Festspiele Erl feierten mit Wagners „Ring des Nibelungen“ einen weiteren Höhepunkt
Szenische Zurückhaltung und SängerInnen der Extraklasse: Brigitte Fassbaender rundet ihren „Ring des Nibelungen“ bei den Festspielen Erl ab.
Erl – Der Rezensent könnte sich jetzt einen ganz schlanken Fuß machen. Einfach mal das Publikum sprechen lassen. „Sehr gelungen, konzentriert, ohne überflüssige Ideen und übergestülpte Konzepte“, so das Fazit von Suzanne Harf (Protokollchefin der Salzburger Festspiele) und ihrem Gatten. „Vielleicht a bissl zäh am Anfang, aber doch – ja – schon toll“, meint Johannes Reitmeier, scheidender Intendant des Tiroler Landestheaters.
Das Premierenpublikum feierte die Sache auch, und zwar kräftig. Und Festspielpräsident Hans Peter Haselsteiner, der bekanntermaßen größere Summen in den Erler Kunstbetrieb schießt, durfte sich über ein nicht ganz ausverkauftes, aber doch gut gefülltes Passionsspielhaus freuen.
Je nun, jetzt aber mal ran an den Wagnerspeck aus Kritikerperspektive. Brigitte Fassbaender schuf einen „Ring des Nibelungen“, der vor allem durch genaue Personenführung und klare Bilder besticht. Der fast völlige Verzicht auf mythische Gegenstände und weihevolle Symbole funktioniert über weite Strecken gut.
Am besten beim „Rheingold“ und im dritten Aufzug der „Götterdämmerung“. Fassbaender verknüpft die Figuren und Konstellationen des opulenten Opernvierteilers nachvollziehbar, die Bühnenmittel sind sehr sparsam, in der „Götterdämmerung“ störten allerdings lautstarke Umbauten (vor allem im ersten Aufzug), wobei eigentlich nur Gerüste neu arrangiert wurden.
Siegfried findet seinen unheldenhaften Tod aus der Pranke Hagens vor einem Stelenfeld, die Teile bilden dann praktischerweise gleich eine schöne Grababdeckung. Dort brennt es am Ende, während die Rheintöchter mit dem Ring im Bühnenhimmel umherirren und – Vorsicht, jetzt folgt ein Regieeinfall! – Alberich Hagen meuchelt.
In der Summe ist viel Binnenspannung und Kraft im Weltenbrand, wobei die Sache eine recht lange, langatmige Vorglühzeit braucht.
Heftiges Blechgrummeln, stürmische Tuttifluten, blitzende Streicher-Einheiten
Die Schicksalsgöttinnen, Eingeweihte sprechen von Nornen, stricken zu Beginn sehr langsam an einem ganzen Schicksalsschal und trinken gemütlich Tee. Siegfrieds Rheinfahrt in die sehr minimalistisch gehaltene Gibichungenhalle begleiten arg düstere, verwaschene Wasservideos. Überprobt wirkt die erste Hälfte dieser „Götterdämmerung“ nicht gerade. Aber, wie gesagt, das Ganze nimmt Fahrt auf und Erik Nielsen am Pult des Festspielorchesters bietet viel Schönes: heftiges Blechgrummeln, stürmische Tuttifluten, blitzende Streicher-Einheiten. Einige Misstöne muss man indes in Kauf nehmen.
Bernd Loebe, Erler Noch-Intendant, zeigt bei der Sängerbesetzung wieder mal, dass er in einer Extra-Liga spielt. Mit Vincent Wolfsteiners emphatisch-draufgängerischem Siegfried, Christiane Libors edel leidender Brünnhilde, Robert Pomakovs abgründig fiesem Hagen, Craig Colcloughs nicht minder bösartig timbriertem und ebenso performenden Alberich, Manuel Walsers Weichei-Gunther (nur szenisch!) und Marvic Monreals raumfüllender Waltraute gibt es ein großartiges Ensemble, das besonders Irina Simmes (die tolle Sieglinde aus der „Walküre“) als Gutrune bereichert. Auch die Nornen und Rheintöchter sind toll besetzt, ebenso der Chor (Einstudierung Olga Yanum).
Im Winter gibt es in Erl zur Abkühlung russische Oper, nächsten Sommer zweimal den gesamten „Ring“ und dann endet auch schon Bernd Loebes eher kurze Amtszeit, Jonas Kaufmann übernimmt. Als Intendant. Ohne Erfahrung. Aber mit großem Selbstbewusstsein, wie man auf der Pressekonferenz vor ein paar Wochen erleben konnte.
Auf die Frage, ob er schon irgendetwas Klitzekleines sagen könnte, möchte, würde, sagt Präsident und Geldgeber Haselsteiner lächelnd: „Fragen Sie halt den Jonas.“ Tun wir aber nicht. Weil wir doch nach wie vor a bissl im Schockzustand sind, dass der x-fach ausgezeichnete Frankfurter Opernchef Loebe aus seiner zweiten Heimat Erl so uncharmant vertrieben wurde. Aber das ist eine andere G’schicht.
Termine
Götterdämmerung: Weitere Vorstellungen am Sonntag, 23. Juli, und Samstag, 29. Juli.