„Unbeirrbarer Widerstand": Im Netz der Künstlerin Louise Bourgeois
Louise Bourgeois (1911–2010) als Malerin: Das Belvedere in Wien fokussiert auf die frühen Gemälde der berühmten Bildhauerin. Was fehlt, sind nicht die Spinnen, sondern Feingefühl.
Wien – Der Erfolg kam bei ihr, wie bei vielen Künstlerinnen ihrer Generation, spät – aber er hält an. Erst vor wenigen Monaten wurde eine ihrer meterhohen Spinnenfiguren, die Louise Bourgeois in der 1990ern berühmt gemacht hatten, für fast 33 Mio. US-Dollar versteigert. So viel wurde noch nie für das Werk einer Bildhauerin in einer Auktion bezahlt, meldete Sotheby’s. 2022 ging ein ähnliches Tier für ein paar Milliönchen mehr über den Messetisch der Art Basel.
2022, da ist Louise Bourgeois bereits zwölf Jahre tot – gerade einmal 20 Jahre hat sie die große Aufmerksamkeit der Kunstwelt für ihre Arbeiten miterlebt. „Mitentdeckt“ wurde sie einst vom Tiroler Ausstellungsmacher und Verleger Peter Weiermair. Er zeigte Louise Bourgeois schon 1989 im Frankfurter Kunstverein, 2006 dann noch einmal in der Wiener Kunsthalle. Inzwischen bald 20 Jahre später ist in Wien jetzt ihre frühe Malerei an der Reihe. Bourgeois’ „Spider“ von 1996, die anlässlich des 300-Jahr-Jubiläums in den Belvedere-Garten eingezogen ist, wird da fast zur Nebensache. Die Skulptur ist Trostpflaster für all jene, die sich von der Bourgeois-Schau etwas mehr Krabbelcontent gewünscht hätten.
Dabei kommt „Unbeirrbarer Widerstand“, so haben die Kuratorinnen Sabine Fellner und Johanna Hofer ihren speziellen, doch sehr sehenswerten Blick auf das Werk von Bourgeois betitelt, ganz gut ohne aus. Der (für Europa) erstmalige Fokus auf Bourgeois’ Dekade vor der Staffelei – mit Ende der 1940er widmet sie sich ausschließlich Skulptur und Installation – scheint dabei gar nicht vom Kunstmarkt getrieben, der nach noch ungesehenen Werken giert. Tatsächlich will hier eine Schau einer Formensprache nachspüren, die augenscheinlich bereits im Frühwerk geprägt wurde. Dicht an dicht hängen eingangs also eigenwillige Gebilde und fast naive Figuren in 60 kühnen Hoch- oder steilen Querformaten.
Ihr malerisches Werk ist eng verbunden mit ihrem Leben: 1911 wird Louise Bourgeois in Paris in die elterliche Tapisserie-Werkstatt geboren. Vater und Mutter prägen ihre Tochter auf jeweils eigene Weise – die Mutter mit dem frühen Tod (1932) nach langer Krankheit und der Vater mit seinen Affären.
1938 übersiedelt Bourgeois mit ihrem Ehemann nach New York. In „The Runaway Girl“ inszeniert sich die Künstlerin damals als Ausreißerin, die in den Wellen des Großen Teichs zwar nicht absäuft – wohin es genau geht, scheint aber noch nicht abschließend geklärt.
Ebenso wenig, wohin sich die eigene Kunst entwickelt. Betrachtet man Bourgeois’ Frühwerk heute, präsentiert es sich als unabhängig von den Moden der Zeit. Man meint Vorbilder (Klee, Chagall?) zu erkennen. Und landet am Ende wieder bei ihr, Bourgeois und „ihren“ Themen: Das Zuhause, die Mutter, die Natur – Motive, die ineinander überfließen – nicht zuletzt in den Spinnenfiguren, die sie ihrer „Maman“ widmet.
Speziell für Wien haben die Kuratorinnen Bourgeois’ Faszination für die Psychoanalyse herausgearbeitet. Nach einer Depression, die die Künstlerin nach dem Tod des Vaters heimsuchte, begann sie in New York selbst eine Therapie. Erfahrungen verarbeitete sie auf Papier: Bourgeois findet plötzlich zu Ödipus.
Parallel zu Malerei und Grafik zeigt das Belvedere Skulpturen, etwa ihre raumgreifenden „Cells“ – die, das ist gut so, in den Räumen von allen Seiten untersucht werden können. Anders ist das (leider!) bei den fragilen „Maisons“, fein in den Raum gezeichneten Architekturen, die eben genau von der Bewegung der BetrachterInnen leben – erst dann beginnen sie zu tanzen.
Und auch an anderer Stelle vermisst man Feingefühl: Von den Zitaten der Künstlerin, die den Rundgang begleiten, hätte man zumindest gerne den Kontext gekannt. Zumal das filmische Porträt im Touri-Gewusel (akustisch) einigermaßen untergeht. Dabei sind es doch Bourgeois’ hochinteressante Ausführungen, die Interessierte noch enger ins Netz der Künstlerin einzuwickeln vermögen.
Ausstellung „Unbeirrbarer Widerstand"
Unteres Belvedere. Rennweg 6, Wien
Bis 28. Jänner 2024, täglich 10 bis 18 Uhr