Erste "Klima Biennale Wien" will nachhaltig wirken
Alle reden vom Klimawandel, aber nur wenige machen wirklich etwas dagegen. Das will die Stadt Wien so nicht stehen lassen. 2024 will man mit einem eigenen Festival Kunst und Wissenschaft, Politik und Gesellschaft miteinander vernetzen, Bewusstsein schaffen und innovative Lösungsansätze erarbeiten. Die erste "Klima Biennale Wien" wird ab 5. April 100 Tage lang ein buntes Programm bieten, das in allen Details am 17. Jänner präsentiert wird. Die Schwerpunkte stehen bereits fest.
Geleitet wird die "Klima Biennale Wien" von der in Graz geborenen Projektmanagerin Sithara Pathirana und dem Münchner Forscher und Künstler Claudius Schulze. Bei ihrer Bestellung vor einem Jahr haben sie mit der Ansage aufhorchen lassen: "So umwälzend wie die Veränderungen des Erdsystems sind, so radikal muss eine Klima Biennale sein." Radikal wirkt ihr bisher bekanntes Programm in einer Mischung aus Ausstellungen, Workshops und Vernetzungsarbeit jedoch keineswegs. Und so dreht sich das APA-Interview mit den beiden Leitern, die das epochale Buch "The Limits to Growth" in der 1976 erschienen englischen Taschenbuchausgabe auf dem Tisch haben, zunächst um den Radikalitätsbegriff.
"Radikal wären die Katastrophen, auf die wir zusteuern, wenn wir nichts täten. Die radikale Zukunftsvision ist ein 'Immer-schön-weiter-so'", sagt Schulze. Um dem entgegenzuwirken, müssten aber alle ins Boot geholt werden. "Radikal heißt heute schon: einander zuhören und miteinander reden. Wir wollen daher alle Menschen ansprechen und niemanden an den Pranger stellen." Also wird während der "Klima Biennale Wien" nicht protestiert, sondern debattiert, wird nicht etwa der Ring zum Veranstaltungsort erklärt und autofrei gemacht, sondern werden ehemalige Postbusgaragen im Nordwestbahnhofgelände, einer der letzten großen Leerflächen, in denen die Transformation der Stadt künftig auch stadtplanerisch sichtbar wird, bespielt. Zentrale Ausstellung auf dem auch mit Workshops, Veranstaltungen und Gastronomie bespielten, inklusive Außenflächen über ein Hektar großen Festivalareal ist "Songs for the Changing Seasons", kuratiert von Lucia Pietroiusti und Filipa Ramos, die "sich der Fragestellung, wie fühlt sich diese Klimakrise an, künstlerisch nähern".
Das Hauptquartier wird aber im Kunst Haus Wien aufgeschlagen. Hier hat man sich schon in den vergangenen Jahren ganz im Sinne des Öko-Pioniers Friedensreich Hundertwasser programmatisch auf Nachhaltigkeitsthemen spezialisiert, hier findet die von Sophie Haslinger kuratierte Ausstellung "Into the Woods. Annäherungen an das Ökosystem Wald" ebenso statt wie ein "wahnsinnig spannendes Diskurs- und Eventprogramm", dessen Teil etwa der erste Wiener Klimagipfel zur Findung neuer Wege der Wissensvermittlung ist. Eines der Ziele der "Klima Biennale Wien" sei es, "die Ohnmacht vom Einzelnen zu nehmen", sagt Sithara Pathirana. Es gehe um die Entwicklung einer gemeinsamen "urbanen Utopie", darum, sich als Teil der Lösung zu begreifen und auch für kleine Schritte auf einem langen, steinigen Weg des Wandels zu motivieren. "Es gibt viele Hebel, die einem unbedeutend vorkommen, die gemeinsam aber etwas bewegen können."
Gemeinsamkeit wird auch mit möglichst vielen Partnerinstitutionen gesucht. "Wir sind stolz darauf, wie viele Akteure der Stadt sich mit großem Elan beteiligen", hebt Schulze hervor. Der Bogen spannt sich vom Foto Arsenal Wien, dem Weltmuseum Wien und dem MAK bis zu den Wiener Festwochen, auch mit dem Künstlerhaus oder der vienna design week wird kooperiert. "Viele Künstlerinnen und Künstler beschäftigen sich schon lange mit Nachhaltigkeitsthemen. Wir nehmen die Kunst nicht in die Pflicht, sondern wollen mit ihr Dinge fühlbar machen, die sonst abstrakt bleiben. Es geht darum, Wissenschaft und Kunst dabei als Einheit zu begreifen, ähnlich wie es bis zur Renaissance üblich war."
Bei bis 15. Jänner laufenden Calls werden zudem Kunstinitiativen und andere nicht-kommerzielle Kunsträume dazu aufgefordert, "innovative und mutige Ausstellungsvorhaben einzureichen, die sich mit dem Lokalen in Angesicht der globalen Herausforderungen in Anbetracht der Klimakrise auseinandersetzen". Die maximale Beteiligung bei den Produktionskosten beträgt allerdings nur 2.000 Euro - nicht viel bei einem Festivalbudget von 1,5 Millionen Euro. "Als Künstler habe ich es immer vermisst, dass es in der Kultur kaum 'Breitenförderung' wie im Sport gibt, also Förderungen, die sich niederschwellig an möglichst Viele richten. Stattdessen werden häufig verhältnismäßig große Beträge in einem Juryprozess an nur wenige 'Auserwählte' ausgeschüttet", argumentiert Schulze. Das mit den Calls bespielte Aktionsfeld "Immediate Matters" sei ein Beitrag, "hier etwas zu verändern: in der Breite die Entstehung einer Keimzelle für Kunst zu fördern, die sich kritisch mit den gesellschaftlichen Fragen der Zukunft in Angesicht der Klimakrise auseinander setzt".
Nicht nur das Geld, auch die Zeit sei knapp, klagt das Leitungsduo, das nach seiner Bestellung per 1. Jänner 2023 erst eine Infrastruktur und ein Team (aktuell ist man fünfköpfig) aufbauen musste. Manche Ideen werden daher gleich auf 2026 verschoben. Denn der Vertrag mit dem Leitungsduo ist für zwei Biennalen abgeschlossen, und ihre Perspektive geht ohnedies darüber hinaus. Pathirana: "Alles, was wir jetzt beginnen, hat den Anspruch, weitergeführt zu werden."
(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)