Höhere Zinsen, strenge Kreditvergabe

Immobilienmarkt im Umbruch: Nachfrage knickte ein, Preise sinken nur zögerlich

Der Immobilienmarkt ist im Umbruch (Symbolfoto).
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Die Immobilienpreise sind im ersten und zweiten Quartal um 2,3 Prozent zurückgegangen. Die Nachfrag brach wohl auch wegen der höheren Zinsen und strengerer Kreditvergabe.

Wien – Der Immobilienmarkt ist im Umbruch, mit den hochfliegenden Preisen ist es vorbei, die Nachfrage ist eingeknickt. Dafür machen viele die strengere Kreditvergabe seit August 2022 verantwortlich. "Die Regelungen sind grundsätzlich sehr vernünftig und dienen dem Schutz der Käufer", so Wohnbauforscher Wolfgang Amann im Ö1-"Morgenjournal". Auch das gewerkschaftsnahe Momentum Institut und die wirtschaftsliberale Agenda Austria sind gegen eine Lockerung; Banken und ÖVP sind dafür.

Die KIM-Verordnung

Um einen Immobilienkredit zu bekommen, müssen die Interessentinnen und Interessenten laut KIM-Verordnung (Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung) beispielsweise Eigenmittel im Umfang von mindestens 20 Prozent des Kaufpreises vorweisen können. Weiters darf die monatliche Tilgungsrate 40 Prozent des Haushaltseinkommens nicht übersteigen. Damit soll verhindert werden, dass die Kreditnehmerinnen und -nehmer durch Zinserhöhungen in Schwierigkeiten geraten, sich also überschulden.

"Man muss sich ja auch die Situation vor Augen halten, dass die Preise der Wohnimmobilien sinken können und dass dann der Wert der Immobilie unter den austhaftenden Kreditrahmen sinkt", erklärte der Leiter des Instituts für Immobilien, Bauen und Wohnen in dem Radio-Interview am Donnerstag weiters. "Das kann große Probleme für die Kreditnehmer und natürlich auch für die Banken nach sich ziehen."

Man muss sich ja auch die Situation vor Augen halten, dass die Preise der Wohnimmobilien sinken können und dass dann der Wert der Immobilie unter den austhaftenden Kreditrahmen sinkt.
Wohnbauforscher Wolfgang Amann

Preise sinken nur langsam

Den Banken ist das Wohnkreditgeschäft in den vergangenen Monaten regelrecht weggebrochen. Bei deutlich geringerer Nachfrage sinken die Immobilienpreise bereits etwas. Der Markt verändert sich laut Immobilienexpertin Karin Wagner von der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) aber bereits seit einem Jahr. "Aktuelle Daten für das erste und zweite Quartal von 2023 weisen für Österreich einen Rückgang der Preise aus, minus 2,3 Prozent – also eine Phase der Stabilisierung", sagte Wagner im ORF-Radio.

Die Nationalbank hatte vor dem Umbruch am Immobilienmarkt wiederholt vor einer Überhitzung der Preise gewarnt. In den vergangenen 18 Jahren seien diese durchschnittlich um 163 Prozent gestiegen.

Ich würde das hauptsächlich darauf zurückführen, dass die Verkäuferseite noch nicht so stark unter Druck steht.
Wohnbauforscher Wolfgang Amann

Jetzt geht es nur zögerlich mit den Preisen nach unten. "Ich würde das hauptsächlich darauf zurückführen, dass die Verkäuferseite noch nicht so stark unter Druck steht", erklärte Amann. Sie sei "heute noch relativ entspannt angesichts dessen, dass die Marktlage in der Vergangenheit ja sehr gut war und viele Immobilieneigentümer ganz gut verdient haben".

Der Immobilienmarkt sei ein sehr träger Markt – "es entstehen hier Zyklen, die deutlich länger sind als bei anderen Produkten – es ist auch so, dass es nicht vergleichbar ist beispielsweise mit Stahl oder anderen Produkten", so der Wohnbauexperte.

Parallel dazu erleidet die Bauwirtschaft massive Auftragseinbrüche. Die Baubewilligungen seien im ersten Quartal 2023 im Jahresabstand um fast 40 Prozent zurückgegangen. "Man glaubt es kaum, vor wenigen Monaten hat man noch davon gesprochen, dass die Bauwirtschaft mit dem Abarbeiten der Aufträge nicht nachkommt", so Amann. Das habe sich jetzt "sehr rasant, sehr stark" verändert.

Weiter Diskussion um KIM-Verordnung

Da spielten mehrere Dinge hinein – "die Volatilität des ganzen wirtschaftlichen Umfelds, die extrem stark gestiegenen Baukosten, die Vorlaufkosten, die sich dann auf die Baupreise niederschlagen". Die KIM-Verordnung sei nur "eine von mehreren Elementen".

Für eine mögliche Lockerung der umstrittenen Verordnung spricht laut Österreichischem Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO), dass die Zinsen nun schon länger weiter oben sind und die Zinserhöhungen bald ein Ende finden sollten. "Es erwartet niemand, dass wir noch sehr starke und sehr viele Zinsanpassungen durch die EZB (Europäische Zentralbank, Anm.) bekommen", meinte WIFO-Immobilienexperte Michael Klien im Ö1-"Morgenjournal". "Beim Eigenkapital muss man sich's auch im Detail anschauen, denn in Wirklichkeit: Durch die hohe Inflation profitieren die Kreditnehmer sehr stark und sehr unmittelbar. Da ist die Kreditsumme im nächsten Jahr plötzlich um 8, 9, 10 Prozent weniger groß – zumindest in Bezug auf mein Einkommen." Insofern müsse man sich das "schon sehr zeitnah anschauen und vielleicht die Regeln wieder anpassen".

Seit 1. August 2022 muss die neue KIM-Verordnung umgesetzt und auf neue private Wohnimmobilienfinanzierungen angewendet werden. Die Verordnung gilt vorerst bis 30. Juni 2025. Mit der Verordnung ist die Finanzmarktaufsicht (FMA) einer Empfehlung des Finanzmarktstabilitätsgremiums (FMSG) gefolgt, in dem auch das ÖVP-geführte Finanzministerium und die Nationalbank vertreten sind. (APA)