Revolutionäre mRNA-Forschung

Nobelpreisträger Karikó und Weissman: Lieber im Labor als im Rampenlicht

Biochemikerin Katalin Kariko war bereits in den 1970er-Jahren von der mRNA fasziniert.
© AFP/Rico

Jahrzehntelang haben Katalin Karikó und Drew Weissman auf dem Feld der synthetischen mRNA geforscht, zunächst jeder für sich, dann zusammen. Ohne ihre Forschungsergebnisse wären viele Technologien, die es heute auf diesem Feld in der Medizin gibt, gar nicht möglich.

Philadelphia – Mitte der 1970er-Jahre hörte Katalin Karikó während einer Universitätsvorlesung in ihrer Heimat Ungarn zum ersten Mal von mRNA-Molekülen, inzwischen sind sie ihre Lebensaufgabe. Die 68-Jährige wuchs in einem kleinen ungarischen Städtchen auf – der Vater Fleischhauer, die Mutter Buchhalterin, im Haus kein fließendes Wasser. Schon als Schülerin begann Karikó sich für Biologie zu interessieren, studierte an der Universität Szeged und promovierte dort auch – über mRNA-Moleküle.

Ein Stipendium ermöglichte Mitte der 1980er-Jahre den Umzug in die USA, mit ihrem Mann, der kleinen Tochter und einigen Hundert Dollar. Die nächsten Jahrzehnte verbrachte Karikó hauptsächlich an der University of Pennsylvania – mit immer neuen Rückschlägen und wenig Unterstützung, aber starkem Durchhaltevermögen. Ende der 1990er-Jahre lernte sie beim Fotokopieren zufällig den Immunologen Drew Weissman kennen, die beiden taten sich zusammen – und schafften es, den Einsatz von mRNA als Impfstoff zu ermöglichen. Die Technik wurde weiterentwickelt und wird heute von Unternehmen wie Moderna und Biontech unter anderem für Corona-Impfungen verwendet.

Geld war nie ein Motiv für die Arbeit

Kleines Detail am Rande: "Mein Kollege Drew Weissman wollte immer einen Impfstoff entwickeln, ich nicht", sagte die Neo-Nobelpreisträgerin Anfang in einem Interview mit der APA im Jänner 2022. Geld sei für sie nie eine Motivation gewesen, betonte Karikó damals. Es sei ihr immer um den Erkenntnisgewinn gegangen. "Mir bereitet die Arbeit Freude, ich genieße es, im Labor zu sein." Karikós Einstellung zur Arbeit hat auch auf ihre Tochter Zsuzsanna "Susan" Francia abgefärbt. Sie ist zweifache Olympiasiegerin und fünffache Weltmeisterin im Rudern.

2022 erhielten Kariko und Weissman bereits den Japan-Preis. Es war eine von vielen Auszeichnungen, die sie für ihre Arbeit bereits entgegennehmen konnten.
© AFP/Hoshiko

Biontech heuerte Karikó 2013 an. Sie behielt aber ihre Professorenstelle in Pennsylvania. Seit Anfang Oktober 2022 ist sie nur noch als Beraterin für Biontech tätig. Für ihre Entdeckungen, die vor allem mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie ins Scheinwerferlicht rückten, ist Karikó bereits mehrfach ausgezeichnet worden – unter anderem mit dem Breakthrough Prize, dem Paul-Ehrlich-Preis und dem Lasker-Award.

Wilhelm-Exner-Medaille und "Golden Arrow" für Karikó

Die am 17. Jänner 1955 im ungarischen Szolnok geborene Katalin Karikó ist zur Zeit an der Szeged University in Ungarn und an der University of Pennsylvania (USA) tätig. In den vergangenen Jahren erhielt die Forscherin auch in Österreich Auszeichnungen. Im Jahr 2021 wurde ihr die Wilhelm-Exner-Medaille des Österreichischen Gewerbevereins zuerkannt. Im Jahr darauf wurde sie in Wien mit dem "Golden Arrow" ausgezeichnet. Im Zuge dessen war Hauptreferentin beim "Vienna Congress com.sult 2022", der den Preis vergab.

Karikó wurde im Universitätsklinikum in Philadelphia (US-Staat Pennsylvania) mit dem Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer geimpft, den sie selbst mitentwickelt hat. "Da bin ich ein bisschen emotional geworden", erzählte sie 2021 in einem Podcast der "New York Times". "Als wir auf den Gang kamen, hat der Chef der Neurochirurgie gesagt: "Hier kommen die Erfinder dieses Impfstoffs." Einige Menschen haben geklatscht – und das hat mich emotional gemacht und ich habe ein bisschen geweint."

Forscher brauchen kein Scheinwerferlicht

Drew Weissman fühlt sich im Labor wohler als auf offiziellen Veranstaltungen.
© APA/AFP/JUAN PABLO RICO

Drew Weissman steht ähnlich wie seine Kollegin Karikó nicht gerne in der Öffentlichkeit. "Ich fühle mich im Labor viel mehr zu Hause als im Scheinwerferlicht", sagte der US-Immunologe, als er 2021 mit dem Lasker-Preis für seine Forschung über mRNA-Moleküle ausgezeichnet wurde. Gemeinsam unter anderem mit Katalin Karikó schuf er die Grundlage für die Entwicklung sogenannter mRNA-Impfstoffe.

Er freue sich sehr darüber, dass diese Forschung so eine große Hilfe habe leisten können, sagte der 1959 in Massachusetts geborene Wissenschafter. Anstelle Erfolge wie die Bekanntgabe der Wirksamkeit von mRNA-Impfstoffen zu feiern, wollte er lieber schnell wieder ins Labor was seine Ehefrau und die beiden gemeinsamen Töchter frustriere. "Nachdem wir alle komplett geimpft waren, habe ich dann gesagt: 'Ok, wenn ihr unbedingt feiern wollt, dann lasst uns ein schönes gemeinsames Essen einnehmen.'"

Weissman studierte an der Boston und der Brandeis University in Massachusetts, bevor er 1997 an die University of Pennsylvania kam, wo er bis heute arbeitet. Karikó traf er dort zufällig Ende der 1990er-Jahre beim Fotokopieren, die beiden taten sich zusammen – und schafften es schließlich, den Einsatz von mRNA als Impfstoff zu ermöglichen. Für seine Entdeckungen wurde Weissman bereits mehrfach ausgezeichnet – neben dem Lasker-Preis unter anderem mit dem Breakthrough Prize in Life Sciences, dem Prinzessin-von-Asturien-Preis und dem Preis der Robert-Koch-Stiftung. (APA)

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