Der Weg von Backwaren zum Weltkonzern: Vor 100 Jahren wurde Aldi gegründet
Die Albrecht-Brüder starteten 1923 mit Aldi, der in Österreich Hofer heißt. Die Erfindung des Diskonters schreibt Wirtschaftsgeschichte.
Mülheim/Ruhr, Essen, Sattledt –Angesichts der dramatischen Preissteigerungen bei Lebensmitteln erleben die Diskonter zurzeit einen Höhenflug. Mit ihrem Fokus treffen sie den Nerv der Zeit. Da passt es, dass der Diskont-Erfinder Aldi – in Österreich Hofer – in diesem Jahr ein wichtiges Jubiläum feiert. Vor 110 Jahren legte die Aldi-Gründerfamilie Albrecht den Grundstein für ihr heutiges Handelsimperium. Der Bäcker Karl Albrecht startete am 10. April 1913 in Essen einen „Handel mit Backwaren“.
Aus den kleinen Anfängen entstand eines der größten Handelsimperien der Welt. Die Schwesterunternehmen Aldi Nord und Aldi Süd sind mittlerweile nicht nur in Europa und Nordamerika, sondern auch in Australien aktiv. In Österreich gehört Hofer zum Aldi-Imperium.
2018 feierte Hofer das 50-Jahr-Jubiläum in Österreich. Heute verfügt man über 530 Filialen und 12.000 Mitarbeiter in Österreich. Zudem werden von der Zentrale in Sattledt in Oberösterreich aus auch Hofer Slowenien sowie Aldi in der Schweiz, Ungarn und Italien gelenkt (in Summe sind das dann über 1000 Filialen und 22.000 Mitarbeiter). In Tirol hat Hofer 1075 Mitarbeiter in den 46 Filialen und dem Verteilzentrum in Rietz, von dem aus insgesamt 60 Filialen in Tirol, Vorarlberg und Salzburg bedient werden.
„Die Diskonter sind mit ihren günstigen Angeboten heute mehr denn je eine wichtige Stütze für viele Haushalte“, sagte der Handelsexperte Robert Kecskes vom Marktforschungsunternehmen GfK. Die Verlagerung von Umsätzen hält derzeit ungebremst an.
Filialen mit Wohlfühlambiente lösen karge Märkte ab
Hinter der Erfolgsgeschichte der Familie Albrecht steht allerdings trotz allen Pioniergeistes nicht der Bäcker Karl Albrecht. Es sind seine Söhne Karl Junior und Theo Albrecht, die das Unternehmen groß gemacht haben. Nach dem Tod des Vaters übernahmen sie die Verantwortung im elterlichen Geschäft und entwickelten das Discount-Konzept. Der erste „Aldi“-Markt – die Abkürzung steht für „Albrecht Diskont“ – wurde 1962 eröffnet, also vor gut 60 Jahren. Das ursprüngliche Erfolgsrezept: ein kleines Sortiment in kargem Ambiente zu Tiefstpreisen. Damit lehrten Aldi und ein wenig später auch der Rivale Lidl in Deutschland und in der Folge auch in vielen anderen Ländern die Supermarkt-Konkurrenz das Fürchten.
Allerdings haben die heutigen Aldi-Filialen mit denen der Anfangszeit nur wenig gemein. Wo einst kaltes Neonlicht und Waren auf Holzpaletten das Ladenbild prägten, hat längst Ladendesign mit Wohlfühlambiente Einzug gehalten. Und neben den klassischen Eigenmarken finden sich auch bei Aldi inzwischen immer mehr Markenartikel. „Die Menschen wollen heute ein angenehmes Einkaufsumfeld. Da hatten die Diskonter viel nachzuholen und sie haben es getan“, sagte Kecskes.
Ausgerechnet bei ihrem wichtigsten Merkmal – den günstigen Preisen – haben die Diskonter im Moment zu kämpfen. Auch sie mussten zuletzt die Preise kräftig anheben – prozentual gesehen sogar stärker als viele Markenartikler, wie Kecskes berichtet. Denn die drastisch gestiegenen Energie- und Beschaffungskosten schlugen bei den preislich auf niedrigerem Niveau angesiedelten Eigenmarken noch stärker durch als bei den Herstellermarken mit ihren in der Regel deutlich höheren Werbeausgaben und Gewinnmargen. Ausschlaggebender für die Kunden ist allerdings wohl: Trotz des Preissprungs sind die Eigenmarken in der Regel an der Kasse nach wie vor deutlich günstiger als die Markenartikel.
Ist also im Jubiläumsjahr alles im grünen Bereich? Nicht ganz. Gerade bei Aldi gibt es nach Einschätzung des Handelsexperten Gerrit Heinemann noch eine vernachlässigte Baustelle: den Onlinehandel. „Die Diskonter hatten es bisher nicht nötig, sich groß mit dem Thema Onlinehandel zu beschäftigen“, sagt der Experte. Doch sei es nur eine Frage der Zeit, bis das Thema auch für sie relevant werde. Rivale Lidl ist in den E-Commerce bereits eingestiegen. (APA, TT)