Hämmern ist ihre Sache nicht: Claire Huangci begeistert bei den Erler Klaviertagen
Der „Ersatzgast“ für den Auftakt der Erler Klaviertage 2023 sorgte für einen grandiosen Konzertabend: Claire Huangci ist eine Sensation an den Tasten.
Erl – Konzertveranstalter schlafen manchmal nicht gut. Und wenn Festspielintendant Bernd Loebe in seiner bekannt kühlen und ruhigen Art anmerkt, dass man etwas nervös geworden sei, weiß der erfahrene Erl-Gast, dass es in Wahrheit lichterloh gebrannt haben muss. Für die Nervosität gab es jeden Grund: Am Tag vor seinem Soloabend hatte der junge österreichische Pianist Lukas Sternath aus gesundheitlichen Gründen abgesagt. Manchmal braucht ein Veranstalter jedoch auch das gewisse Quäntchen Glück. In diesem Fall war die Pianistin Claire Huangci bereits aus ihrer Wahlheimat Frankfurt im Festspieldorf eingetroffen – und sie sprang kurzfristig ein. Sonst wären am Donnerstagabend zum Auftakt der Erler Klaviertage 2023 wohl die Bühne und das Auditorium im Festspielhaus leer geblieben. So verwandelte sich die Veranstaltung zu Huangci-Festspielen, saß die Künstlerin doch am Freitag mit dem Festspielorchester auf der Bühne und wird auch am Samstagabend noch einmal einen Soloabend geben.
Zurück zur Eröffnung. Es spricht schon für ihre Qualität, dass Claire Huangci das Programm für einen Klavierabend aus dem Ärmel schütteln kann. Mit Schütteln sind wir dann auch beim richtigen Wort. Huangci verfügt über eine derartig feine und umfassende Technik, dass für sie das Klavierspiel eine Kleinigkeit und Leichtigkeit zu sein scheint.
Erler Klaviertage
Samstag, 1. April: Soloabend mit Claire Huangci.
2. April: Concordia Benefizkonzert. Infos und Karten unter tiroler-festspiele.at
Diese Leichtigkeit, mit der die junge Frau – ein Kind chinesischer Eltern, in den USA aufgewachsen – über die Tasten flitzt, ist atemberaubend. Was bei Ludwig van Beethovens „Waldsteinsonate“ (Nr. 21, op. 53) zu einem noch nie derart grandios gespielten, verdichteten und intensiven dritten Satz geführt hat, ist bei Wolfgang Amadeus Mozarts a-Moll-Sonate (Nr. 9) allerdings etwas zu technisch und zu viel gehuscht ausgefallen. Mehr Tiefgang und Ausloten der Sonate hätte man sich da durchaus gewünscht.
Die funkelnde „Waldsteinsonate“ war jedoch nur der Auftakt des Lehrbeispiels für ein meisterliches Klavierspiel: Franz Schuberts Sonate in B-Dur D 960 nahm den ganzen zweiten Teil des Abends ein. Da wurde aus der huschenden Pianistin eine tiefernste, am Klavier grübelnde Philosophin, da erhielt jede Note ihre Bedeutung, da modellierte Huangci Schuberts Klangwelt zu einem epochalen Kunstwerk. Was die Tastenzauberin noch auszeichnet: Sie schafft es, mit der feinen Klinge Spannung aufzubauen, das grobe Hämmern ist nicht ihre Sache, auch wenn sie, wo nötig, kräftig zupacken kann. Mit einer Nocturne von Frédéric Chopin sagte sie Danke, schwebend zwischen Himmel und Erde. Ein Abend, der Lust auf mehr machte, sicher auch beim begeisterten Publikum.