Israel gewährt humanitäre Pausen im Norden Gazas
Nach US-Angaben hat Israel tägliche, vierstündigen humanitären Pausen im nördlichen Teil des abgeriegelten Küstenstreifens zugestimmt. Während der Pausen können humanitäre Hilfe geliefert und ein Zeitfenster geschaffen werden, damit Menschen die Gefahrenzone verlassen können. Eine vollständige Waffenruhe wird aber weiter abgelehnt.
Doha, Kairo – Nach mehr als einem Monat Gazakrieg hat Israel nach US-Angaben täglichen, vierstündigen humanitären Pausen im nördlichen Teil des abgeriegelten Küstenstreifens zugestimmt. Sie sollen drei Stunden im Voraus angekündigt werden, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, am Donnerstag in Washington. Während der Pausen könne humanitäre Hilfe geliefert und ein Zeitfenster geschaffen werden, damit Menschen aus der Gefahrenzone entkommen können.
Kein genereller Waffenstillstand
Einen generellen Waffenstillstand lehnen die US-Regierung und auch Israel dagegen weiter ab. Ohne die Freilassung der 239 von der islamistischen Hamas festgehaltenen Geiseln werde es keinen Waffenstillstand geben, hieß es dazu aus dem Büro des Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu. Dort verwies man überdies auf einen schon bestehenden Fluchtkorridor für Zivilisten im Gazastreifen vom Norden in den Süden, auf dem Israel den Menschen zurzeit regelmäßig für einige Stunden eine sichere Passage zusagt. Am Mittwoch hätten 50.000 Menschen die Fluchtroute genutzt, hieß es.
Das israelische Militär hatte früher am Donnerstag auf der Online-Plattform X darauf hingewiesen, dass es keinen Waffenstillstand gebe, aber "taktische, lokale Pausen für humanitäre Hilfe für Zivilisten in Gaza". Auch die US-Regierung lehnt einen generellen Waffenstillstand ab und argumentiert, dies würde nur der im Gazastreifen herrschenden Hamas in die Hände spielen und der Gruppe Zeit geben, sich neu aufzustellen für weitere Attacken. Am 7. Oktober hatten Hamas-Terroristen Israel überfallen und mehr als 1.400 Menschen getötet.
Seit Beginn des Gazakriegs wurden nach Angaben der israelischen Armee rund 9.500 Raketen und Mörsergranaten sowie Dutzende Drohnen Richtung Israel abgefeuert. Seit den Bodeneinsätzen im Gazastreifen sei die Zahl der Abschüsse aber deutlich zurückgegangen, teilte die Armee mit. Ob auch Geschosse aus dem Libanon, aus dem Jemen und Syrien mitgezählt wurden, teilte das Militär nicht explizit mit. Demnach landeten zwölf Prozent aller Geschosse im Gazastreifen selbst. Rund 900 seien von zivilen Standorten, darunter Moscheen, Schulen und Krankenhäuser, aus abgefeuert worden.
Hamas veröffentlicht Geiselvideo
Die im Gazastreifen und auch im Westjordankand aktive Terrororganisation Islamischer Jihad veröffentlichte ein Video zweier israelischer Geiseln. Darin sind eine ältere Frau sowie ein Bub zu sehen. Die Echtheit des Videos konnte zunächst nicht überprüft werden. Die Betroffenen werden aber auf einer offiziellen Seite von Angehörigenvertretern als Geiseln gelistet. Berichten zufolge handelt es sich um eine 77-Jährige sowie ein 13 Jahre altes Kind. Beide Geiseln äußerten in dem Video starke Kritik an Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu und seiner Regierung. Ob die beiden dabei ihre ehrliche Meinung äußerten, war unklar.
Unter Vermittlung des Golfemirats Katar, das gute Beziehungen zur Hamas pflegt, und in Absprache mit den USA laufen derzeit Verhandlungen, um etwa ein Dutzend Gefangene freizubekommen. Das bestätigte eine Person mit Kenntnis dieser Gespräche der Deutschen Presse-Agentur. Im Gegenzug sollen die Kämpfe für 48 bis 72 Stunden eingestellt werden.
Bei einem israelischen Militäreinsatz in Jenin im Westjordanland wurden nach palästinensischen Angaben am Donnerstag mindestens 14 Menschen getötet. Mehr als 20 weitere seien verletzt worden, teilte das palästinensische Gesundheitsministerium mit. Auch die Lage im Westjordanland hat sich seit Beginn des Krieges deutlich verschärft.
Bodentruppen rücken vor
Israelische Bodentruppen nahmen nach Darstellung der Armee nach heftigen Kämpfen im nördlichen Gazastreifen einen Hamas-Stützpunkt ein. Dieser liege im Flüchtlingsviertel JabaliaAn dem zehn Stunden langen Kampf seien neben Hamas auch der Islamische Jihad beteiligt gewesen, hieß es. Viele Ortschaften im Norden des Gazastreifens sind in dem Krieg, der vor mehr als einem Monat begonnen hat, weitgehend zerstört worden. Von der Hamas veröffentlichte Videos zeigen Kämpfe zwischen den Ruinen. Immer wieder sind darin Hamas-Kämpfer zu sehen, die Panzerabwehrraketen auf israelische Panzer abfeuern.
Israel geht davon aus, dass sich die militärische und politische Führung der Hamas in dem unterirdischen Tunnelsystem im Gazastreifen versteckt hält. Auch zumindest ein Teil der 239 Geiseln, die die Hamas und andere extremistische Gruppen bei dem Massaker in Israel verschleppt haben, wird dort vermutet. (APA, dpa)