Champions-League-Viertelfinale

Künstler, Torjäger, Monster: Napoli will Aufholjagd gegen Milan hinlegen

Kvicha Kvaratskhelia und Victor Osimhen sind im weiß-blau geprägten Stadtbild Neapels vielfach präsent.
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Im Champions-League-Viertelfinale ist Neapel heute (21 Uhr, live Sky) gegen den AC Milan auf Revanche aus. Die Hoffnungen in der Offensive schultert ein Duo, das in aller Munde ist. Hinten fällt der beste Mann aus.

Neapel – Dem Vernehmen nach schüttelt der ein oder andere in Wolfsburg immer noch den Kopf. Denn zwischen 2017 und 2018 spielte in der Autostadt ein junger Nigerianer, der seinen ersten Hype bei der U17-Weltmeisterschaft 2015 generiert hatte: Damals hatte Victor Osimhen mit Nigeria den Titel gewonnen und sich selbst zum Torschützenkönig gekrönt, in Wolfsburg wurde er aber zum Transfer-Flop. Nach 14 Bundesliga-Spielen ohne einen einzigen Scorerpunkt verliehen ihn die „Wölfe“ zuerst, um ihn in der Folge an Charleroi zu verkaufen. Um gerade einmal 3,5 Millionen Euro. „Das war damals natürlich kein guter Move“, sollte der damalige Sportdirektor Jörg Schmadtke Jahre später sagen. Zumindest einen Sturmpartner hat Osimhen in positiver Erinnerung: „Mario (Gómez, Anm.) hat mir damals viel geholfen. Ich bin ihm sehr dankbar.“

Nach erfolgreichen Stationen in Belgien, Frankreich (Lille) und dem endgültigen Durchbruch bei Napoli gilt der 24-Jährige nicht umsonst als heißester Stürmer der Fußball-Welt und wird bei einem möglichen Transfer im Sommer sicher über 100 Millionen Euro lukrieren. Aber wechselt der vor allem physisch herausragende 21-fache Saisontorschütze überhaupt? „Ich bin bereits bei einem der größten Vereine und könnte mir nicht mehr wünschen. Forza Napoli für immer“, sagte der Mann, der seit einer Kopfverletzung 2021 die Maske zu seinem Markenzeichen erklärte, dieser Tage. Eine Aussage, die immer mit Vorsicht zu genießen ist. Vorerst geht es heute (21 Uhr, live Sky) aber darum, im Champions-League-Viertelfinale einen 0:1-Rückstand gegen den AC Milan wettzumachen. Im Hinspiel hatte „Osi“ noch verletzt gefehlt.

Top-Innenverteidger Kim Min-jae fehlt heute gesperrt.
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Ein anderer Mann, der dem SSC Napoli seinen Stempel aufdrückt, spielte vor einem Jahr noch bei Dinamo Batumi. Kennen Sie nicht? Macht nichts, der georgische Erstligist ist auch Experten meist kein Begriff. Und als die Süditaliener vor der Saison acht Millionen Euro in die Hand nahmen, um einen gewissen Khvicha Kvaratskhelia zu verpflichten, war die Skepsis groß. Sehr groß sogar. Neun Monate später ist der Linksfuß 85 Millionen wert, wird von Real umworben und heißt nicht mehr Kvaratskhelia, sondern „Kvaradona“. Eine größere Ehre kann es in einer Stadt, in der Diego Maradona einen gottgleichen Status genießt, gar nicht geben. Und fragt man die junge „TikTok“-Generation nach ihren Lieblingskickern: Der Name Kvaratskhelia wird oft fallen. Das liegt vor allem an der Eleganz, mit der der 22-Jährige durch gegnerische Abwehrreihen streift und Dribblings in Kunstwerke verwandelt. Die scheinbar unbändige Fantasie ist das Markenzeichen des Linksaußen: „Sie ist etwas, das ich in mir selbst erkenne, Das liegt daran, dass ich liebe, was ich tue.“ Und die Fans lieben ihn ...

Es gibt aber auch in der Abwehr des SSC Napoli einen herausragenden Akteur: 1,90 Meter groß und 90 Kilogramm schwer; Kim Min-jae wird nicht umsonst „Monster“ genannt. „Er ist der beste Innenverteidiger der Welt und macht pro Spiel mindestens 20 unglaubliche Sachen“, sagte zuletzt sein Trainer Luciano Spalletti. Umso bitterer, dass Kim heute gesperrt fehlt. Dann müssen es eben „Osi“ und „Kvaradona“ richten.

Madrid – Als Toni Kroos im Sommer 2014, nach dem WM-Titel mit Deutschland und dem vorangegangenen Champions-League-Triumph (2013) mit den Bayern, zu Real wechselte, wurden durchaus Stimmen laut die kritisch sahen, dass der Toni schon mit 24 Lenzen den Abflug machen muss.

Knapp neun Jahre später zählt der 33-jährige Kroos im Real-Mittelfeld neben Luka Modric (38) und hinter Speerspitze Karim Benzema (35) zu jener Sorte von erfahrenen Spielern, für die es anscheinend kein Ablaufdatum gibt. Laut Marca hat die deutsche Passmaschine den Club darüber informiert, eine weitere Saison beim weißen Ballett anhängen und seine außergewöhnliche Karriere noch nicht beenden zu wollen.

Mit Real hat Kroos bereits viermal die europäische Königsklasse gewonnen, die Tür zum neuerlichen Einzug ins Champions-League-Halbfinale steht vor dem heutigen Rückspiel bei Chelsea und nach dem 2:0-Heimsieg im Viertelfinal-Hinspiel ganz weit offen. Weil die Madrilenen mit Kroos den sprunghaften Club aus London eben lehren, was auch Konstanz am Rasenviereck immer noch für eine Bedeutung hat. Denn während die Blues unter der Willkür von Clubbesitzer Todd Boehly im Winter-Transferfenster über 300 Millionen Euro – davon alleine 121 für den argentinischen Weltmeister Enzo Fernández – bislang äußerst erfolglos investierten und mit Frank Lampard bereits der dritte Trainer auf der Bank des Premier-League-Elften (!) Platz genommen hat, hat Real wieder die Segel Richtung der nächsten Titelgewinne gesetzt. In der Liga wird man zwar Barcelona den Vortritt lassen müssen, der spanische Cupsieg sollte im Finale gegen Osasuna aber gelingen. Und in der Champions League strecken Kroos und Co. die Hände nach der erfolgreichen ­Titelverteidigung aus.

Vermutlich haben fast alle in der starbesetzten Real-Kabine Carlo Ancelotti lieb. Jenen 63-jährigen Italiener, der als bislang einziger Trainer die Meisterschaft in allen fünf europäischen Topligen (Italien/Milan, England/Chelsea, Frankreich/Paris SG, Deutschland/Bayern und Spanien/Real) gewinnen konnte. Der Buchtitel „Quiet Leadership – Wie man Menschen und Spiele gewinnt“ sagt viel über seine Führungsqualität aus. Das „alte“ Real-Ensemble um ÖFB-Kapitän David Alaba hat viel Charme. (lex)

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