Krieg in der Ukraine

Raketen trafen Hauptquartier der russischen Schwarzmeerflotte

Das Hauptquartier der russischen Schwarzmeerflotte in Sewastopol wurde getroffen.
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Die von Russland besetzte Halbinsel Krim wird erneut zum Schauplatz eines Aufsehen erregenden Angriffs auf das russische Militär. Nach anfänglichem Zögern wollen die USA laut Medienberichten doch weitreichende Raketensysteme an die Ukraine liefern.

Kiew – Raketen haben am Freitag das Hauptquartier der russischen Schwarzmeerflotte auf der Krim getroffen. Das Gebäude in der Hafenstadt Sewastopol wurde dabei schwer beschädigt, wie auf Video- und Fotoaufnahmen zu erkennen war. Das russische Militär meldete zunächst einen Toten, korrigierte diese Angaben aber später und sprach nur noch von einem Vermissten. Die ukrainische Armee reklamierte den Angriff für sich. Der Schlag gegen den Sitz des Stabs der Flotte gilt als bemerkenswert.

"Am 22. September, gegen 12.00 Uhr, haben die ukrainischen Verteidigungskräfte einen erfolgreichen Angriff auf das Hauptquartier der Schwarzmeerflotte Russlands im vorübergehend besetzten Sewastopol ausgeführt", teilte der Pressestab der ukrainischen Armee im Onlinedienst Telegram mit.

Der Sekretär des ukrainischen nationalen Rates für Sicherheit und Verteidigung, Olexij Danilow, zeigte Genugtuung über den jüngsten Erfolg seiner Armee. Russland könne selbst entscheiden, ob es seine Flotte selbst versenken oder es weiterhin den Ukrainern überlassen wolle, schrieb Danilow auf der früher als Twitter bekannten Plattform X.

Nach Angaben des Gouverneurs der Krim, Sergej Aksjonow, schoss das russische Luftabwehrsystem mehrere Marschflugkörper über der Halbinsel ab. Der von Moskau ernannte Gouverneur Sewastopols, Michail Raswoschajew, bestätigte den Beschuss des Flottenhauptquartiers auf seinem Telegram-Kanal. Raswoschajew machte keine Angaben zu den Schäden, warnte aber vor weiteren Angriffen. In sozialen Netzwerken kursierten Fotos und Videos, die dicke Rauchschwaden über dem Gebäude zeigten. Der Beschuss soll vorläufigen Angaben zufolge mit den vom Westen gelieferten Marschflugkörpern des Typs Storm Shadow erfolgt sein.

Der oppositionelle Telegram-Kanal Crimeanwind berichtete unter Berufung auf Augenzeugen von mehreren schweren Explosionen. Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur TASS lagen nach dem Angriff Trümmer noch mehrere Hundert Meter entfernt vom Einschlag. Eine große Anzahl an Krankenwagen sei zum Unglücksort unterwegs gewesen, hieß es. Die Behörden sperrten das Zentrum der Hafenstadt und baten Anrainer, ihre Häuser nicht zu verlassen oder den nächstgelegenen Schutzkeller aufzusuchen.

Sewastopol auf der seit 2014 von Russland annektierten Halbinsel ist der Stützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte. Schiffe dieser Flotte beschießen seit Beginn der breit angelegten russischen Invasion im Februar 2022 regelmäßig mit Raketen ukrainisches Gebiet.

Explosionen auch in anderen Teilen der Krim

Auch in anderen Teilen der von Russland seit 2014 besetzten Halbinsel gab es Berichten in sozialen Medien zufolge Explosionen. Es kursierten Fotos von größeren Rauchschwaden nahe der Ortschaft Poschtowe zwischen der Hauptstadt Simferopol und Bachtschyssaraj. Laut einem russischen Offiziellen handelte es sich dabei allerdings nur um trockenes Gras, das nach dem Absturz von Raketentrümmern in Brand geraten sei. Dem oppositionelle Telegram-Kanal Crimeanwind zufolge soll sich an der Stelle aber eine Werkstatt für Armeelaster befunden habe. Unabhängig ließen sich die Angaben zunächst nicht überprüfen.

Durch einen russischen Luftangriff wurde in der zentralukrainischen Stadt Krementschuk offiziellen Angaben zufolge mindestens ein Mensch getötet. Weitere 15 Menschen seien verletzt worden, darunter ein Kind, teilte der Militärgouverneur der Region Poltawa, Dmytro Lunin, am Freitag auf Telegram mit. Nach seinen Angaben feuerten die Russen mehrere Raketen auf das südöstlich von Kiew gelegene Krementschuk ab. Eines der Geschosse habe von der Luftverteidigung abgewehrt werden können, ein anderes jedoch habe ein ziviles Gebäude getroffen.

Die ukrainische Armee macht indes nach Einschätzung von US-Militärexperten aber weiter Fortschritte bei ihrer Offensive im Süden des Landes. Am Frontabschnitt bei Robotyne im Gebiet Saporischschja seien erstmals ukrainische Panzerfahrzeuge jenseits der hinteren Linie eines breiten russischen Abwehrgürtels gesichtet worden, schrieb das Institut für Kriegsstudien ISW in seinem Bericht vom Donnerstagabend (Ortszeit). Es sei aber noch zu früh, um sicher zu sagen, dass dieser russische Verteidigungsgürtel durchbrochen sei.

Bei dem Ort Robotyne hat sich die ukrainische Armee in ihrer Gegenoffensive seit Juli am weitesten durch die gestaffelten russischen Verteidigungslinien gekämpft. Dort haben sich die russischen Truppen in weit verzweigten Schützengräben verschanzt. Panzer werden mit Minen, Gräben und dreieckigen Betonsperren, sogenannten Drachenzähnen, abgewehrt.

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Landverbindung soll abgeschnitten werden

Die Ukraine hofft, in dieser Richtung zum Asowschen Meer vorzudringen. Ein Ziel ist es, die Landverbindung der Russen zur Halbinsel Krim abzuschneiden. Allerdings gibt es noch mehrere russische Verteidigungslinien. Experten bezweifeln, dass die ukrainischen Truppen dieses Ziel noch in diesem Jahr erreichen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gab sich im Gespräch mit US-Medien dennoch optimistisch. Er kündigte eine Rückeroberung von Bachmut und zweier anderer Städte an. "Wir werden Bachmut von Okkupanten befreien", sagte er nach Angaben des Senders CNN. "Ich denke, wir werden noch zwei weitere Städte von Okkupanten befreien." Er werde aber nicht sagen, um welche Städte es sich handle. "Wir haben einen Plan, einen sehr, sehr umfassenden Plan."

Die Eroberung von Bachmut in monatelangen Kämpfen war für Russland der bisher am teuersten erkaufte Sieg in dem Angriffskrieg gegen die Ukraine. Bis Mai 2023 verteidigten die Ukrainer die Stadt im Donbass hinhaltend, um der russischen Armee möglichst hohe Verluste zuzufügen. In ihrer Gegenoffensive erobern ukrainische Truppen derzeit Dörfer nördlich und südlich der Stadt zurück und setzen die Besatzer unter Druck. Eine Befreiung von Bachmut wäre eine symbolträchtige Niederlage für den russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Allerdings gibt es noch keine Anzeichen, dass russische Kräfte aus der Stadt verdrängt werden. Die ukrainische Gegenoffensive kommt auch sonst eher langsam voran. Vor keiner Stadt stehen ukrainische Truppen so dicht, dass mit einer baldigen Befreiung zu rechnen ist.

Nach dem ukrainischen Raketenangriff auf das russische Marinehauptquartier auf der Krim ist die Halbinsel nach russischen Angaben das Ziel einer "beispiellosen" Cyberattacke geworden. Der Cyberangriff richte sich gegen die Internetdienstleister auf der Halbinsel, teilte ein Berater des Gouverneurs der Krim am Freitag im Onlinedienst Telegram mit, ohne direkt einen Zusammenhang zwischen den beiden Angriffen herzustellen. "Wir sind dabei, die Internet-Pannen auf der Halbinsel zu beheben." (APA/AFP/dpa/Reuters)

USA liefern ATACMS-Kurzstreckenraketen an die Ukraine

Die USA könnten der Ukraine übereinstimmenden US-Medienberichten zufolge bald ATACMS-Raketen mit höherer Reichweite zur Verfügung stellen. Die US-Regierung werde das von Kiew geforderte Waffensystem zur Verteidigung im russischen Angriffskrieg in Kürze bereitstellen, berichteten die "Washington Post" und der US-Sender NBC News am Freitag unter Berufung auf mehrere mit der Sache vertraute Quellen.

Laut der "Washington Post" handelt es sich um eine ATACMS-Variante, die mit Streumunition bestückt werden kann. NBC News berichtete, US-Präsident Joe Biden habe dem ukrainischen Präsident Wolodymyr Selenskyj die Bereitstellung "einer kleinen Zahl" an ATACMS bereits bei seinem Besuch in Washington am Donnerstag in Aussicht gestellt.

Die US-Regierung bestätigte die Berichte nicht. "Ich habe nichts anzukündigen", sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, beim Pressebriefing am Freitag auf Nachfrage. Aber man habe in der Vergangenheit immer deutlich gemacht, dass die ATACS nicht vom Tisch seien.

Die Ukraine fordert die ATACMS-Raketen des Herstellers Lockheed Martin mit einer Reichweite von bis zu 300 Kilometern seit längerem. Sie werden vom Boden zu Zielen am Boden abgefeuert und treffen sehr präzise. Neuere Modelle sind lenkungsfähig, ältere nicht. Sie werden wegen ihrer Reichweite oft mit den deutschen Taurus-Marschkörpern verglichen, welche Kiew ebenfalls fordert. Die Taurus-Marschflugkörper sind für die Zerstörung von Bunkern und geschützten Gefechtsständen in bis zu 500 Kilometer Entfernung geeignet.

Bei beiden Waffensystemen gibt es die Sorge, dass damit auch Ziele in Russland angegriffen werden könnten. Kiew weist diese aber als unbegründet zurück. Zu den Waffen mit Reichweite über Hunderte Kilometer zählen neben ATACMS und Taurus auch die Marschflugkörper Storm Shadow und Scalp, die Kiew aus Großbritannien und Frankreich bekommen hat.

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