Verwesende Leichen in Krankenhausbetten: Lage im Sudan wird immer katastrophaler
Die Gewalt im Sudan macht auch vor Krankenhäusern nicht halt. Ärzte und Pfleger sind am Ende ihrer Kräfte. „Verwesende Leichen werden auf den Stationen aufbewahrt, weil es keine andere Möglichkeit gibt, sie unterzubringen“, sagt der Generalsekretär des sudanesischen Ärzteverbandes.
Khartum – Als er sich in seinem Krankenhausbett umdrehte, bemerkte Ibrahim Mohammed, dass der Patient neben ihm gestorben war. Tagelang musste der 25-Jährige in der Klinik in Khartum neben dem Toten ausharren. Denn die Gewalt im Sudan macht auch vor Krankenhäusern nicht halt, das Gesundheitssystem bricht zusammen.
„Wegen der heftigen Kämpfe konnte die Leiche nicht weggebracht und beerdigt werden“, erzählt Mohammeds Vater, Mohammed Ibrahim, der seinen leukämiekranken Sohn im Krankenhaus begleitete. „Wir konnten entweder in dem stinkenden Raum bleiben oder nach draußen gehen, wo wir von Schüssen getroffen worden wären“, sagt der 62-Jährige. Draußen explodierten Bomben, drinnen fiel der Strom aus und die Hitze und der Gestank wurden immer unerträglicher.
Seit dem 15. April haben die rivalisierenden Generäle Abdel Fattah al-Burhan und Mohammed Hamdan Daglo mit ihren Truppen Khartum in ein Kriegsgebiet verwandelt. Hunderte Menschen wurden getötet, tausende verletzt. Doch obwohl sie dringender denn je benötigt werden, müssen Krankenhäuser schließen und Ärzte werden an ihrer Arbeit gehindert. Selbst um die Toten kann sich oft niemand mehr kümmern.
Keine Möglichkeit, die Leichen unterzubringen
„Verwesende Leichen werden auf den Stationen aufbewahrt, weil es keine andere Möglichkeit gibt, sie unterzubringen“, sagt Attija Abdullah, der Generalsekretär des sudanesischen Ärzteverbandes. „Die Leichenhallen sind überfüllt und die Straßen mit Leichen übersät.“ Die Kämpfe hätten zum „kompletten Zusammenbruch des Gesundheitssystems“ geführt, sagt Abdullah.
Nach drei Tagen ohne Essen, Wasser und Strom konnten Vater und Sohn am frühen Dienstagnachmittag das Lehrkrankenhaus von Khartum schließlich verlassen. In Sicherheit waren sie aber noch immer nicht.
„Das Krankenhaus wurde beschossen, es wurde direkt davor gekämpft“, sagt Ibrahim. Und die Klinik in Khartum ist nicht die einzige: Landesweit wurden nach Informationen des Ärzteverbands 13 Krankenhäuser angegriffen und 19 weitere evakuiert. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) berichtet von mindestens acht Toten durch Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen.
Erreichen die Kämpfe Kliniken, stehen die Ärzte vor einer schwierigen Entscheidung. „Wir sehen uns gezwungen, die Patienten gehen zu lassen“, sagt Verbandschef Abdullah. „Wenn sie bleiben, würden sie getötet werden.“
„Ich möchte nur, dass das alles aufhört“
Ibrahim gelang es, seinen kranken Sohn vor dem Kreuzfeuer zu schützen. Die beiden waren fünf Stunden zu Fuß unterwegs, bis sie zu Hause ankamen. „Meinem Sohn geht es seither schlechter“, sagt der Vater. Doch zurück in ein Krankenhaus kann er nicht, fast drei Viertel der Kliniken sind inzwischen geschlossen, die übrigen bieten nur Notdienste an. „Ich möchte nur, dass das alles aufhört, damit ich meinen Sohn zur Behandlung bringen kann“, sagt Ibrahim.
Die wenigen verbliebenen Krankenhäuser behandelten hauptsächlich Schusswunden, sagt Abdullah. „Aber sie haben nicht genug chirurgische Ausrüstung, nicht genug Treibstoff für die Generatoren, nicht genügend Krankenwagen und Blut. Sie können jederzeit geschlossen werden.“
Und auch die Ärzte und Pfleger sind am Ende ihrer Kräfte. „In einigen Krankenhäusern arbeitet seit acht Tagen durchgehend dasselbe Team“, sagt Abdullah. „Manche haben nur einen Chirurgen. Alle sind extrem erschöpft.“
Viele Verletzte werden sterben, weil Ärzte nicht zu ihnen kommen können. In den sozialen Medien versuchen Sudanesen verzweifelt, Medikamente für chronisch kranke Verwandte aufzutreiben. Und der Ärzteverband gibt auf Facebook Ratschläge für den Umgang mit verwesenden Leichen. (APA/AFP)
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