Perchtenlauf mit Melissengeist

„Dialogues des Carmélites“ an der Staatsoper: ein Meisterwerk seltsam inszeniert

Sängerisch überzeugend: Nicole Car als Nonne Blanche.
© Pöhn

Wien – „Angst ist Gelähmt-Sein. Angst ist, wenn nichts mehr fließt“, sagt Magdalena Fuchsberger im „Dialogues des Carmélites“-Programmheft. Die Salzburger Opernregisseurin inszeniert nach Arbeiten an kleineren Bühnen nun an der Wiener Staatsoper Francis Poulencs „Dialogues des Carmélites“, eine der faszinierendsten Opern des 20. Jahrhunderts.

Darin tritt die angstgeplagte Blanche 1789 in Paris einem Karmeliterinnenorden bei. Doch die Revolution frisst auch ihre Nonnen, und schickt die Schwestern auf die Guillotine. Im überwältigenden Schlussbild singen die Nonnen ein „Salve Regina“, während das krachende Beil den Chor dezimiert. Das war an der Staatsoper zuletzt 1964 zu erleben. Doch im Theater an der Wien begeisterte die international gezeigte Inszenierung von Robert Carsen 2008 und 2011, ein Riesenerfolg mit dem RSO Wien unter Bertrand de Billy.

Bertrand de Billy schwebt jetzt auch als musikalischer Schutzengel über der Staatsopernproduktion. Er sichert das feine, wissende Orchesterfundament und den reibungslosen Ablauf – über dem Rest liegt lähmend die Angst, die von Fuchsberger ins Zentrum gerückt ist. Den einzigen Fluss beschert die Drehbühne, auf der sich ein Holzgerippe vor hässlichen, digital verfremdeten Heiligenbildchen dreht.

Vieles in der Personenführung wirkt unbeholfen, konventionell, unverständlich, manches ist gar nicht sichtbar. Dazu geistern Dämonen wie verirrte Perchtenläufer durch den Bretterverhau, in dem es sich staut, wenn Revolutionäre das Kloster stürmen. Eine weiße Figur mit Flügelhelm turnt dazu. Alles sehr seltsam, weit entfernt von handwerklich perfekt gearbeitet oder gar packend zu sein. Selbst das Schlussbild wirkt nicht: Wie Madonnenstatuen aus einer süditalienischen Prozession gehen die hingerichteten Nonnen auf einer vernebelten Brücke nach hinten ab.

Am besten, man hält sich an Musik und SängerInnen, wie die eindrucksvoll sterbende Madame de Croissy von Michaela Schuster, die intensiv von Ängsten geplagte Blanche von Nicole Car, den großartigen Bernard Richter als ihren Bruder, die sittlich zwitschernde Maria Nazarova als Constance oder die mit mächtigem Sopran orgelnde Maria Motolygina als Madame Lidoine. Das mildert einen Saisonausklang mit der schwächsten Inszenierung einer regiemäßig sehr durchwachsenen Spielzeit.

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