Kämpfe gehen weiter

USA und Grossbritannien evakuieren Botschaftspersonal aus dem Sudan

Die Kämpfe im Sudan hielten trotz der Ankündigung einer Waffenruhe an.
© AFP

Die Kämpfe zwischen rivalisierenden Militäreinheiten im Sudan sind nach Angaben des nationalen Ärzte-Komitees auch am Sonntag weitergegangen.

Khartum – Angesichts der gefährlichen Lage im Sudan arbeiten ausländische Regierungen mit Hochdruck daran, Diplomaten und Staatsangehörige außer Landes zu bringen. Den USA gelang in der Nacht auf Sonntag die Evakuierung ihres Botschaftspersonals aus Khartum. Alle US-Diplomaten und ihre Angehörigen seien erfolgreich in Sicherheit gebracht worden, hieß es aus Washington. Frankreich, die Niederlande, Deutschland und Italien berichteten von laufenden Rettungsmissionen.

Auch Großbritannien meldete am Sonntag, dass britische Diplomaten und ihre Familien erfolgreich in Sicherheit gebracht worden seien. Der britische Premierminister Rishi Sunak teilte am Sonntag mit, britische Streitkräfte hätten eine komplexe und schnelle Evakuierung von britischen Diplomaten und deren Familien abgeschlossen.

Die Bundeswehr begann am Sonntag im Sudan einen Einsatz für die Evakuierung deutscher Staatsbürger. Für die Rettungsmission flog die Luftwaffe mit Militärtransportern in das von Kämpfen erschütterte Land. Am Mittwoch wurde ein erster Versuch abgebrochen, Deutsche mit Maschinen der Luftwaffe außer Landes zu bringen, weil die Sicherheitslage in der umkämpften Hauptstadt als zu gefährlich für einen solchen Einsatz eingeschätzt wurde. Es geht nach aktuellem Stand insgesamt um die Rettung einer niedrigen dreistelligen Zahl deutscher Staatsbürger, die aber größer als 150 sei, wie ein Sprecher des Auswärtigen Amts am Freitag erklärt hatte.

📽️ Video | Botschaften aus Khartum evakuiert

Ein Vertreter des US-Militärs sagte, rund 100 US-Soldaten seien an der Evakuierung des amerikanischen Botschaftspersonals beteiligt gewesen. Der Einsatz mit Hubschraubern vor Ort habe weniger als eine Stunde gedauert. Dabei sei niemand gestorben oder verletzt worden. Den Angaben zufolge wurden weniger als 100 Menschen gerettet, unter ihnen auch mehrere Diplomaten aus anderen Ländern. Die US-Botschaft in Karthum wurde auf unbestimmte Zeit geschlossen.

Seit Tagen hatte sich das US-Militär mit anderen westlichen Staaten auf die Evakuierung eigener Staatsbürger vorbereitet. Zusätzliche Streitkräfte wurden dafür unter anderem nach Dschibuti verlegt. Das Land liegt knapp 1.200 Kilometer südöstlich der sudanesischen Hauptstadt Khartum am Horn von Afrika. Von dort startete die US-Mission.

US-Präsident Joe Biden rief die kriegführenden Parteien zu einem sofortigen und bedingungslosen Waffenstillstand auf. Er forderte sie außerdem auf, humanitäre Hilfe nicht zu behindern und den Willen des sudanesischen Volkes zu respektieren.

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Kämpfe vor rund einer Woche ausgebrochen

Vor gut einer Woche waren im Sudan Kämpfe zwischen den zwei mächtigsten Generälen des Landes und ihren Einheiten ausgebrochen. Beide hatten das Land mit rund 46 Millionen Einwohner seit einem gemeinsamen Militärcoup im Jahr 2021 geführt. Nun kämpft De-facto-Präsident Abdel Fattah al-Burhan, der auch Oberbefehlshaber der Armee ist, mit dem Militär gegen seinen Stellvertreter Mohammed Hamdan Daglo, den Anführer der mächtigen paramilitärischen Gruppe Rapid Support Forces (RSF). Eigentlich hätte Daglos Gruppe der Armee unterstellt und die Macht im Land wieder an eine zivile Regierung übertragen werden sollen.

Der Flughafen in Khartum stand in den vergangenen Tagen im Zentrum der Kampfhandlungen. Ausländische Diplomaten bemühten sich immer wieder um eine stabile Feuerpause für die Evakuierung.

Aus der östlichen Stadt Port Sudan war am Samstag bereits eine saudi-arabische Gruppe in Sicherheit gebracht worden. Auch eine jordanische Delegation sollte aus Port Sudan ausgeflogen werden. Zwischen Khartum und Port Sudan liegen knapp 850 Kilometer. Das türkische Außenministerium erklärte, türkische Staatsbürger sollten auf dem Landweg über einen Drittstaat in Sicherheit gebracht werden.

Nach Angaben des saudischen Fernsehsenders Al-Arabia brachten zudem fünf saudische Schiffe mehr als 150 Menschen aus dem Sudan nach Saudi-Arabien. Laut dem saudischen Außenministerium waren Diplomaten und Bürger aus Saudi-Arabien, Bulgarien, Kanada, Katar, Kuwait, Ägypten, Tunesien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Indien, Pakistan, Burkina Faso und den Philippinen an Bord der Schiffe.

US-Amerikaner werden nicht evakuiert

Die US-Regierung machte deutlich, dass US-Amerikaner, die sich nicht als Diplomaten oder Botschaftspersonal im Sudan aufhielten, nicht damit rechnen könnten, aus dem Land geholt zu werden. Bereits seit längerer Zeit sei US-Bürgern dringend davon abgeraten worden, in den Sudan zu reisen. Man werde die im Land verbliebenen US-Bürger aber weiter unterstützen und sich auch mit den Verbündeten und Partnern abstimmen, um die Sicherheit ihrer Mitarbeiter zu gewährleisten, sagte US-Außenminister Antony Blinken. Zuletzt war in US-Medien die Rede davon gewesen, dass sich noch mehrere Tausend US-Amerikaner im Sudan aufhalten könnten. Offizielle Angaben dazu gab es nicht.

Aus den Niederlanden hieß es am Sonntag, es laufe eine Operation verschiedener Länder, um ihre Bürger aus dem Sudan zu evakuieren. Auch die Niederlande beteiligten sich hieran mit einem Team aus Jordanien. "Sie werden ihr äußerstes bestes geben, um die Niederländer so schnell und sicher wie möglich abzuholen", teilte der niederländische Außenminister Wopke Hoekstra mit. Frankreich teilte ebenfalls mit, es führe eine "Operation zur schnellen Evakuierung" des diplomatischen Personals und der französischen Staatsangehörigen durch. Auch europäische Diplomaten würden aufgenommen.

Griechenland versetzte Sondereinheiten seines Militärs und Flugzeuge nach Ägypten für einen Evakuierungseinsatz im umkämpften Sudan. Dies teilte am Sonntag der griechische Außenminister Nikos Dendias im Staatsfernsehen mit. Ägypten habe der Aktion zugestimmt. Dieser Einsatz solle mit anderen Ländern und internationalen Organisationen genau abgestimmt werden, hieß es weiter.

Italiener werden in Botschaft gerufen

Rund 140 Menschen mit italienischer Staatsangehörigkeit seien dazu aufgerufen worden, die weiterhin vollständig funktionsfähige Botschaft Italiens in Khartum aufzusuchen, um aus dem nordostafrikanischen Land evakuiert zu werden, sagte Italiens Außenminister Antonio Tajani am Sonntag im Fernsehen. Man werde sich außerdem an der Evakuierung von Schweizer Staatsbürgern und den Mitarbeitern der apostolischen Nuntiatur vor Ort - also der vatikanischen Botschaft - sowie von etwa 20 weiteren europäischen Bürgern beteiligen. "Insgesamt etwa 200 Zivilisten werden von unserem Militär evakuiert werden müssen", sagte der Politiker weiter. Zwei Transportflugzeuge der Luftwaffe mit Spezialkräften der italienischen Armee und der Carabinieri an Bord seien für die Aktion bereits aus Dschibuti in Richtung Khartum gestartet, teilte das italienische Verteidigungsministerium mit.

Auch Sudanesen versuchen, den Kämpfen zu entfliehen. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) sind in vergangenen Tagen bereits bis zu 20.000 Menschen in den benachbarten Tschad geflohen. Tausende weitere Menschen seien innerhalb des Landes aus stark umkämpften Gebieten vertrieben worden.

Die Kämpfe zwischen den rivalisierenden Militäreinheiten im Sudan ging indes auch am Sonntag weiter. Die Zahl der getöteten Zivilisten steige täglich, so das nationale Ärzte-Komitee. Eine vollständige Übersicht über das Ausmaß gebe es noch nicht. Zahlreiche Verletzte hätten keinen Zugang zu Versorgung. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) starben seit Beginn der Kämpfe mindestens 413 Menschen, über 3.500 wurden verletzt. Die tatsächliche Opferzahl ist vermutlich weit höher. (APA/dpa/Reuters)

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