Neuer Machthaber nach Putsch im Niger - Lage weiter prekär
Nachdem sich der mutmaßliche Verantwortliche für den Militärputsch im Niger, General Abdourahamane Tchiani, selbst zum neuen Machthaber ernannt hat, ist zunächst Stille in den Straßen der Hauptstadt Niamey eingekehrt. In der Nacht auf Samstag zogen sich die meisten der gut eine Million Einwohnerinnen und Einwohner der Hauptstadt in ihre Häuser zurück - manche aus Angst, andere voller Hoffnung auf einen Neubeginn für das von Armut und Terrorismus gebeutelte Land.
Am Mittwoch hatten Offiziere von Tchianis Eliteeinheit den demokratisch gewählten Präsidenten Mohamed Bazoum festgesetzt und für entmachtet erklärt. Kurz nach Tchianis Machtübernahme als De-facto-Präsident setzten die Putschisten die Verfassung des westafrikanischen Landes außer Kraft und lösten alle verfassungsmäßigen Institutionen auf. Im Anschluss habe Tchiani begonnen, die Bildung einer neuen Regierung einzuleiten, hieß es von Seiten der Putschisten.
Der Militärputsch in dem Land, in dessen Hauptstadt rund 100 deutsche Soldaten arbeiten, ist auch für die EU und die USA ein Rückschlag in den Bemühungen, die Region zu stabilisieren. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron beruft für Samstagnachmittag (15.00 Uhr) den nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrat ein, wie der Élyséepalast in der Nacht mitteilte. Frankreich hatte zuvor verlauten lassen, es erkenne die neuen Machthaber im Niger nicht an. Für die ehemalige Kolonialmacht Frankreich war der Niger zuletzt ein wichtiger Partner in seinem Anti-Terror-Kampf in der Sahelzone, nachdem die Militärmachthaber in Mali und Burkina Faso den Abzug französischer Truppen gefordert hatten. Paris hat im Niger Berichten zufolge etwa 1.500 Soldaten stationiert.
Erst Ende 2022 hatte zudem die EU eine Militärmission im Niger beschlossen, um den Terrorismus in der Region zu bekämpfen. Die Sahelzone gilt als Zentrum insbesondere des islamistischen Terrors. Sowohl in Mali als auch in Burkina Faso und Niger sind Gruppen des Islamischen Staates und Al-Kaida tätig. Wie es mit der Kooperation weitergeht, ist unklar.
Die USA erklärten unterdessen, sie wollten für die Wiederherstellung der Demokratie in Niger sorgen. US-Außenminister Antony Blinken habe in einem Telefonat mit dem gestürzten Präsidenten Mohamed Bazoum erklärt, Amerika wolle die Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung sicherstellen, teilte das Außenministerium in Washington mit. Blinken habe sich deshalb auch mit der französischen Außenministerin Catherine Colonna abgestimmt. Die USA unterhalten in Niger zwei Stützpunkte mit rund 1.100 Soldaten. Das Verteidigungsministerium will die Truppenstärke vorerst nicht verändern.
Nach Putschen in Mali und Burkina Faso war der Niger das letzte der drei Nachbarländer in der Sahelzone, das von einer demokratisch gewählten Regierung geführt wurde. Für die EU ist die Lage im Niger auch bedeutend, weil es eines der wichtigsten Transitländer für afrikanische Migranten auf dem Weg nach Europa ist.
Auch der UNO-Sicherheitsrat brachte seine Sorge über die Auswirkungen des Staatsstreichs für die Region zum Ausdruck. Man sei besorgt über die "negativen Auswirkungen verfassungswidriger Regierungswechsel in der Region, eine Zunahme terroristischer Aktivitäten und die verzweifelte soziale und wirtschaftliche Situation", hieß es in einer Stellungnahme des Gremiums am Freitag (Ortszeit) in New York. Die Entwicklungen im Niger unterminierten Bemühungen, Frieden und Stabilität in dem Land zu stärken. Die verfassungsmäßige Ordnung im Niger müsse dringend wiederhergestellt werden, forderte das Gremium.
Die nigrischen Streitkräfte hatten am Donnerstag erklärt, sich der Forderung der rebellierenden Militärs nach einer Absetzung von Präsident Bazoum anzuschließen. Über den Verbleib des Präsidenten war zunächst nichts bekannt. Die Vereinten Nationen gingen davon aus, dass er sich zu Hause befinde und es ihm gut gehe.
Der sogenannte Nationale Rat für den Schutz des Vaterlandes, dem General Tchiani nun vorsteht, wurde von den Putschisten bereits am Mittwoch gegründet und soll die Aufgaben einer Übergangsregierung übernehmen. Nach Angaben des Regionalbüroleiters der Konrad-Adenauer-Stiftung für die Sahelzone, Ulf Laessing, dürfte Tchianis Ernennung Spekulationen anfachen, dass Bazoums Vorgänger Mahamadou Issoufou hinter dem Coup stehen könnte. Issoufou hatte Tchiani noch in seiner Amtszeit in das Amt des Chefs der Präsidentengarde befördert.
Das französische Außenministerium erklärte, man erkenne die neuen Machthaber nicht an. Die EU verurteilte den Putsch aufs Schärfste. Jeder Verstoß gegen die verfassungsmäßige Ordnung werde Auswirkungen auf die Zusammenarbeit zwischen der EU und dem Niger haben, teilte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell im Namen der Mitgliedstaaten mit. Jegliche Budgethilfe werde mit sofortiger Wirkung ausgesetzt.