Prozess am Wiener Handelsgericht

„Guantánamo“-Zuspitzung zulässig: Klage gegen SOS Balkanroute abgewiesen

Rechtsanwältin Maria Windhager und Petar Rosandić konnten vor Gericht einen Erfolg feiern.
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Die Klage gegen den Menschenrechtsaktivisten Petar Rosandić von der SOS Balkanroute wurde abgewiesen. Das Zentrum für Migrationspolitik kündigt nun Berufung an.

Wien – Am Wiener Handelsgericht wurde am späten Dienstagabend in erster Instanz ein bemerkenswertes Urteil gesprochen. Das in Wien ansässige Internationale Zentrum für Migrationspolitik (ICMPD) klagt den Verein SOS Balkanroute und seinen Gründer Petar Rosandić wegen Kreditschädigung. Menschenrechtsorganisationen sprachen vor Prozessbeginn von einer immer häufiger anzutreffenden SLAPP-Klage, um Kritiker einzuschüchtern.

Leiter des ICMPD ist der frühere ÖVP-Vizekanzler und Förderer von Sebastian Kurz, Michael Spindelegger. Ihm zufolge hat seine Organisation von der EU-Kommission den Auftrag erhalten, eine geschlossene Einrichtung innerhalb des Lagers zu errichten. Rosandić hatte so eine Internierungsanstalt innerhalb des bosnischen Flüchtlingslagers Lipa als „Guantánamo“ bezeichnet. Er erinnerte damit an das höchst umstrittene Internierungslager der USA auf Kuba. ICMPD hatte eine Klage eingebracht – und blitzte beim Handelsgericht ab.

ICMPD-Anwältin Ulrike Zeller kündigte an, Berufung einzulegen. Richter Andreas Pablik sagte im Prozess, er habe den Vorwurf hinsichtlich des Wortes „Guantánamo“ geprüft. „Ich sehe die Grenze nicht überschritten, ich gehe davon aus, dass das durchaus von der EMRK gedeckt ist“, berief er sich auf Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention, die Freiheit auf Meinungsäußerung. „Offensichtlich rennt einiges schief“, sagte Pablik in Bezug auf das Thema Flucht und Migration.

Der Richter habe klargemacht, dass „ein großzügiger Raum für Kritik besteht, dass man auch einmal zugespitzt formulieren darf“, sagte anschließend Anwältin Maria Windhager, die die NGO und Rosandić vertritt.

ICMPD wurde 1993 von Österreich und der Schweiz gegründet und hat mittlerweile 20 Mitgliedsstaaten. Finanziert wird es unter anderem durch die EU. (TT)