Flanieren auf Oslos spektakulärstem Dach
Dringend empfohlen für alle in zeitgenössische Architektur Verliebte: Eine Reise in Norwegens aufregend unaufgeregte Hauptstadt Oslo.
Oslo –Fast ein Drittel der knapp fünfeinhalb Millionen NorwegerInnen lebt im Großraum seiner Hauptstadt Oslo. Die zwar bereits 1225 schriftlich erwähnt wird, ihren alten Namen aber erst 1924 als Symbol der neu gewonnenen Unabhängigkeit des Landes wieder angenommen hat. Norwegen war damals ein relativ armes Land, um nicht zuletzt durch die gewaltigen Funde an Erdöl und Erdgas zu einem der reichsten – und teuersten – Länder der Welt zu werden. Was das „Gesicht“ von Oslo in den letzten 25 Jahren radikal verändern sollte.
Die Stadt wurde zu einem Eldorado für zeitgenössische Architektur auf höchstem Niveau. Spektakuläre Kulturbauten entstanden genauso wie sensible Umbauten alter Industriehallen aus Backstein und komplett neue Stadtteile. Wo auf eindrucksvolle Weise vorgeführt wird, wie es möglich ist, in der Formen- und Materialsprache von heute das Gefühl des Urbanen zu erzeugen.
In kleinteiligen, fein durchwegten komplexen Strukturen genauso wie konzeptuell spektakulär etwa in der zwölfteiligen Hochhausreihe, deren Namen alles andere als zufällig „Barcode“ ist. Stehen hier doch sehr schmale und lange Baukörper in geringem Abstand parallel nebeneinander. Jeder ist total anders, weil von einem anderen Architekten geplant, einer davon von dem nach dem norwegischen Berg Snøhetta benannten Büro, das auch eine Niederlassung in Innsbruck hat.
Snøhetta hat Oslo aber auch sein berühmtestes Dach zu verdanken. Nämlich das seiner 2008 eröffneten, direkt am Oslofjord liegenden Oper. Ein Haus, das in seiner Durchlässigkeit eines für alle ist. Auf dessen von ineinander geschobenen Schrägen dominierter, mit weißem Marmor überzogener Hülle man flanieren kann und dessen Tore in das als gläserner Kristall daherkommende Innere Tag und Nacht offen sind. Das Herz des Hauses, den großen Saal, umschließend, der als monumentale hölzerne Nussschale angelegt ist.
Direkt vis-a-vis der Oper liegt die 2020 eröffnete Deichmanski bibliotek, die größte öffentliche Bücherei des Landes. Gebaut nach den Plänen von Lund Hagem Arkitekter und Atelier Oslo als semitransparenter, von einer spektakulären Auskragung dominierter Bücherturm, dessen Inneres durch etagenübergreifende, feine Sichtbezüge auftuende Lufträume dominiert ist. Etwa ein Jahr später konnte auch das Munch-Museum aufgesperrt werden. Ein vom Madrider Büro Estudio Herreros geplanter, aus einem breit hingelagerten Sockel wachsender, wie dieser mit Alu verkleideter Turm, dessen verglaste Spitze Richtung Fjord geknickt ist. Viele der 28.000 Kunstwerke, die Munch seinem Heimatland vermacht hat, werden hier präsentiert, darunter permanent eine der drei Varianten seines „Schrei“.
Wie ein im Osloer Hafen gestrandetes Segelschiff kommt dagegen das 2012 von Renzo Piano für eine hochkarätige Privatsammlung moderne Kunst geplante Astrup Fearnley Museet daher, in dessen Skulpturengarten u. a. ein monumentaler Anker von Franz West liegt.