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TT-Forum in Reutte: „Wenn das Tonnagelimit fällt, sind wir endgültig erledigt“

Rund 200 interessierte Bürger kamen zur Fernpass-Diskussion in die Reuttener Wirtschaftskammer und diskutierten über die Verkehrsproblemaktik. Fotos: Böhm/TT

Beim TT-Forum wurden mögliche Auswege aus dem Verkehrsdilemma an der Fernpassroute gesucht. Eine Lösung rückt in weite Ferne.

Reutte – Einigkeit im Bezirk wäre der erste Schritt für eine Lösung des Verkehrsproblems entlang der Fernpassroute. Dass die Außerferner davon aber noch meilenweit entfernt sind, zeigte sich bei TT-Forum Dienstagabend in der Wirtschaftskammer Reutte.

Dazu begrüßte TT-Chefredakteur Marco Witting am Podium den Wirtschaftskammerobmann Christian Strigl, die Gründerin der Interessensgemeinschaft Verkehrswende Bayern-Tirol-Südtirol, Margit Dablander, und den Bichlbacher Bürgermeister Stefan Schwarz sowie 200 Interessierte Zuhörer im Saal.

Strigl glaubt nicht an „die eine Lösung“: „Man kann sich viel wünschen. Aber eine Großtunnelvariante wird nicht funktionieren, denn das bedeutet mehrspurigen Ausbau und damit fällt auch die Tonnagebeschränkung von 7,5 Tonnen. Momentan zählen wir 1400 Lkw am Tag. Beim Bau eines Großtunnels können wir da gleich ein paar Nullen dranhängen. Dann sind wir die zweite Transitroute.“ Strigl ist prinzipiell jede Maßnahme recht, die den Verkehr mindert. „Aus meiner Sicht ist aber derzeit der Bau des Scheiteltunnels die einzig rechtlich mögliche und realistische Variante.“

📽️ Video | TT-Forum in Reutte zum Verkehr am Fernpass

Dem widerspricht Dablander in aller Deutlichkeit: „Kein Scheiteltunnel und auch kein anderer Tunnel. Wir müssen dosieren, dosieren und nochmal dosieren. Es dürfen nur so viele reinfahren, wie die Straße verträgt. Und wenn voll ist ist voll. Dann können sie sich meinetwegen auf der Autobahn bis Flensburg stauen wenn sie wollen.“ Langfristig soll ihrer Meinung nach der Bahnausbau eine Verkehrswende bringen. Allerdings stelle die Bahn derzeit weder für Touristen, noch für Einheimische eine Alternative dar. Früher hat der Zug 2 Stunden und 20 Minuten von Reutte nach Innsbruck gebraucht. Das ging. Derzeit braucht er drei Stunden. Das ist völlig inakzeptabel.“

Schwarz hingegen will zuerst die zwölf Bürgermeister der Anrainergemeinden auf eine Schiene bringen: „Der Toni (LH Mattle, Anm. der Redaktion) hat gesagt, vom Land kommt nichts. Wir müssen was bringen. Also müssen wir kreativ werden und Maßnahmen erarbeiten, Geschlossenheit an den Tag legen und miteinander eine Lösung finden. Wir brauchen ein Gesamtkonzept vom Grenztunnel Füssen bis Nassereith.“ Ein Scheiteltunnel sei sicher auch denkbar, „aber nicht hinunter zum Fernsteinsee, wo das nächste Nadelöhr in Form einer Brücke, zwei Zebrastreifen und einem 30er wartet. Da stockt der Verkehrsfluss ja wieder. Wenn dann muss die Trasse vom Tunnel weg links den Berg entlang nach Nassereith.“

📸 Bilder vom TT-Forum in Reutte

So konträr die Meinungen auch sind, in einem sind sich die drei dann doch einig. Der Lebensraum muss geschützt, der Verkehrsfluss verbessert werden und das 7,5-Tonnen-Limit bleiben. „Sonst fliegt uns alles um die Ohren. Dann sind wir endgültig erledigt“, mahnt Schwarz, der von hupenden 40-Tonnern auf Radwegen, genötigten Spaziergängern, Ausweichverkehr auf Loipen und aggressiven Autofahrern erzählt. „Bislang ist noch nichts passiert. Aber der Tag wird kommen. Und dann wird ein Schuldiger gesucht.“

In weiten Teilen der Bevölkerung macht sich inzwischen Resignation breit, von der Landespolitik fühlt man sich gänzlich im Stich gelassen. Dies wurde auch vom Publikum mehrfach deutlich artikuliert. Das wollte Landtagspräsidentin Sonja Ledl-Rossmann, die eigentlich nur als Zuhörerin gekommen war, nicht so stehen lassen. „Die Polemik, die da mitschwingt zeigt, wie schwierig die Diskussion ist. Ich befürworte den Ausbau der Bahn. Aber da reden wir von zeitlichen Dimensionen, die wir nicht mehr erleben werden. Und wenn es um die Straße geht verstehe ich auch die Menschen, die den Verkehr vor Augen haben und sagen, wenn ein Großtunnel kommt, dann haben wir das Problem gelöst. Aber damit machen wir uns ein viel größeres auf. Dann fällt die Tonnagebeschränkung zu 100 Prozent. Und deshalb ist unsere Position die mittlere und die ist meist am schwierigsten zu vertreten. Wir müssen den Straßenverlauf so verbessern, dass der Verkehrsfluss erhalten bleibt. Dafür gilt es Punkte mit Staupotenzial auszuräumen. Der Scheiteltunnel bringt mit den vier Minuten sicher keine große Zeitersparnis, hält aber den Verkehr am Fließen. Und das wäre wichtig.“

Zur Einigkeit im Außerfern ist es jedenfalls noch ein weiter Weg. Die Fronten scheinen verhärtet, eine Lösung nicht annähernd in Sicht.

13.652 Fahrzeuge werden im Schnitt pro Tag am Fernpass gezählt, darunter 1375 Lkw. An Spitzentagen sind es über 26.000 Kraftfahrzeuge.

95 Prozent aller im Außerfern benötigten Waren kommen über den Fernpass. Das macht 60 Prozent des Ziel- und Quellverkehrs aus.

1,4 Kilometer lang wäre der Fernpass-Scheiteltunnel. Er würde eine Zeitersparnis von 4 Minuten bringen und rund 150 Mio. Euro kosten.

3 Stunden dauert derzeit die Bahnfahrt von Reutte nach Innsbruck. Das ist selbst für die Befürworter der Öffis „völlig inakzeptabel“.

Weitere Zitate aus dem TT-Forum:

Würde es die Landespolitiker interessieren, wären sie heute im Konvoi gekommen, um mit uns zu diskutieren.
Florian Grund (Pflach)
Wir haben eine unvorstellbare Zerstörung da und es wird nicht besser, wenn man noch weiter ausbaut.
Christine Schneider (Reutte)
Bei uns donnert ein 40-Tonner nach dem anderen durch. Da lässt keiner sein Kind zu Fuß zur Schule gehen.
Robert Schneider (Mieming/Fronhausen)
Wir werden die Jugendlichen nicht aufhetzen. Die werden selbst aufstehen und für ihre Heimat kämpfen.
Albert Linser (Bichlbach)

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