Vermeer in Amsterdam: Meister, der Licht auf einfache Leute zauberte
Das Rijksmuseum in Amsterdam feiert noch bis Juni Vermeer mit fast allen seiner wenigen Bilder. Ein Besuch einer längst ausverkauften Schau.
Amsterdam –37 Bilder hat er in seinem Leben bis 1675 gemalt – damit ist Jan Vermeer einmal mehr Beleg dafür, dass die Qualität zählt, nicht alleine die Menge. Aus eigenem Bestand, aus Häusern in den Niederlanden und vielen Leihgaben von Museen und privaten Sammlungen rund um die Welt haben Kurator Gregor Weber und sein Team 28 Werke im Original zu einer eindrucksvollen Schau zusammengestellt.
Eine einzigartige Gelegenheit, die sich in dieser Dichtheit wohl – einer Sonnenfinsternis gleich – kaum rasch wiederholen wird. Das bedeutete auch, dass kurze Zeit nach Beginn des Ticket-Verkaufs die aufgelegten rund 450.000 Eintritte ausverkauft waren. Ausnahmslos. Für jene, die glücklich in den Kartenbesitz kamen, entfaltete sich eine dichte, aber dem Schauerlebnis annehmbar entsprechende Besucherzahl, die durch zeitlich gestaffelte Eintritts-Slots (mit fünfzehnminütiger Toleranzzeit, nicht mehr) überschaubar blieb.
Die Schau ist thematisch gegliedert und startet mit der Stadtansicht von Delft und zwei Bürgerhäusern in einer Zeile. Was Vermeer so sehr abhob von seinen Lehrern und Zeitgenossen: das Spiel mit dem Licht, das dichten Realismus vermittelt, ohne einer Fotografie gleich „abzulichten“.
Die dunklen, weichen Farben der Wände, auf denen die meist eher unspektakulär kleinen Bilder gehängt sind, vertiefen diesen Eindruck zudem. Dort, wo eine Frau mit Perlenkette verträumt nach draußen schaut, angeleuchtet vom Licht, das durch das Fenster fällt, vor dem sie steht. Oder dort, wo ein Mädchen mit dem Milchkrug versonnen seiner Arbeit nachgeht und in mildes Licht gehüllt wird – leuchtend weiß die Milch, die aus dem Krug in den Topf rinnt.
Das kollektive Image, das seit zwanzig Jahren von Vermeer verbreitet ist, wurde wohl von Colin Firth als Jan und Scarlett Johansson als Griet im Film „Das Mädchen mit den Perlenohrring“, geprägt. Was immer aus dieser Geschichte wahr ist, getroffen hat der Streifen Vermeers Interesse an den „einfachen Leuten“, die in seinen Bildern zu den Protagonisten werden: das Milchmädchen, die Magd, die der Herrin einen Brief bringt, oder die in ihre filigrane Arbeit vertiefte Spitzenklöpplerin. Diese Porträts sind keine Auftragswerke für vermögende Mäzene, sondern Ausdruck des Respekts und pure Lust am Malen, am Licht, an der Perspektive, die er – und das machte ihn zu seiner Zeit zum „Modernen“ – glaubhaft einzufangen verstand.
Der Blick des Menschen, den er malte, hin zum Betrachter, ist ein weiteres Moment, das – die Bilder jetzt betrachtend – fesselt: Er vermittelt das Gefühl, den gemalten Menschen in einem intimen Moment überrascht zu haben, die Emotion des Augenblicks noch im Auge. Beim „Mädchen mit dem Roten Hut“ etwa, oder beim „Mädchen mit der Flöte“, ist es der kurze Augenaufschlag, der so besonders ist. Zweifelsohne fasziniert dieser auch beim „Mädchen mit dem Perlenohrring“, das leider nicht die gesamte Ausstellungsdauer in Amsterdam blieb, sondern nach Den Haag zurückkehrte. Genauso bei der Dame, die beim Schreiben eines Briefs den Eindringling in ihrer Stube fixiert.
Werkschau noch bis Anfang Juni
Die großartige Vermeer-Werkschau ist zwar noch bis Anfang Juni im Rijksmuseum zu sehen, das ist für Spätentschlossene mangels Tickets aber leider kein Trost. Das Haus gibt mit „Closer to Vermeer“ aber immerhin online die – durchaus gelungene – Möglichkeit, den Meisterwerken nahe zu kommen. Mit eindrucksvollen Detailaufnahmen und vor allem gründlichen wie leicht lesbaren Hintergrundinformationen wiederum wartet das Buch zur Ausstellung „Vermeer“ (Belser Verlag, 320 Seiten, 60,70 Euro) auf. Und zu guter Letzt: Ein Besuch des Vermeer-Museums in dessen Heimatstadt Delft sei ans Herz gelegt. Im ehemaligen Haus der Maler-Gilde hängen zwar keine Originale, dafür jedoch alle Bilder in hochwertiger Reproduktion.
Oder es gelingt, wie einem Ehepaar aus Boston, das wir trafen: Es ergatterte Ausstellungstickets bei eBay – allerdings zum dreifachen Preis.