Regierung verspricht 100 neue Kassenarztstellen, für Rauch ein „großer Wurf“
Beim Sommerministerrat stand am Dienstag ganz im Zeichen der lange angekündigten Gesundheitsreform. Man einigte sich auch auf einen Ausbau der psychosozialen Versorgung und die Verbesserungen bei der Medikamentenbevorratung, um Engpässe künftig zu vermeiden.
Wien – Die Regierung verspricht als Maßnahme gegen die Probleme im Gesundheitsbereich wie schon mehrfach angekündigt 100 neue Kassenarztstellen bis Jahresende. Zudem soll ein Start-Bonus von bis zu 100.000 Euro für die Ausstattung der Kassenstellen eingeführt werden, hieß es nach dem Sommerministerrat am Dienstag. Gegen den Medikamentenmangel soll ein Lager für wichtige Wirkstoffe angelegt werden, auf das Apotheken zugreifen können, um Medikamente selbst zubereiten zu können.
Zum Sommerministerrat hatte man sich diesmal keinen besonderen Ort ausgesucht, man traf sich schlicht im Kanzleramt in Wien. Im Mittelpunkt standen die Probleme im Gesundheitsbereich. Das Warten auf einen Arzttermin werde immer länger, vor allem bei Hausärzten auf dem Land sowie bei Kassenärzten generell, umriss Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) einen Teil der Problematik. Entsprechende Maßnahmen im Gesundheitssystem wurden bereits im Juni für den Sommer in Aussicht gestellt.
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Das Maßnahmenpaket, das nun im Sommerministerrat im Kanzleramt beschlossen wurde, kostet bis zu 200 Millionen Euro. "Ich werde ein bissl grantig, wenn das nicht als großer Wurf erkannt wird", zeigte sich Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) von dessen Wirksamkeit überzeugt.
"Start-Bonus" für Kassenpraxen
Man wolle Wartezeiten verkürzen, das Ärzteangebot verbessern und trachte immer danach, dass der "hohe Qualitätsstandard in der österreichischen Medizin erhalten bleibt und fortentwickelt wird", sagte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP). Das nun beschlossene Paket umfasst für den niedergelassenen Bereich 100 zusätzliche Kassenstellen bis Jahresende und für diese einen "Start-Bonus" von bis zu 100.000 Euro für Kassenpraxen vor allem für Gynäkologie, Kinder- und Jugendheilkunde sowie Allgemeinmedizin. Hier bestehe ein besonders großer Mangel an Kassenärztinnen und -ärzten, so Nehammer.
Während die ÖGK davon ausgeht, dass 100 neue Kassenstellen noch heuer nicht mehr besetzt werden können, zeigten sich die Regierungsmitglieder zuversichtlich. Die Attraktivität von Kassenstellen werde durch das Paket erhöht, meinte Rauch. Bei den Finanzausgleichsverhandlungen seien schließlich auch ein einheitlicher Leistungskatalog und ein Gesamtvertrag Thema. Auch geplant ist die Schaffung eines Facharztes für Allgemein- und Familienmedizin. Eine entsprechende Novelle des Ärztegesetzes wird im Sommer in Begutachtung geschickt.
"Gesund aus der Krise" wird verlängert
Probleme bereitete zuletzt auch die Medikamentenversorgung, so waren beispielsweise im Winter Asthmasprays für Kinder kaum mehr zu bekommen. Nunmehr soll ein Lager für wichtige Wirkstoffe angelegt werden, auf das Apotheken zugreifen können, um Medikamente bei Lieferengpässen selbst zubereiten zu können. Eltern würden sich im Winter keine Sorgen mehr machen müssen, ob sie Antibiotika für ihre Kinder bekommen, versicherte Rauch. Auf europäischer Ebene gelte es, die Abhängigkeit von China zu verringern. Auch verspricht die Regierung mehr Transparenz bei Versorgungsengpässen.
Wieder verlängert wird das Projekt "Gesund aus der Krise" zur psychosozialen Versorgung von Kindern und Jugendlichen. Damit sollen zusätzlich 10.000 Kinder und Jugendliche kostenlose psychologische Unterstützung und Psychotherapie erhalten. Um den Bedarf an psychosozialer Versorgung besser zu decken, sollen klinisch-psychologische Behandlungen sozialversicherungsrechtlich der Psychotherapie gleichgestellt werden. Die Ausbildung für Psychotherapeutinnen und -therapeuten soll künftig an Universitäten angeboten werden.
Präventionsprogramme sollen ausgebaut werden
Um schwere Erkrankungen zu verhindern und früh zu behandeln, will man Präventionsprogramme ausbauen, etwa mittels Anreizen, regelmäßig eine Vorsorgeuntersuchung zu machen. Geplant ist auch der Aufbau eines bundesweiten Darmkrebs-Screening-Programms. Das hat für Rauch auch eine persönliche Komponente, war er doch in der Vergangenheit selbst an Darmkrebs erkrankt. Das hätte er sich ersparen können, hätte es dieses Programm gegeben, meinte der Gesundheitsminister.
Außerdem will die Regierung ein Pilotprojekt zur digitalen Begleitung chronisch Kranker starten. So sollen etwa Menschen mit chronischen Krankheiten, Diabetes oder Migräne einen digitalen Begleiter (z.B. über eine Handy-App) erhalten, der sie im Alltag unterstützt und Symptome dokumentiert. "Digital vor ambulant vor stationär" soll schließlich auch der Zugang zum Gesundheitssystem funktionieren, so Rauch.
Strukturelle Reformen stehen noch aus
Bereits im Nationalrat beschlossen wurde eine Reform der Primärversorgung. Primärversorgungseinrichtungen seien bei jungen Ärzten populär, so Kogler, der sich dadurch auch einen Verbleib von mehr Ärzten in Österreich erwartet.
Kogler wies auf die Komplexität des österreichischen Gesundheitssystems hin – es gebe viele Player, neben dem Bund auch die Länder, Sozialversicherungen, Ärzte- und Apothekerkammer. Noch nicht in trockenen Tüchern sind strukturelle Reformen im Gesundheitsbereich. Dazu laufen die Verhandlungen im Zuge des Finanzausgleichs weiter. Zuletzt hatten sich Bund und Länder hier gegenseitig Unfreundlichkeiten ausgerichtet. (APA)