Wiener Festwochen

„Lulu“ kaputt getanzt: Im Festwochen-Wien hat Alban Bergs letzte Oper Pech

Lulu souverän gesungen: Vera-Lotte Boecker.
© M. Rittershaus

Wien – „Hereinspaziert in die Menagerie, Ihr stolzen Herren, Ihr lebenslust’gen Frauen, mit heißer Wollust und mit kaltem Grauen die unbeseelte Kreatur zu schauen, gebändigt durch das menschliche Genie.“ So preist der Tierbändiger die Männer verschleißende Lulu an. Alban Berg hat sie in einer der faszinierendsten Opernpartituren der Moderne verewigt. Vollenden konnte er nur zwei Akte, den dritten hat in den 1970er-Jahren Friedrich Cerha fertiggestellt.

Das Theater an der Wien und die Wiener Festwochen luden jetzt in die „Lulu“-Manege. Man entschied sich für die kurze Version, was nicht nur Tantiemen für die Cerha-Fassung, sondern auch dem Publikum einiges erspart.

Im Museumsquartier ist ein nüchtern ausgeleuchteter Turnsaal aufgebaut. Darüber sitzt das ORF Radio-Symphonieorchester Wien. Maxime Pascal dirigiert vom Schiedsrichterpodest aus. Die Sänger singen darunter und davor im Turnsaal. Die Idee dazu hatte die mit Opern völlig unerfahrene Rabiat-Choreographin Marlene Monteiro Freitas.

Im Turnsaal lässt sie Tänzer sinnbefreite Bewegungschoreographien vollführen. Die Sänger werden in dieser „Parallelaktion“ zu Statisten degradiert, müssen gelegentlich eher peinliche Bewegungsaktionen verrichten. Die Oper wird Opfer einer Verirrung.

Das Ganze taugt nicht einmal konzertant. Denn die Halle E erweist sich erneut als akustisch problematisch. Die Feinheiten der Partitur gehen mit dem in den Hintergrund gesteckten Orchester flöten, da kann sich das RSO noch so großartig unter Maxime Pascal bemühen. Die Protagonisten davor stechen dominant laut heraus, in einem Gegeneinander von Orchester und Sängern.

Die großartige Vera-Lotte Boecker singt sich als Lulu auf verlorenem Posten wagemutig die Seele aus dem Leib. Die tollen Sänger erlebt man gedemütigt, denunziert statt szenisch geführt. Bo Skovhus (Dr. Schön) und Kurt Rydl (Schigolch) stemmen sich mit ihrer Bühnenkompetenz dagegen. Anne-Sofie von Otter bleibt als Geschwitz chancenlos, genauso wie Edgaras Montvidas (Alwa), Cameron Becker (Maler) oder Katrin Wundsam (Gymnasiast).

In dieser Menagerie herrscht statt heißer Wollust nur noch kaltes, ödes Grauen.