Mangel spitzt sich zu

Unterricht ohne Lehrer? Gewerkschaft rechnet für Herbst mit unbesetzten Klassen

Die Lehrergewerkschaft weist auf akuten Personalmangel hin, der Bildungsminister kalmiert.
© Thomas Böhm

Bildungsminister Martin Polaschek meint, dass im Herbst alle Unterrichtsstunden angeboten werden könnten. Die Lehrergewerkschaft findet dies „illusorisch".

Wien – Österreich gehen die Lehrer aus. Die Lehrergewerkschaft rechnet bereits damit, dass im kommenden Schujahr nicht mehr alle Stunden besetzt werden können. Die Aussage von Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP), wonach alle Unterrichtsstunden angeboten werden könnten, klingt für den obersten Lehrervertreter Paul Kimberger (FCG) aktuell „illusorisch". Polaschek kalmierte.

Schon im vorigen Schuljahr habe man– regional sehr unterschiedlich – an manchen Schulen nur mit großem Aufwand und vielen Provisorien den Unterricht einigermaßen aufrechterhalten können, so Kimberger im APA-Interview. In Wien gab es etwa über Monate Probleme, für alle Volksschulklassen fixes klassenführendes Personal zu finden. Die Spitze des Mangels komme laut Kimberger aber erst auf Österreich zu. Berechnungen der Gewerkschaft zufolge tritt dieser ab 2027 ein. Gleichzeitig produziere das System in den Pflichtschulen durch die extreme Belastung des Lehrpersonals immer mehr Ausfälle, warnte Kimberger.

Wie stark der Personalmangel schlussendlich ausfallen wird, hänge davon ab, wie sich die Zahl der Lehramtsstudierenden und Quereinsteiger entwickelt, und welche Maßnahmen von Bildungsministerium und Ländern gesetzt werden, „um endlich wirksam und nachhaltig auf die extremen Situationen in unseren Schulen zu reagieren", so der Lehrervertreter.

Schon Anfang Juli hat die Pflichtschullehrergewerkschaft der Bildungspolitik die Rute ins Fenster gestellt: Bei der letzten Bundesleitungssitzung wurde einstimmig eine Resolution mit Forderungen u.a. nach Maßnahmen gegen den Personalmangel, mehr Unterstützungspersonal, weniger Bürokratie und einem Stopp praxisuntauglicher Reformen beschlossen und mit Protestmaßnahmen bis zum Streik gedroht.

Laut Bildungsministerium genügend Lehrer

„Aufgrund der aktuellen Datenlage und den Vergleichswerten der Vorjahre kann davon ausgegangen werden, dass auch heuer der Lehrkräftebedarf gedeckt werden kann", hieß es unterdessen aus dem Bildungsministerium in einer schriftlichen Stellungnahme.

Es gebe freilich regionale Unterschiede. Niederösterreich und das Burgenland etwa hätten bereits vermeldet, dass sie den Bedarf decken können. Wien stehe hingegen noch vor der Herausforderung, bis zu Schulbeginn ausreichend Lehrkräfte zu bekommen. „Wir sind jedoch zuversichtlich, dass auch das gelingen wird", so Polaschek.

Unabhängig davon brauche man ausreichend Lehrkräfte für die Zukunft, bundesweit werde deshalb mit kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen gegengesteuert. Konkret nannte er etwa die Initiative "Klasse Job", über die bereits 600 Quereinsteiger rekrutiert wurden, und die geplante Reform der Lehrerausbildung, damit Junglehrer früher im Klassenzimmer stehen.

Für Kimberger reichen die bisherigen Maßnahmen des Bildungsministeriums indes nicht aus. "Das sind sehr viele Ankündigungen, die an den Schulen bisher im Wesentlichen nicht die Wirksamkeit entfaltet haben, die wir uns erhoffen." Deshalb werde nun der Druck erhöht.

Es brauche unter anderem konkurrenzfähigere Lehrergehälter, in Regionen wie Vorarlberg oder an der Grenze zu Bayern drohe sonst die Abwanderung ins Nachbarland.

Bei der Reform der Lehrerausbildung fordert Kimberger mehr Tempo bei der Umstellung auf eine „effektivere, praxisnähere" Ausbildung. Unbedingt notwendig wäre auch die Wiedereinführung einer eigenen Ausbildung in Sonderpädagogik.

Die neuen Quereinsteiger-Angebote für die Sekundarstufe bewertet Kimberger grundsätzlich positiv, fordert ein solches Modell aber auch für die Volksschulen, wo es „eklatanten Mangel" gebe. (APA)