Kunstraum Innsbruck

Ausstellung in Schwarz-Weiß: Gezeichnete Leitartikel

Der Welt zeichnen, was man von ihr hält, das macht Dan Perjovschi – gemeinsam mit Partnerin Lia zum zweiten Mal im Kunstraum Innsbruck.
© Jarosch

Ein Wiedersehen nach 17 Jahren: Der Kunstraum Innsbruck lädt Dan und Lia Perjovschi zum Dialog in Form einer Ausstellung in Schwarz-Weiß.

Innsbruck – Sechs Sandsteinsäulen des altehrwürdigen Fridericianums in Kassel pinselte Dan Perjovschi im Sommer 2022 für die dort stattfindende documenta schwarz. Um sich einmal mehr den perfekten Untergrund zu schaffen für seine schnellen Zeichnungen, die das Weltgeschehen so oft punktgenau kommentieren. Von der Antisemitismus-Debatte, die vor dem Fridericianum später entbrennt, wird Dan seiner Frau und Arbeitskollegin Lia laufend Postkarten schreiben – so wie er es seit 2008 regelmäßig tut. Der Dialog ihrer persönlichen und künstlerischen Partnerschaft ist mit „Postcards to Lia“ längst zur Reihe geworden. Für ihre sehenswerte Innsbrucker Ausstellung „Fragments of Humanity“ wurde diese Teil einer neuen Installation. Ein von der documenta produziertes Anti-Kriegs-Banner eröffnet die Schau. Zu sehen ist beides noch bis Juli im Kunstraum.

Es ist nicht das erste Mal, dass das rumänische Künstlerpaar, das zu den renommiertesten Stimmen der Gegenwartskunst in Osteuropa gehört, dort ausstellt. Schon 2006 überließ Stefan Bidner den beiden die zwei Kunstraum-Räume. Dan Perjovschi hatte seine unverkennbare künstlerische Handschrift damals schon entwickelt. 1999 wurde er mit seinen Zeichnungen auf dem Boden des rumänischen Pavillons auf der Biennale in Venedig bekannt.

Während die Perjovschis 2006 noch getrennt gezeigt wurden, gelingt beim zweiten Besuch – jetzt bei Leiterin Ivana Marjanović – der Dialog. Die Postkarten-Sammlung etwa findet im zentralen Raum Platz, den Lia Perjovschis Arbeiten in einem Rundgang sanft abtasten. Sie reklamiert sich wiederum in die Blackbox des 61-Jährigen hinein, wo dieser zeichnet, was gerade wichtig ist. Von A wie „A.I.“ (das sich in „(A.)I. did it“ eingeschlichen hat) bis Z wie Zukunft (im Minidialog: „Don’t say the F-Word.“ – „Future.“) ist alles Teil von Perjovschis „visuellem Journalismus“. So nennt der Künstler seine Herangehensweise. Einen Begriff für die Kunstgattung liefert Perjovschi ebenso mit: Seine raumfüllenden Zeichnungen sind kein Mural, sondern „Gedankenbild“, kritzelt Perjovschi selbst an die Wand. Im Grunde sind sie gezeichnete Leitartikel.

Öffnungszeiten

Kunstraum Innsbruck. Maria-Theresien-Str. 34, Innsbruck; bis 15. Juli, Di–Fr 13–18 Uhr, Do 13–20 Uhr, Sa 10–15 Uhr.

Einen journalistischen Hintergrund bringen die Perjovschis, die im Ceaus¸escu-Regime ihre künstlerischen Anfänge machten, sowieso mit. Auf die rumänische Revolution 1989 folgte der Medienboom, im klassischen Fernsehen gab es Platz für Experimente, erinnert sich Dan Perjovschi im Kunstraum. Man sendete wöchentlich drei Stunden live – und das zum Thema Kultur. Heute ist alles anders, sagt Lia Perjovschi. Die Zeitschrift Revista 22, für die beide arbeiteten, ist geblieben. Sie liegt auch in der Ausstellung auf. Die „Horizontale Zeitung“ hingegen bleibt in Bukarest, handelt es sich dabei doch um eine meterlange Mauer, die der Künstler laufend mit dem Pinsel aktualisiert.

Richtig und wichtig an der aktuellen Schau im Kunstraum der dazugewonnene Platz für Lia Perjovschi. Ihre künstlerische Sprache ist zurückhaltender. Den politischen und wirtschaftlichen Umbrüchen in ihrer Heimat setzt sie ein enormes Archiv aus gefundenen Materialien und Bildern entgegen. Im Kunstraum arbeitet man sich von kleinen Leinwänden zu T-Shirts und Objekten, von ihrer Beschäftigung mit Farbe über Performance und Skulptur (Lia Perjovschis „Schatten“ erinnern nur oberflächlich an Kiki Kogelniks „Hangings“) vor bis in die unbunte Hölle. Gemeint ist der Krieg in der Ukraine oder die Klimakrise. Am Ende treffen sich beide Kunstschaffende wieder: Im Entwirren der Gegenwart lenken sie den Blick aufs Wesentliche. Die Wahrheit liegt für sie also auch im Fragment.

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