Nach Zeilinger im Vorjahr

Erfolg für Ferenc Krausz: Physik-Nobelpreis geht erneut an einen Österreicher

Ferenc Krausz und zwei Forscherkollegen werden für die Begründung der Attosekunden-Physik mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.
© APA/dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Nach Anton Zeilinger im Vorjahr, erhält heuer Ferenc Krausz – der ungarischer und österreichischer Staatsbürger ist – den Physik-Nobelpreis. Gemeinsam mit seinen ebenfalls ausgezeichneten Kollegen ist es ihm gelungen, Elektronen-Bewegungen in Echtzeit zu verfolgen. Erkenntnisse daraus könnten zukünftig auch in der Medizin zum Einsatz kommen.

Stockholm – "Wir können nun die Tür zur Welt der Elektronen öffnen", begründete die Königlich-Schwedischen Akademie der Wissenschaften die Verleihung des diesjährigen Nobelpreises für Physik an den österreichisch-ungarischen Physiker Ferenc Krausz seinen Kollegen Pierre Agostini und die Physikerin Anne L'Huillier. Sie werden "für experimentelle Methoden, die Attosekunden-Lichtimpulse zur Untersuchung der Elektronendynamik in Materie erzeugen", geehrt.

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Krausz wurde in Ungarn geboren, besitzt aber auch die österreichische Staatsbürgerschaft. In einer ersten Reaktion zeigte sich der frisch gebackene Nobelpreisträger überwältigt. "Ich versuche zu realisieren, dass das Realität ist und kein Traum", sagte Krausz. Damit gerechnet habe er nicht.

Mit seiner Forschung habe er es zusammen mit vielen Wissenschaftern und Teams geschafft, "die schnellsten Vorgänge, die es in der Natur außerhalb des Atomkerns gibt, nämlich die Bewegung der Elektronen, in Echtzeit zu verfolgen", sagte Krausz im Max-Planck-Institut, das gerade Tag der offenen Tür hatte. "Diese Bewegungen initiieren jegliche molekulare Vorgänge in lebenden Organismen und sind letzten Endes auch für die Entstehung von Krankheiten auf fundamentalster Ebene verantwortlich." Erkenntnisse in diesem Bereich könnten daher für die Medizin wichtig sein.

Erste Krausz-Reaktion: "Preis gebietet große Demut"

Der an ihn vergebene Physik-Nobelpreis "gebietet große Demut", sagte Preisträger Ferenc Krausz am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching bei München am Dienstagnachmittag vor der Presse. Er dankte seiner Familie und seinen Lehrern, "von der Volksschule weg bis an die Universität in Ungarn", die ihn letztlich auch dazu bewegt hätten, Physik zu seinem Leben zu machen.

Besonderen Dank sprach der Forscher, der von einem überwältigenden Gefühl sprach, auch seinem Team und seinen Mitstreitern aus, "beginnend in Wien", wo Krausz auch die grundlegenden Arbeiten, die zur Auszeichnung mit dem Nobelpreis führten, an der Technischen Universität (TU) Wien machte, und "fortgesetzt in München", wo er am Max-Planck-Institut für Quantenoptik und an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München forscht. Speziell bedankte er sich bei Arnold Schmidt, emeritierter Professor der TU Wien und damaliger Mentor des Forschers, der ihm auch alle Freiheiten für seine Arbeit eröffnet habe.

Vielversprechender Einsatz auch in der Krebsforschung

Es gebe seit drei Jahren ein großes Forschungsprojekt mit 10.000 Menschen zur Erkennung von Krankheiten wie Krebs in frühen Stadien. Sie bekämen regelmäßig Blutproben abgenommen, die mit Infrarot-Laser-Licht durchleuchtet würden – um "daraus weitere Informationen, die uns derzeit die Labormedizin nicht liefern kann, über sich möglicherweise ausbildende Krankheiten in einem früheren Stadium zu gewinnen". Die ersten Resultate seien vielversprechend, bis zur Anwendung seien aber vermutlich noch fünf bis zehn Jahre nötig.

Mit ihrer Forschung hätten die Forscher der Menschheit neue Werkzeuge an die Hand gegeben, "die Welt der Elektronen in Atomen und Molekülen" zu entdecken, sagte Eva Olsson, Vorsitzende des Nobelpreiskomitees für Physik. Attosekunden-Physik mache es nun möglich, "jene Mechanismen zu verstehen, die durch Elektronen gesteuert werden". In einem nächsten Schritt werde man diese nutzen.

Krausz, Agostini und L'Huillier eröffneten mit ihren Arbeiten die Möglichkeit, Prozesse zu untersuchen, die sich bis dahin durch ihre Schnelligkeit jeglicher Beobachtung entzogen haben. Sie hätten mit ihrer Forschung einen Weg aufgezeigt, sehr kurze Lichtimpulse zu erzeugen, mit denen die schnellen Prozesse gemessen werden können, im Rahmen derer Elektronen sich bewegen oder Energie tauschen. In der Welt der Elektronen finden diese Veränderungen im Rahmen von Attosekunden statt. Eine Attosekunde ist ein Milliardstel einer Milliardstel Sekunde.

Zur Person

Ferenc Krausz, geboren am 17. Mai 1962 in Mor (Ungarn), studierte von 1981 bis 1985 an der Uni Budapest und Elektrotechnik an der Technischen Universität Budapest – letzteres Studium schloss er 1985 mit dem Diplom ab. Er machte dann Karriere an der TU Wien. 2001 gelang es Ferenc Krausz und seinem Team dort erstmals, aus extrem ultraviolettem Licht einzelne Lichtblitze im Attosekundenbereich zu erzeugen und zu messen. Seither konnte Krausz zahlreiche Echtzeit-Filmaufnahmen der Bewegung von Elektronen in Molekülen und Atomen aufnehmen.

2003 wurde er zum Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching ernannt. Seit 2004 ist er Professor für Physik an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München. Im selben Jahr wurde er zum Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) gewählt. 2015 gründete er das Centre for Advanced Laser Applications (CALA) an der LMU und leitet es seither, seit 2019 ist Krausz auch Co-Gründer und Direktor des Center for Molecular Fingerprinting Research in Budapest.

Die Grundlagen für die Forschungsleistung habe die in Schweden arbeitende, in Frankreich geborene Physikerin L'Huillier gelegt, hieß es. Sie entdeckte, dass viele verschiedene sogenannte Obertöne des Lichts entstehen, wenn man infrarotes Laserlicht durch ein Edelgas schickt. Diese Obertöne entstehen durch die Wechselwirkung des Laserlichtes mit Atomen im Gas. Darüber erhalten einige Elektronen zusätzliche Energie, die als Licht emittiert wird.

Sie legte damit den Grundstein für Experimente, die ihre beiden Co-Preisträger erstmals 2001 durchführten: Agostini gelang es, eine Serie von aufeinanderfolgenden, sehr kurzen Lichtimpulsen zu produzieren, jeder Impuls dauerte dabei nur 250 Attosekunden. Krausz, der lange in Österreich forschte, habe hingegen einen anderen experimentellen Zugang gewählt, über den es möglich wurde, einzelne Lichtimpulse zu isolieren, die 650 Attosekunden dauerten.

"Einfach fantastisch", sagte L'Hullier in einer ersten Reaktion im Rahmen der Bekanntgabe am Telefon. Sie hatte gerade unterrichtet und nach dem dritten oder vierten verdächtigen Anruf abgehoben: "Es war dann etwas schwierig, weiter zu unterrichten", so die Wissenschafterin, die sich "sehr berührt" zeigte. Der Preis zeige auch, dass es in der Grundlagenforschung Zeit brauche, "um Anwendungen zu sehen".

Krausz und Agostini hätten im Jahr 2001 gezeigt, dass es wirklich möglich ist, so kurze Pulse herzustellen, erklärte L'Hullier. Das machte das Feld "sehr interessant". Mittlerweile gehe es in Richtung Anwendungen in der Industrie, in der Medizin oder im Bereich der Chemie.

Krausz folgt auf Zeilinger

Im vergangenen Jahr ging die Auszeichnung an den österreichischen Quantenphysiker Anton Zeilinger, der gemeinsam mit dem französischen Physiker Alain Aspect und seinem US-Kollegen John Clauser "für Experimente mit verschränkten Photonen, Nachweis der Verletzung der Bellschen Ungleichungen und wegweisender Quanteninformationswissenschaft" geehrt wurde. (TT.com, APA)

Nobelpreis: Die fünf österreichischen Physik-Preisträger

Erwin Schrödinger (1887-1961) gilt als einer der Väter der Quantenphysik, 1926 lieferte er mit der sogenannten Wellenmechanik ("Schrödingergleichung") eine der beiden theoretischen Formulierungen der Quantentheorie. 1933 wurde ihm als erstem Österreicher der Physiknobelpreis verliehen.

Victor Franz Hess (1883-1964) wies 1912 von einem Fesselballon aus einen Anstieg der ionisierenden Strahlung nach. "Für die Entdeckung der kosmischen Strahlung" erhielt er 1936 den Nobelpreis.

Wolfgang Pauli (1900-1958) formulierte 1925 ein physikalisches Gesetz, das eine quantenmechanische Erklärung des Aufbaus eines Atoms lieferte. Dafür erhielt er 1945 den Nobelpreis.

Anton Zeilinger (geb. 1945) wurde 2022 gemeinsam mit zwei Kollegen u.a. "für Experimente mit verschränkten Photonen" ausgezeichnet.

Ferenc Krausz, (geb. 1962 in Ungarn) und seine beiden ebenfalls ausgezeichneten Forscher-Kollegen konnten zahlreiche Echtzeit-Filmaufnahmen der Bewegung von Elektronen in Molekülen und Atomen aufnehmen.

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