Solidarität mit Ukraine: G7 rücken enger gegen China und Russland zusammen
Solidarität mit der Ukraine, klare Kante gegen Russland: Dieses Signal soll vom G7-Gipfel in Japan ausgehen. Am Samstag stieß derjenige dazu, der den Abwehrkampf gegen Putin seit 15 Monaten führt. Der US-Präsident will ihm einen großen Wunsch erfüllen.
Hiroshima – Die Ukraine kann im Kampf gegen die russische Invasionsarmee absehbar mit modernen westlichen Kampfflugzeugen planen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selensky traf am Samstag mit einer französischen Regierungsmaschine beim G7-Gipfel im japanischen Hiroshima ein. Bei bilateralen Treffen nach seiner Ankunft dankte er den Verbündeten dafür, dass sie den Weg für die Lieferung von Kampfjets grundsätzlich frei gemacht haben.
"Ich bin sehr glücklich", sagte er dem ZDF und machte klar, nicht mit einer zeitnahen Lieferung zu rechnen. Selenskyj traf nach seiner Ankunft am Samstag zunächst den britischen Premierminister Rishi Sunak und die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni zu Gesprächen. Im Anschluss kam er auch mit dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und dem indischen Ministerpräsidenten Narendra Modi zusammen. Das teilen die Regierungen der beteiligten Länder mit.
"Ich habe für die Führung des Vereinigten Königreichs in der internationalen Kampfjet-Koalition gedankt", schrieb Selenskyj nach dem Treffen mit Sunak auf seinem Telegram-Account.
Ein Treffen wurde auch mit US-Präsident Joe Biden erwartet. Er hatte grundsätzlich den Weg für die Lieferung von Jets des amerikanischen Typs F-16 frei gemacht. Großbritannien und auch die Niederlande hatten in der vergangenen Woche die von Kiew seit langem gewünschte internationale Kampfjet-Koalition angestoßen.
Zunächst sollen Piloten ausgebildet werden, was Monate dauert. Dann wird nach US-Angaben entschieden, wann und wie viele Flugzeuge von wem geliefert werden. Selenskyj begrüßte die Unterstützung der USA als "historische Entscheidung". "Dies wird unsere Armee am Himmel erheblich stärken", twitterte Selenskyj.
Beim ersten Treffen Selenskyjs mit dem indischen Ministerpräsidenten seit Beginn der russischen Invasion bot Modi seine Hilfe für eine Beendigung des Krieges an. "Indien und ich werden alles tun, was wir können, um den Krieg zu beenden", sagte Modi nach Angaben der indischen Nachrichtenagentur ANI. Indien unterhält gute Beziehungen zu Russland, von dem es Rüstungsgüter und Energie bezieht.
Am Sonntag wird der ukrainische Präsident zum Abschluss der dreitägigen Gipfelberatungen an den Sitzungen teilnehmen. Laut einem japanischen Medienbericht ist auch eine Rede in Hiroshima geplant. Japan treffe zudem Vorbereitungen für einen Besuch Selenskyjs im Friedensmuseum. Dort werden Zeugnisse der Folgen des US-Atombombenabwurfs am 6. August 1945 auf die Stadt gezeigt.
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Auch die Staats- und Regierungschefs hatten das Museum besucht und am Ehrenmal der mehr als 300.000 Atombombenopfer mit Kranzniederlegungen gedacht. Bei dem US-Angriff zum Ende des Zweiten Weltkriegs war Hiroshima fast vollständig zerstört worden.
Japans Ministerpräsident Fumio Kishida hatte als Gastgeber Hiroshima als Tagungsort ausgewählt. Mit Blick auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine erinnerte die Gipfelrunde an die Folgen eines Einsatzes von Kernwaffen. Der russische Präsident Wladimir Putin hat seit Beginn der Invasion am 24. Februar 2022 wiederholt mit dem Atomwaffenarsenal seines Landes gedroht.
Am Tag von Selenskyjs Ankunft in Japan sagten die G7-Staaten Kiew weitere Hilfen zu. "Wir ergreifen konkrete Maßnahmen, um die Ukraine angesichts des fortdauernden illegalen russischen Angriffskriegs so lange zu unterstützen, wie dies nötig ist", heißt es in der verabschiedeten G7-Erklärung. Man verpflichte sich, die "diplomatische, finanzielle, humanitäre und militärische Unterstützung für die Ukraine zu verstärken" und die Kosten für Russland und seine Unterstützer zu erhöhen.
Bei der Ankunft bedankte sich Selenskyj auf Twitter: "Wichtiges Treffen mit Partnern und Freunden der Ukraine. Sicherheit und verstärkte Zusammenarbeit für unseren Sieg. Der Frieden wird heute näher kommen."
Es ist das erste Mal seit Beginn des russischen Angriffskrieges am 24. Februar des vergangenen Jahres, dass Selenskyj nach Japan reist.
Der Nationale Sicherheitsberater Bidens, Jake Sullivan, widersprach in Hiroshima dem Eindruck, der US-Präsident - der den Wunsch der Ukraine nach Kampfjet-Lieferungen zunächst abgelehnt hatte - habe eine Kehrtwendung vollzogen. Für die USA seien F-16-Kampfjets immer als Option auf dem Tisch gewesen.
Sullivan sagte, die Entscheidungen über Waffenlieferungen seien von Anfang an den Erfordernissen im Kriegsgeschehen gefolgt. Nun sei man "an einem Punkt angelangt, an dem es an der Zeit ist, in die Zukunft zu blicken". Und da kämen die Kampfjets ins Spiel.
Russland warnte unterdessen westliche Staaten vor einer möglichen Lieferung von F-16-Kampfjets. Vizeaußenminister Alexander Gruschko beschuldigt westliche Staaten in diesem Zusammenhang, sie hielten an einem Eskalationsszenario fest. "Das zieht kolossale Risiken für sie nach sich", wurde Gruschko von der staatlichen Nachrichtenagentur Tass zitiert.
Zur G7 gehören neben den USA noch Japan, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Kanada sowie die Europäische Union.
Beratungen mit Gastländern, auch über China
Am Samstag standen Beratungen mit Gastländern wie Indien, Indonesien, Vietnam und Brasilien im Zentrum. Dabei ging es auch um einen neuen Kurs der G7 im Umgang mit China. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte dabei nach Teilnehmerangaben, dass die G7-Staaten den Schwellen- und Entwicklungsländern mehr zu bieten hätten als China und Russland. "Viele Länder des globalen Südens haben schlechte Erfahrungen mit China gemacht. Sie haben chinesische Kredite aufgenommen und sind in eine Schuldenkrise geraten", sagte sie. "Alles, was Russland diesen Ländern zu bieten hat, sind Waffen und Söldner."
Gegenüber China wollen die wichtigsten westlichen Industriestaaten laut Beschluss einen zweiteiligen Kurs fahren: Zum Bekenntnis der Kooperation kommen in der 40-seitigen Gipfelerklärung deutliche Warnungen wegen der Lage der Menschenrechte, unfairen Wettbewerbs und der Spannungen um Taiwan.
Ausdrücklich wird die Bereitschaft zu einer "konstruktiven und stabilen Beziehung" betont. "Wir handeln aus unserem nationalen Interesse", heißt es. "Angesichts der Rolle in der internationalen Gemeinschaft und der Größe der Wirtschaft ist es notwendig, mit China zu kooperieren", betonen die G7. Als Felder der Zusammenarbeit werden etwa der Klima- und Gesundheitsschutz und die Stabilisierung der Weltwirtschaft genannt. "Unser Politikansatz ist es nicht, China zu schaden. Wir wollen Chinas wirtschaftlichen Fortschritt und die Entwicklung nicht behindern", wird ausdrücklich unterstrichen.
Abhängigkeit von China soll verringert werden
In den Wochen vor dem Gipfel hatte es Diskussionen gegeben, weil die USA eine härtere Wortwahl gegen China durchsetzen wollten. Es sei keine Entkoppelung geplant, wird nun betont - aber gleichzeitig verweisen die G7 darauf, dass sie nicht leichtgläubig seien. "Wir erkennen an, dass die ökonomische Widerstandskraft es erfordert, Risiken abzubauen (de-risking) und zu diversifizieren." Man wolle vor allem die zu große Abhängigkeit von China in wichtigen Lieferketten verringern, heißt es in Anspielung etwa auf Rohstoffe. In den Beratungen wurde eine Passage entschärft, die eine Investment-Überprüfung vorsah. Jetzt heißt es nur: "Wir erkennen auch die Notwendigkeit an, bestimmte fortgeschrittene Technologien zu schützen, die unsere nationale Sicherheit bedrohen könnten, ohne den Handel und die Investitionen übermäßig einzuschränken."
In dem Entwurf finden sich aber auch mahnende Botschaften an die Führung in Peking: Man bestehe auf gleichen Bedingungen bei der wirtschaftlichen Kooperation und werde illegalen Technologietransfer bekämpfen. "Wir werden die Widerstandskraft gegen ökonomischen Zwang verstärken", heißt es zudem in Bezug zu dem Vorwurf, dass China auch politischen Druck über wirtschaftliche Abhängigkeiten ausübt. In einer zusätzlichen Erklärung wird betont, man sehe es mit Sorge, dass einzelne Staaten wirtschaftliche Abhängigkeiten zu politischem Druck nutzten.
China zu Unterstützung von Friedensinitiativen "ermutigt"
Zugleich zeigten sich die G7-Länder besorgt über die regionalen Spannungen in Ost - und Südostasien. Es habe sich nichts an der G7-Position geändert, dass es nur eine friedliche Lösung zwischen China und Taiwan geben dürfe, das die Führung in Peking als abtrünnige Provinz erachtet. In der Erklärung wird auch die Besorgnis hinsichtlich der Menschenrechtslage in Tibet und der Region Xinjiang angesprochen sowie auf Freiheiten und Autonomie für die frühere britischen Kronkolonie und jetzige Sonderverwaltungszone Hongkong gepocht. China wird zudem aufgefordert, Russland zu einem Kriegsende in der Ukraine zu bewegen. Die Volksrepublik werde "ermutigt", umfassende Friedensinitiativen zu unterstützen, die die territoriale Integrität der Ukraine respektierten. (TT.com, APA, Reuters, dpa)
Biden in Hiroshima-Gästebuch: Streben nach Welt ohne Atomwaffen
US-Präsident Joe Biden hat in einem Eintrag im Gästebuch des Friedensmuseums von Hiroshima gelobt, eine atomwaffenfreie Welt anzustreben. "Mögen die Geschichten dieses Museums uns alle an unsere Verpflichtung erinnern, eine Zukunft in Frieden aufzubauen. Lassen Sie uns gemeinsam weiter auf den Tag hinarbeiten, an dem wir die Welt endlich und für immer von Atomwaffen befreien können. Behalten Sie den Glauben!", schrieb Biden, wie die japanische Regierung mitteilte.
Biden hatte das Museum mit den anderen Staats- und Regierungschefs der G7 am Vortag zum Gipfelauftakt besucht. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz schrieb in das Gästebuch: "Dieser Ort erinnert an unfassbares Leid. Heute erneuern wir hier gemeinsam mit unseren Partnern das Versprechen, Frieden und Freiheit mit aller Entschlossenheit zu schützen. Ein nuklearer Krieg darf nie wieder geführt werden."
Danach ehrten die Politiker die Toten mit Kranzniederlegungen am Mahnmal in der Stadt, die am 6. August 1945 von einer US-Atombombe zerstört worden war. Drei Tage später hatten die USA eine weitere Bombe auf Nagasaki abgeworfen. Hunderttausende Menschen starben.