Spur der Verwüstung durch Orkan-Böen in Tirol: Massive Schäden in Wäldern
Abgedeckte Dächer, unzählige umgerissene Bäume, Stromausfälle, Bahn- und Straßensperren: Der orkanartige Sturm, der am Dienstag über Tirol fegte, verursachte enorme Schäden und löste rund 720 Feuerwehreinsätze aus. Rund 120 Haushalte sind nach wie vor ohne Strom. Die Störungen im Zugverkehr wurden inzwischen behoben.
Innsbruck – Nach dem orkanartigen Unwetter, das am Dienstagnachmittag über Tirol fegte, laufen im ganzen Land weiterhin die Aufräumarbeiten. Der Sturm hinterließ in vielen Gebieten eine Spur der Verwüstung. Mehrere Dächer wurden abgedeckt, ganze Wälder knickten binnen weniger Sekunden um. So etwa auch entlang der A13 zwischen Gries am Brenner und der Staatsgrenze. Drohnenaufnahmen zeigen das gewaltige Ausmaß der Schäden am dortigen Wald – hunderte Bäume wurden dort auf einen Schlag umgerissen.
Es kam zu 720 Feuerwehreinsätzen, rund 170 Feuerwehren waren landesweit im Einsatz. Die Hagelversicherung bezifferte die Schäden in der Tiroler Landwirtschaft mit rund 450.000 Euro. Auch das Land zog am Mittwoch Bilanz: „Wir können von großem Glück sprechen, dass keine Personen zu Schaden gekommen sind", erklärte Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) und lobte die „funktionierenden Sicherheitsstrukturen und Einsatzorganisationen" im Land.
Nacht für Feuerwehren „ruhig", Aufräumarbeiten gehen weiter
Die Nacht auf Mittwoch, in der zahlreiche weitere Gewitter mit Starkregen über Tirol zogen, verlief laut Landesfeuerwehrkommandant Jakob Unterladstätter „sehr ruhig": „Insgesamt gab es tirolweit keine zehn Einsätze." Den ganzen Tag werde man nun mit den Aufräumarbeiten beschäftigt sein. Die Priorität liege dabei auf dem Freilegen von Verkehrswegen, so Unterladstätter.
125 Haushalte noch ohne Strom
Am Mittwochabend waren noch 125 Tiroler Haushalte ohne Strom und elf Trafostationen außer Betrieb. Betroffen waren mit Stand 18.30 Uhr noch sechs Gemeinden. Es sei gelungen, das Pitztal wieder an das Stromnetz anzuschließen, sagte Hannes Knoll von der Tinetz am Mittwoch zur Tiroler Tageszeitung. Im Ötztal arbeiteten die Tinetz-Techniker an der Reparatur der Starkstrom-Leitung und einer 25-Kilovolt-Verbindung zwischen Umhausen und Sölden. Bis zum Abend sollte die Stromversorgung wieder gesichert sein, hieß es.
In Haiming und am Haiminger Berg sollten die Reparaturarbeiten am Nachmittag beendet werden, ebenso im Zillertal. Bei einigen Gebieten in Richtung Gerlos könnte es länger dauern. „Weil wir nicht hinkommen, einige Straßen sind noch immer gesperrt“, so Knoll weiter: „Wir arbeiten aber mit Hochdruck an der Behebung der Schäden und haben alle verfügbaren Mitarbeiter zusammengezogen sowie auch Fremdfirmen eingebunden.“ Insgesamt – so schätzte Knoll – arbeiteten am Mittwoch 200 Personen an der Wiederherstellung der Stromversorgung.
➡️ Eine Übersicht der aktuellen Unterbrechungen in Tirol gibt es auf der Homepage der Tinetz.
Windspitzen von bis zu 161 km/h in Innsbruck
Der Sturm am Dienstagnachmittag hinterließ in vielen Teilen Tirols eine Spur der Verwüstung. Straßen- und Bahnsperren, Stromausfälle, abgedeckte Dächer, umgestürzte Bäume sowie Hunderte Einsätze waren die Folge.
Sturmböen mit Windspitzen von bis zu 161 km/h wurden etwa im Innsbrucker Stadtteil Kranebitten gemessen. Die Feuerwehren mussten in der Landeshauptstadt am Nachmittag zu Dutzenden Einsätzen ausrücken. Mehrere Bäume stürzten um.
In der Andreas-Hofer-Straße wurde etwa das Dach eines Hauses abgedeckt. Trümmerteile landete auf der Straße. Die Oberleitung einer Straßenbahn wurde dadurch zerstört. Die Linie STB fährt derzeit nur von Innsbruck bis Kreith. Ein Schienenersatzverkehr ab Fulpmes/Telfes ist eingerichtet. Die Linie 6 verkehrt noch den ganzen Mittwoch im Schienenersatzverkehr.
📽️ Video | Dach-Trümmer stürzten auf Straße in Innsbruck
Kurzzeitig war der Wind so massiv, dass in der Goethestraße im Saggen eine Pensionistin an die Hauswand gedrückt wurde. Die 85-Jährige zog sich dabei eine Platzwunde am Kopf und einen Handbruch zu und musste in die Klinik Innsbruck eingeliefert werden.
Im Innenhof eines Hauses in der Schillerstraße/Claudiastraße wurde eine 118 Jahre alte Fichte Opfer des Sturms. Die Goethestraße musste daraufhin von der Feuerwehr Mühlau gesperrt werden.
Schwere Schäden auch in der Landwirtschaft
Auch in der Landwirtschaft verursachte der Sturm teilweise schwere Schäden auf insgesamt etwa 500 Hektar Land. „Schwerpunkt war in den Bezirken Innsbruck-Land, Imst und Schwaz mit einem landwirtschaftlichen Schaden in der Höhe von 450.000 Euro", erklärte die Hagelversicherung am Mittwoch.
Störungen im Zugverkehr behoben
Wegen einer Oberleitungsstörung waren zwischen Steinach und Brenner am Mittwoch noch bis etwa 9.30 Uhr keine Fahrten möglich. Mittlerweile ist die Strecke wieder auf beiden Gleisen befahrbar. Auch die Strecke zwischen Innsbruck Hbf und Landeck-Zams ist seit Mittwochfrüh wieder offen.
➡️ Aktuelle Streckeninfos gibt es auf der Webseite der ÖBB.
Straßensperren wegen Unwetterschäden in Tirol (19. Juli: 10.50 Uhr)
- Zwischen Oetz und Piburg in beiden Richtungen gesperrt, umgestürzte Bäume
- Zwischen Ochsengarten und Hausegg in beiden Richtungen gesperrt, umgestürzte Bäume, Aufräumarbeiten
- Kühtaistraße (L 237) zwischen Ochsengarten und Kühtai in beiden Richtungen gesperrt, umgestürzte Bäume Sperre zwischen Ötzerau und Ochsengarten. Keine Umleitungsmöglichkeit über das sog. Sattele möglich.
- Zwischen Zell am Ziller und Schwarzach: Gerlosstraße gesperrt, Aufräumarbeiten können bis Freitagabend andauern
➡️ Änderungen sind jederzeit möglich, aktuelle Informationen bietet der ÖAMTC Verkehrsservice
Railjet mit Van der Bellen evakuiert
Ein Railjet, der in Richtung Westen unterwegs war, ist wegen eines Oberleitungsschadens kurz vor dem Bahnhof Roppen liegen geblieben. Der Bereich wurde abgesichert. Die Fahrgäste konnten anschließend aussteigen und wurden von den Mitarbeitern der ÖBB und der Feuerwehr zum Bahnhof geführt. Die Betroffenen werden von den ÖBB versorgt. „Sobald wie möglich konnten wir die Weiterfahrt mit Bussen organisieren“, sagte ÖBB-Pressesprecher Christoph Gasser-Mair gegenüber der Tiroler Tageszeitung.
In dem Railjet befand sich auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Er war auf dem Weg nach Bregenz, wo er am Dienstag die Festspiele eröffnen sollte. Kurz nach 17 Uhr konnte der Präsident mit einem Auto die Fahrt nach Vorarlberg fortsetzen.
720 Feuerwehreinsätze
170 Feuerwehren wurden zu 720 Einsätzen gerufen – besonders betroffen waren die Bezirke Imst (rund 190 Einsätze), Schwaz, Innsbruck und Innsbruck-Land.
Hauptsächlich wurden sie wegen Ästen und umgestürzten Bäumen auf Straßen gerufen. Sicherungsarbeiten mussten durchgeführt werden, berichtete Anton Wegscheider, Sprecher des Landesfeuerwehrverbands Tirol.
Im Pitztal stand unter anderem die FF Wenns mit rund 60 Florianis im Dauereinsatz, Schadensereignisse wurden im Minutentakt gemeldet. Zahlreiche Bäume stürzten auf die Pitztalstraße, im Bereich "Pillerbach Brücke" wurde ein Auto von einem Baum getroffen. Die Insassen blieben unverletzt.
Mehrere Dächer seien abgedeckt worden, die L16 musste im Bereich Recyclinghof Wenns für vier Stunden gesperrt werden, so die FF Wenns in einer Bilanz am Mittwoch.
📽️ Video | Gewaltige Sturmböen in Haiming
Ewald Schöpf hat die gewaltigen Sturmböen in Haiming in einem Video festgehalten.
Schwere Schäden in Silz
In der Gemeinde Silz wurde kurzzeitig eine Zivilschutzwarnung ausgesprochen, wie das Land mitteilte. Sie war wegen herumfliegender Teile von abgedeckten Dächern ausgesprochen worden.
Am Mittwoch zeigte sich das ganze Ausmaß der Schäden: Vier Dächer wurden komplett abgedeckt, bei 14 weiteren wurden schwere Beschädigungen gemeldet. Insgesamt, so sagte Bürgermeister Helmut Dablander gegenüber der Tiroler Tageszeitung, liegen bis dato 50 Schadensmeldungen nach den Unwettern vor. Ein großer Dank ging an all die Feuerwehren der Umgebung, die im Einsatz standen und stehen.
Auch auf der Inntalautobahn bei Haiming gab es einen Einsatz. Äste waren auf die Fahrbahn gestürzt. Eine Spur musste teilweise gesperrt werden.
Zwischen Roppener Tunnel und Ötztal wurde die A12 komplett gesperrt – wegen der Gefahr durch umstürzende Bäume. Ebenfalls eine Sperre gab es zwischen Telfs-West und Telfs-Ost wegen umgestürzter Bäume.
📽️ Video | Sturm knickte massenhaft Bäume um
In Ochsengarten (Gemeinde Haiming) wurden „Bäume wie Zündhölzer umgeknickt“, berichtete Gemeindevorstand Manuel Neurauter. Und er lieferte gleich den Beweis mit diesem Video.
Im hinteren Kaunertal beschädigte ein Zirbenbaum, der auf einen Parkplatz gestürzt war, drei Autos, wobei einer der Pkw schwer beschädigt wurde. Verletzt wurde dabei niemand.
Auch im Zillertal wurde vom Unwetter erfasst. Der Sturm knickte Bäume um, es hagelte stellenweise. Bei einem Mehrparteienhaus in Hart wurde das Dach teilweise abgedeckt und auf die Landesstraße geschleudert.
Der Sturm brachte mehrere Seilbahnen zum Erliegen. So standen nach einem großflächigen Stromausfall die Gondeln am Rohrberg still, im Skigebiet Schlick 2000 stürzte eine leere Gondel ab. Hunderte Wanderer mussten von Einsatzkräften evakuiert werden. In Serfaus traf ein umfallender Baum eine Gondel der Alpkopfbahn. Eine belgische Touristin wurde dabei am Fuß verletzt.
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Dramatische Vorfälle
Wegen Sturm stürzte Gondel in der Schlick ab, im Zillertal saßen Wanderer am Berg fest
Mehrere Wanderer saßen am Berg fest
Drei Familien, insgesamt elf Personen, und zwei Bergsteiger wurden am Nachmittag in Osttirol vom Unwetter überrascht. Die Familien waren am in Matrei am „Gletschweg" unterwegs, weil der Gschlössbach-Steg weggerissen worden war, kamen sie nicht mehr weiter. Sie wurden schließlich von einem Hubschrauber geborgen. Zwei rumänische Bergsteiger gerieten am Großglockner in Bergnot. Der Hüttenwirt alarmierte die Einsatzkräfte. Die beiden wurden von Bergrettern sowie Bergführern zunächst zur Erzherzog-Johann-Hütte und schließlich mit der Materialseilbahn ins Tal gebracht. waren erschöpft und leicht unterkühlt. Verletzt wurde bei beiden Vorfällen niemand.
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Von Unwettern überrascht: Drei Familien und zwei Bergsteiger in Osttirol gerieten in Bergnot
Auch im Stubaital hielten großflächige Windwürfe und Murenabgänge die Einsatzkräfte auf Trab. Der Teileingang in das Pinnistal sowie die Ranalter Landesstraße (L232) sind noch immer aufgrund umgestürzter Bäume für jeglichen Verkehr gesperrt, auch die Zufahrt „Langes Tal" ist aufgrund einer Mure nicht passierbar. Im Naherholungsgebiet „Kaus Äuele" kam es zu Evakuierungen.
📽️ Video | Unwetter im Zillertal
Wechselhafte Aussichten bis zum Wochenende
Nach den Gewittern bleibt es am Mittwoch noch einmal schwülwarm. Die Sonne tut sich zwischen dichten Quellwolken schwerer, zeigt sich aber trotzdem immer wieder. Während sich in Westösterreich schon am Vormittag wieder Gewitter und Regenschauer ankündigen, bleibt es in Ostösterreich noch länger sonnig. „Zur Wochenmitte wird es vor allem im Westen ein paar Grad kühler, während im Rest des Landes immer noch mit Höchstwerten um beziehungsweise knapp über 30 Grad zu rechnen ist“, prognostiziert Spatzierer.
📽️ Video | Aufräumen nach Unwettern in Österreich
Auch wenn am Donnerstag die Gefahr von Unwettern gebannt zu sein scheint, ganz trocken wird es nicht durch den Tag gehen. Bei Höchstwerten von 23 bis 27 Grad entwickeln sich den ganzen Tag hindurch lokale Regenschauer. Die Aussichten für Freitag und Samstag sind derzeit eher durchwachsen. Am Sonntag dürfte es wieder etwas stabiler werden. (TT.com)
Richtiges Verhalten bei Unwettern
- Alleen, Parks mit Baumbestand und Wälder meiden. Wer im Freien ist – vor allem im Gebirge – rechtzeitig Schutz suchen
- Während des Sturms Outdoor-Aktivitäten unterlassen und nach Möglichkeit in geschlossenen Räumen bleiben.
- Rechtzeitig bewegliche Gegenstände im Freien (wie z. B. Partyzelte, Trampoline oder Gartenmöbel) sichern, Sonnenschirme abspannen und Markisen einziehen
- Rechtzeitig Fenster, Türen und Garagentore sowie Dachfenster und Lichtkuppeln schließen
- Die lokale Wetterentwicklung und Blitzgefahr beobachten sowie sich über Gewitter- und Sturmwarnungen an Seen informieren
- Allfällige Anweisungen der Behörden beachten
300 Einsatze für Feuerwehr
Abgedeckte Dächer, umgekippte Bäume: Unwetter sorgte für Schäden in Südtirol
Verletzte und schwere Schäden