Stadt heftig umkämpft

Russland erklärt Bachmut für komplett eingenommen, Selenskyj bestätigt nicht

Ein Söldner der russischen Wagner-Truppe in Bachmut.
© imago/sna

Die Schlacht um Bachmut gilt als längste und blutigste des Krieges in der Ukraine. Nun behauptet die russische Seite, die weitgehend zerstörte Stadt erobert zu haben. Während Kremlchef Putin schon Glückwünsche verteilt, liegt aus Kiew zunächst keine Bestätigung vor.

Kiew, Moskau, Bachmut – Russland hat die vollständige Einnahme von Bachmut in der Ostukraine verkündet. Der russische Präsident Wladimir Putin beglückwünschte die Wagner-Söldnertruppe und die russische Armee zur „Befreiung" der umkämpften Stadt, die in Russland Artjomowsk genannt wird. In einer auf der Website des Kreml veröffentlichten Erklärung erklärte Putin, dass die Schlacht um Bachmut beendet sei. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bestätigte die Angaben laut seinem Sprecher nicht.

Bei einem bilateralen Treffen mit US-Präsident Joe Biden am Rande des G7-Gipfels in Hiroshima am Sonntag fragte ein Reporter Selenskyj, ob die Stadt im Osten der Ukraine noch in ukrainischer Hand sei. Der Journalist schob nach, die Russen hätten gesagt, dass sie Bachmut eingenommen hätten. Der ukrainische Präsident antwortete mit den Worten: „Ich denke nicht."

📽️ Video | Unklarheit über Eroberung Bachmuts:

Selenskyjs Sprecher erläuterte, dass die Frage des Reporters gewesen sei: „Die Russen sagen, dass sie Bachmut eingenommen haben", schrieb Selenskyj-Sprecher Serhij Nykyforow auf Facebook: „Antwort des Präsidenten: Ich denke nein." Auf diese Weise habe der Präsident die Eroberung von Bachmut durch die russischen Truppen bestritten.

Selenskyj selbst betonte, die Stadt sei fast vollständig zerstört. Es gebe dort keine Gebäude mehr „und eine Menge toter Russen". Er sagte weiter: Es ist eine Tragödie." Aber heute sei Bachmut „nur in unseren Herzen". Selenskyj dankte den ukrainischen Soldaten dort für ihren Einsatz. Der Generalstab in Kiew schrieb in seinem morgendlichen Lagebericht: „Der Kampf um die Stadt Bachmut geht weiter."

Das Verteidigungsministerium im Moskau hatte in der Nacht auf Sonntag mitgeteilt, dass die Privatarmee Wagner Bachmut mithilfe der Artillerie- und Luftunterstützung der russischen Streitkräfte komplett erobert hätte. Auch der Chef der Wagner-Söldner, Jewgeni Prigoschin, hatte die Einnahme der seit Monaten äußerst hart umkämpften Stadt verkündet. „Alle, die sich ausgezeichnet haben, werden mit staatlichen Auszeichnungen geehrt", erklärte Putin nach Angaben des Kreml.

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Ukrainische Soldaten-Witwen im Einsatz an der Front

Die Schlacht um Bachmut gilt als längste und verlustreichste des Krieges, der vor 15 Monaten mit dem russischen Einmarsch in das Nachbarland begann. Damals hatte die Stadt noch 70.000 Einwohner, inzwischen liegt sie weitgehend in Trümmern.

Selenskyj warb beim G7-Gipfel in Hiroshima außerdem um weltweite Unterstützung für seinen Friedensplan und sprach sich für einen Friedensgipfel im Juli aus. Die ukrainische Friedensformel sei ein klarer Ausdruck des vereinenden Prinzips der Rationalität, sagte er laut dem veröffentlichten Redetext in einer Ansprache an die Staats-und Regierungschefs. „Ich danke Ihnen, dass Sie unsere Formel unterstützen", fügte er hinzu. „In kurzer Zeit, bereits im Juli, wird der Krieg in vollem Umfang 500 Tage andauern. Und das ist eine symbolische Zeitspanne, ein guter Monat, um den Gipfel der Friedensformel, den Gipfel der globalen Mehrheit, einzuberufen."

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Auf dem Kurznachrichtendienst Telegram erklärte Selenskyj, der Plan sei so entwickelt, dass alle Punkte durch UNO-Resolutionen gestützt würden und jedes Land den Weg für den eigenen Beitrag dazu wählen könne. „Von Japan bis zu den arabischen Ländern, von Europa bis Lateinamerika finden wir Unterstützung für unsere Formel", schrieb er. Selenskyj pocht in seinem Friedensplan unter anderem auf die Wiederherstellung der territorialen Einheit der Ukraine und lehnt Gebietsüberlassungen ab.

📽️ Video | USA und Indien bieten Hilfe an:

Biden kündigte weitere Militärhilfe für die Ukraine an

US-Präsident Joe Biden hat neue Militärhilfe für die Ukraine angekündigt. Das Paket umfasse Munition, Artillerie und gepanzerte Fahrzeuge, sagte Biden am Sonntag zum Abschluss des G7-Gipfels. Nach Angaben des Weißen Hauses haben die Hilfen einen Umfang von etwa 375 Millionen US-Dollar (etwa 346 Millionen Euro).

Er habe dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bei einem Gespräch am Rande des Gipfels versichert, dass die USA alles in ihrer Macht Stehende tun würden, um die Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland zu stärken, sagte Biden. Selenskyj war am Samstag überraschend zu dem Gipfel der Gruppe führender Wirtschaftsnationen gereist, nachdem sich die USA am Freitag erstmals offen für eine Lieferung westlicher F-16-Kampfjets an die Ukraine gezeigt hatten.

Selenskyj und Biden beim G7-Gipfel.
© BRENDAN SMIALOWSKI

Einem US-Regierungsvertreter zufolge sagte Biden beim G7-Gipfel, dass die USA eine Ausbildung ukrainischer Piloten an „Kampfjets der vierten Generation einschließlich (des US-Kampfjets) F-16" in Zusammenarbeit mit „Verbündeten und Partnern" unterstützen würden. Selenskyj hatte erfreut darauf reagiert. Er begrüßte „die historische Entscheidung" und sagte, er hoffe auf eine „praktische Umsetzung".

Das neue US-Hilfspaket für die Ukraine ist bereits das 38. seit August 2021. „Es umfasst zusätzliche Munition für die von den USA bereitgestellten HIMARS, Artilleriegeschosse, Panzerabwehrwaffen und wichtige Hilfsmittel im Wert von bis zu 375 Millionen US-Dollar", erklärte das ukrainische Verteidigungsministerium. Die Lieferung umfasse zusätzliche Munition für die US-Mehrfachraketenwerfer HIMARS, 155-mm- und 105-mm-Artilleriegeschosse, Raketen für TOW-Panzerabwehrraketensysteme sowie zusätzliche Javelin-Panzerabwehrraketen und AT-4- Panzerabwehrwaffen.

Scholz erwartet keine baldige Lieferung von Kampfjets

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz rechnete nicht mit einer baldigen Lieferung moderner Kampfjets an die Ukraine. „Das, was mit der Ausbildung von Piloten verbunden ist, ist ja ein längerfristiges Projekt", sagte er am Sonntag am Rande des G7-Gipfels.

Russland nutzt zur Vorbereitung seiner Luftangriffe auf die Ukraine nach Einschätzung britischer Geheimdienste zunehmend Überwachungsdrohnen. Es handle sich meist um von Russland produzierte Fluggeräte namens Supercam, die relativ günstig seien und über ausreichend Reichweite verfügten, um potenzielle Angriffsziele zu überfliegen, teilte das Verteidigungsministerium in London am Sonntag mit. Experten schätzen, dass die Drohnen rund vier bis fünf Stunden in der Luft bleiben und bis zu fünf Kilometer hoch fliegen können.

Diese Taktik solle Russland helfen, Kampfschäden schneller einzuschätzen und die Zielgenauigkeit zu verbessern. „Allerdings sind langsame Überwachungsdrohnen sehr anfällig für die ukrainische Luftabwehr", hieß es aus London. Die russischen Raketenangriffe würden sich mittlerweile auf Schläge gegen die ukrainische Flugabwehr konzentrieren.

Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine unter Berufung auf Geheimdienstinformationen täglich Informationen zum Kriegsverlauf. Damit will die britische Regierung sowohl der russischen Darstellung entgegentreten als auch Verbündete bei der Stange halten. Moskau wirft London eine Desinformationskampagne vor. (TT.com/APA/dpa/Reuters/Ukrinform)

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