30 Jahre Klangspuren

Symphonieorchester gratuliert zum Jubiläum: Eine Spurensuche im klingenden Garten

Das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck wurde am Donnerstag von Gregor Mayrhofer geleitet. Cellist Francesco Dillon spielte die Soloparts in Francesco Filideis „I Giardini di Vilnius“.
© Verena Nagl

Vom Flüstern, Graben und Schnaufen: Das Tiroler Symphonieorchester gratuliert den Klangspuren mit Werken von Marina Khorkova, Rebecca Saunders und Francesco Filidei zum 30. Geburtstag.

Innsbruck – Natürlich macht man es sich zu einfach, wenn man den italienischen Komponisten Francesco Filidei – in Anlehnung an die Bilderstürmer früherer Zeiten – einen „Klangstürmer“ nennt. Aber ganz schuldlos ist Filidei an solchen voreiligen Zuschreibungen nicht. Eines seiner bekanntesten Werke hat der bald 50-Jährige 2015 mit „Killing Bach“ über- und als „blasphemischer Massakrierungs-Versuch“ beschrieben. „Um etwas aufzubauen, muss man zuerst zerstören“, so wird Filidei im Programmbuch der heurigen Klangspuren zitiert.

Verstanden muss dieser Satz als Plädoyer gegen falschen Respekt und für das lustvoll-anregende Spiel mit etablierten Formen werden. Daran lässt Filideis „I Giardini di Vilnius“, die Gärten von Vilnius also, das das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck am Freitagabend im Rahmen der Klangspuren im Haus der Musik zur österreichischen Erstaufführung brachte, wenig Zweifel. Der Solist, Francesco Dillon am Cello, gibt ein Motiv vor, das Orchester nimmt es auf, führt es fort, stößt es weg – und in zunächst tastenden Schritten in ein Klanggelände vor, das man noch nicht Landschaft nennen mag.

Es geht hin und her, selbstbewusst breit klingt es plötzlich – und allerlei beinahe Erkennbares klingt an: die ganz große Romantik etwa, aber leicht versetzt, verfremdet, verschliffen und um Geräuschhaftes angereichert – Gezwitscher, Geblubber, rhythmisierendes Schnaufen.

Viel ist los auf der Bühne: Der titelgebende Garten in der litauischen Hauptstadt wird umgegraben – und er wird zum Spielplatz für das, was Schicht für Schicht freigelegt wird: Eine Luftpumpe pumpt, Dillons Cello jagt durch die Partitur – bis ihm, weil es – während des Spiels – immer tiefer gestimmt wird, die Luft auszugehen droht. Hochdramatisch ist Filideis Klanggarten – und offen für selbstbewusst ausgestellte Tragikomik. „I Giardini di Vilnius“ beschloss das zweite Klangspuren-Konzert, mit dem das Tiroler Symphonieorchester – sehr präzise geleitet vom 37-jährigen Gregor Mayrhofer – dem Festival für Neue Musik zum 30. Geburtstag gratulierte.

Davor kamen mit Marina Khorkovas „Strömungen“ und „traces“ von Rebecca Saunders zwei sehr unterschiedliche, für sich genommen durchaus exemplarische Klangspuren-Stoffe zu Aufführung. Saunders zählt zu den großen Namen der zeitgenössischen Musik. 2018 war sie Komponistin in Residence des Festivals. „traces“ erforscht, inspiriert und angeleitet von Überlegungen Italo Calvinos und Samuel Becketts, den flüchtigen Charakter von Spuren. Das Stück beginnt kaum vernehmbar leise, fokussiert zunehmend auf perkussive „Querschläge“, lässt das Orchester dann sirenenhaft aufheulen und klingt mit enervierendem Klopfen aus. Stellenweise ist „traces“ von erhabener Schönheit, dann wieder sperrig, unwegsam und herausfordernd.

Letzteres gilt auch für „Strömungen“, in dem sich die in Berlin lebende Exilrussin Khorkova mit dem so genannten „Bisbigliando“ beschäftigt, einer Spielart, die Instrumente „flüstern“ lässt: Die Töne werden durch schnelles Umgreifen fragwürdig, verlieren – wenn man so will – ihre Eindeutigkeit. Spannend und bisweilen etwas forciert experimentell ist diese am Freitag uraufgeführte Auftragsarbeit der Klangspuren, reich an expressiven Auf- und Ausbrüchen – und noch reicher an fraglos effektiv gesetzten Effekten.

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