Kämpfe um Bachmut dauern an, Polen liefert erste Kampfjets an Ukraine
Der Chef der russischen Söldnergruppe Wagner Jewgeni Prigoschin verkündete einmal mehr die Einnahme der Stadt Bachmut in der Ukraine. Es wird jedoch weiter gekämpft und die Ukraine spricht von "Falschinformationen". Indes treffen die ersten Kampfjets aus Polen in der Ukraine ein.
Bachmut – Kiew hat russische Behauptungen zu einer angeblichen Eroberung des Zentrums der seit Monaten umkämpften ostukrainischen Stadt Bachmut als "Falschinformation" zurückgewiesen. Polen lieferte unterdessen erste Kampfjets MiG-29 aus sowjetischer Produktion an die Ukraine. Sie seien nützlich für die Ukraine, "um unser aller Sicherheit zu verteidigen", sagte Marcin Przydacz, ein Berater des polnischen Präsidenten Andrzej Duda, am Montag im Radiosender RMF FM.
"Reagiert besonnen auf die Falschinformationen derjenigen, die sich "Siege" ausdenken, die es in Wirklichkeit nicht gibt", schrieb der Chef des ukrainischen Präsidentenbüros in Kiew, Andrij Jermak, am Montag beim Nachrichtenkanal Telegram. Zuvor hatte der Chef der russischen Privatarmee Wagner, Jewgeni Prigoschin, in einem Video behauptet, dass die russische Flagge auf dem Gebäude der Stadtverwaltung gehisst worden sei. Damit sei die Stadt mit ehemals über 70.000 Einwohnern im juristischen Sinne erobert worden, sagte er. Auch das russische Verteidigungsministerium hat keine Einnahme der strategisch wichtigsten Stadt im Gebiet Donezk bestätigt. Die ukrainische Armee wehrte nach eigenen Angaben mehr als 20 Angriffe auf Bachmut ab. Die Stadt sei weiter heftig umkämpft, erklärte der ukrainische Generalstab am Montag.
📽️ Video | Weiter heftige Kämpfe um Bachmut
Indes ließ Russland nach ukrainischen Angaben zwölf Ukrainer frei. Es handle sich um zehn Soldaten und zwei Zivilisten, teilte der für Kriegsgefangene zuständige ukrainische Koordinationsstab am Montag im Nachrichtenkanal Telegram mit. Die Zivilisten seien aus dem Dorf Lypzi im Gebiet Charkiw und der Hafenstadt Mariupol im Donezker Gebiet. Die Soldaten seien bei Kämpfen in den Gebieten Donezk und Luhansk in Kriegsgefangenschaft geraten. Fünf der zwölf Freigelassenen sind demnach Schwerverletzte. Zuvor hatte Kiew fünf schwer verwundete Russen in deren Heimat überstellt. Kiew wirft Moskau vor, seiner Verpflichtung aus den Genfer Abkommen zur Freilassung aller Schwerverletzten nicht nachzukommen.
Mit der polnischen Lieferung verfügt die Ukraine eigenen Angaben zufolge über Abfangjäger für fünf Luft-Brigaden. "Wir haben jetzt fünf Abfangjägerbrigaden: zwei Brigaden Su-27 und drei MiG-29", sagte der Sprecher der ukrainischen Luftwaffe, Jurij Ihnat, am Montag im ukrainischen Fernsehen. Dennoch benötige Kiew westliche Flugzeuge, "da die MiG, sogar die von den Verbündeten bereit gestellten, moralisch und physisch veraltet sind." Ihnat zufolge könne Russland rund um die Ukraine mindestens das Fünffache der ukrainischen Zahl an Flugzeugen einsetzen. Eine vollständige Brigade besteht früheren Angaben Ihnats nach aus 36 Flugzeugen. Laut den Experten der Militärzeitschrift The Military Balance hatte das Land zu Jahresbeginn nur gut 50 Kampfflugzeuge der sowjetischen Typen MiG-29 und Su-27. Zudem seien noch über 30 Bomber unterschiedlicher Typen einsatzfähig gewesen.
Die Ukraine hat wiederholt Kampfflugzeuge von den westlichen Partnern gefordert, um sich gegen eine erwartete russische Offensive verteidigen zu können. Der polnische Staatschef hatte Mitte März angekündigt, "in den kommenden Tagen vier voll einsatzbereite Flugzeuge" in die Ukraine zu überführen. Vor eineinhalb Wochen hatte außerdem die Slowakei erklärt, die ersten vier der 13 von Bratislava versprochenen Kampfflugzeuge an die Ukraine geliefert zu haben. Sowohl US-Präsident Joe Biden als auch der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz haben eine Lieferung von Kampfjets vom Typ F-16 an die Ukraine abgelehnt.
Russland ist vor über 13 Monaten in die Ukraine einmarschiert. Um die im Donezker Gebiet gelegene Stadt Bachmut wird seit dem Sommer gekämpft. In der stark zerstörten Stadt sollen noch bis zu 3000 Zivilisten ausharren. Die Schlacht um Bachmut gilt als die blutigste des Krieges mit großen Verlusten auf beiden Seiten.
📽️ Video | Generalmajor Hofbauer zum Kampf um Bachmut
Prigoschin ehrt getöteten Militärblogger
Wagner-Chef Prigoschin zufolge konzentrierte sich die ukrainische Armee "auf die westlichen Gebiete". Nach seinen Angaben war das Verwaltungsgebäude der Stadt unter russischer Kontrolle. In einem Video zu dem Telegram-Beitrag ist der Wagner-Chef zu sehen, wie er eine russische Flagge mit der Aufschrift zu Ehren des russischen Militärbloggers Wladlen Tatarski hält, der am Sonntag bei einem Bombenanschlag in einem Café in St. Petersburg getötet worden war.
"Die Kommandeure der Einheiten, die das Rathaus und das gesamte Zentrum eingenommen haben, werden diese Flagge aufstellen", sagte der Wagner-Chef. "Das ist die private Militärfirma Wagner, das sind die Jungs, die Bachmut eingenommen haben. Rechtlich gesehen gehört es uns." Bereits am 20. März hatte Prigoschin erklärt, seine Söldner kontrollierten "etwa 70 Prozent" von Bachmut. Ziel der Wagner-Einheiten sei die "komplette Befreiung der Stadt".
Selenskyj nennt Lage in Bachmut schwierig
In seiner täglichen Videoansprache räumte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj eine "schwierige" Lage in Bachmut ein. "Ich bin dankbar für unsere Kämpfer, die in der Nähe von Awdijiwka, Marjinka und Bachmut kämpfen. Vor allem Bachmut! Dort ist es heute besonders schwierig", sagte Selenskyj.
Die Schlacht um Bachmut ist die am längsten andauernde der einjährigen russischen Offensive in der Ukraine. Die vor Beginn des Krieges 70.000 Einwohner zählende Stadt ist nach den monatelangen Kämpfen weitgehend zerstört und verlassen. Die Stadt in der Industrieregion Donbass hat jedoch angesichts der seit Monaten andauernden Gefechte mit großen Verlusten mittlerweile für beide Seiten eine hohe symbolische Bedeutung erlangt. (APA, dpa, AFP)