die Sängerin – ja, Lana Del Rey kann auch anders.

Offen gibt sie sich auch am Ende eines Longplayers, der gerade um die Mitte seine Längen hat. Bei „Taco Truck x VB“ kocht Lana Del Rey ihr eigenes „Venice Bitch“ aus ihrem Erfolgsalbum „Norman Fucking Rockwell!“ neu auf. 2019 brachte sie es damit noch auf den Punkt. „Did You Know That There’s a Tunnel Under Ocean Blvd“ bleibt bis auf einige aufgeklarte Stellen aber lieber nebulös.

Pop Lana Del Rey: Did You Know That There’s a Tunnel Under Ocean Blvd. Interscope/Polydor/Universal.

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