Hoffnung auf Überlebende schwindet: Neues Beben der Stärke 4,9 in Afghanistan
Eine Bebenserie sorgte für massive Zerstörung in der Region Herat. Die UNO ruft die internationale Gemeinschaft zur Unterstützung der Betroffenen auf. Die Mehrheit der Opfer sind Frauen und Kinder.
Herat – Nach der verheerenden Erdbebenserie in Afghanistan schwindet die Hoffnung auf Rettung von Überlebenden. Jetzt hat ein weiteres Beben der Stärke 4,9 den Nordwesten des Landes erschüttert. Das Epizentrum lag 33 Kilometer nordwestlich der Provinzhauptstadt Herat, teilte die US-Erdbebenwarte USGS am Montag mit. Die Grenzprovinz nahe dem Iran war Samstagfrüh von mehreren Erdstößen verwüstet worden, die beiden schwersten hatten laut der US-Erdbebenwarte eine Stärke von 6,3.
📽 Video | 2.400 Opfer nach Erdbeben
Die Hilfsorganisation Care zeigte sich besorgt über die Situation der Frauen und Mädchen. "Ihre Freiheit war bereits vorher erheblich eingeschränkt und sie haben daher nur einen erschwerten Zugang zu wichtigen lebensrettenden Diensten", teilte Reshma Azmi, stellvertretende Länderdirektorin von Care Afghanistan, am Montag mit. Die Menschen benötigten dringend Unterstützung. Seit mehr als zwei Jahren sind in Afghanistan die Taliban wieder an der Macht. Das Land ist wegen seiner repressiven Politik, die vor allem Frauen und Mädchen diskriminiert, international politisch isoliert.
Helfer und Ärzte, die am Wochenende in die Katastrophengebiete geeilt waren, berichteten von einem großen Ausmaß der Zerstörung. In zahlreichen Dörfern nordwestlich von Herat seien Häuser dem Erdboden gleichgemacht worden, sagten Augenzeugen am Sonntag. Das Ministerium für Katastrophenhilfe bezifferte die Zahl der Toten am Sonntag auf mehr als 2.400, weitere 2.000 Menschen seien verletzt worden. Die Zahlen konnten zunächst nicht unabhängig verifiziert werden. Es wäre eines der schwersten Erdbeben seit Jahrzehnten in Afghanistan.
Das UNO-Nothilfebüro OCHA nannte am Sonntagabend mehr als 1.000 Tote, man gehe aber davon aus, dass die Zahl der Opfer steige, wenn abgelegene Regionen erreicht werden. Mehr als 11.000 Menschen seien von dem Erdbeben betroffen. Die Vereinten Nationen gaben am Sonntag fünf Millionen Dollar (4,7 Mio Euro) Soforthilfe frei und kündigten nach der Abschätzung des Bedarfs einen baldigen Spendenaufruf an.
Samstagfrüh hatten mehrere Erdbeben Bewohner der afghanischen Grenzprovinz nahe dem Iran aufgeschreckt. Innerhalb von nur wenigen Stunden bebte die Erde neun Mal, mehr als ein Dutzend Dörfer wurden weitgehend zerstört. Am stärksten betroffen war der Bezirk Sindadschan nordwestlich von Herat. Militär und Rettungsdienste eilten in die Katastrophengebiete.
Die Europäische Union (EU) versicherte der betroffenen Bevölkerung ihre volle Solidarität, wie EU-Chefdiplomat Josep Borrell beim Kurznachrichtendienst X (früher Twitter) schrieb. "EU-Teams haben das Katastrophengebiet bereits erreicht, um zu helfen", teilte er mit, ohne Details zu nennen. Selbst 300 Kilometer entfernt im Nachbarland Iran wackelten am Samstag Wände und Deckenleuchten, wie Bewohner der Millionenmetropole Maschhad erzählten. Auch dort setzten die Behörden Rettungsdienste in Alarmbereitschaft und schickten Teams an die Grenze, um mögliche Schäden zu untersuchen.
Die Beben wecken Erinnerungen an die Katastrophe im Sommer vergangenen Jahres, als im Osten des Landes bei einem Erdbeben der Stärke 5,9 mehr als 1.000 Menschen in den Tod gerissen wurden. Nach Jahrzehnten voller Konflikte sind viele Dörfer mit einfacher Bauweise schlecht gegen Erdbeben gerüstet. Seit mehr als zwei Jahren sind in Afghanistan die Taliban wieder an der Macht. Das Land ist wegen seiner repressiven Politik, die vor allem Frauen und Mädchen diskriminiert, international politisch isoliert. Auch das ist ein Grund, warum Rettungsarbeiten schwer vorankommen. Immer wieder ereignen sich schwere Erdbeben in der Region, besonders am Hindukusch, wo die Indische und die Eurasische Platte aufeinandertreffen.
13 Dörfer vernichtet
13 Dörfer in der stark betroffenen Grenzprovinz Herat sind Behördenangaben zufolge komplett zerstört worden. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) waren von der Erdbeben-Katastrophe insgesamt rund 4200 Menschen betroffen, mindestens 600 Häuser wurden zerstört. Alleine in das größte Krankenhaus der Provinzhauptstadt Herat seien gut 200 Tote und rund 700 Verletzte gebracht worden, hieß es aus medizinischen Kreisen.
UNO-Generalsekretär António Guterres zeigte sich bestürzt und sprach den Hinterbliebenen der Opfer sein Beileid aus, wie UNO-Sprecher Stephane Dujarric in New York erklärte. Guterres rief die internationale Gemeinschaft auf, die vom Erdbeben betroffene afghanische Bevölkerung vor allem mit Blick auf den kommenden Winter zu unterstützen.
Der gut vernetzte afghanische Journalist Bilal Sarwari teilte auf der Plattform X, ehemals Twitter, Videos von den Rettungsarbeiten. Die Bilder zeigten Häuser, die komplett in Trümmern lagen. "Die ruhige Schönheit von Herat wurde durch ein unbarmherziges Erdbeben zerstört, das ganze Dörfer in Schutt und Asche gelegt hat", schrieb Sarwari. (APA/dpa/AFP)
Afghanistan benötigt dringend Hilfe
Die österreichische Caritas rief zu Spenden auf. "Es braucht jetzt das Notwendigste: Trinkwasser, Nahrung, medizinische Versorgung und Notunterkünfte. Jede Minute zählt, um Menschenleben zu retten", so Caritas Auslandshilfe-Generalsekretär Andreas Knapp.
Spendenkonto der Caritas Österreich: Erste Bank: IBAN AT23 2011 1000 0123 4560, Verwendungszweck "Erdbeben Afghanistan". Mehr Informationen online unter https://caritas.at/erdbeben-afghanistan
Spendenkonto von World Vision Österreich: Erste Bank, IBAN: AT22 2011 1800 8008 1800, Verwendungszweck "Katastrophenhilfe". Mehr Informationen online unter www.worldvision.at/katastrophenhilfe
Spendenkonto des Österreichischen Komitee für UNICEF: AT46 6000 0000 0151 6500. Mehr unter https://unicef.at/hilfsprojekte-weltweit/hilfsprojekte-in-asien/unic ef-in-afghanistan/