Neu im Kino

Kein Wort zu viel: Wim Wenders’ neuer Film „Perfect Days“ startet im Kino

Als unvermittelt seine Nichte Niko (Arisa Nakano) auftaucht, muss Hirayama (Koji Yakusho) mit seiner Routine brechen.
© Polyfilm

Wim Wenders erzählt in „Perfect Days“ vom kleinen Glück einer WC-Reinigungskraft in Tokio. In der Hauptrolle: Cannes-Sieger Koji Yakusho.

Innsbruck – US-Sänger Lou Reed beschreibt in seiner melancholischen Ballade „Perfect Day“ einen (immerhin!) perfekten Tag in trauter, jedoch auch recht ereignisarmer Zweisamkeit. Hirayama, die Hauptfigur in Wim Wenders’ neuem Film „Perfect Days“, ist ein großer Fan Lou Reeds – und WC-Reinigungskraft von Beruf. Im blauen Overall bringt er öffentliche Toiletten in Japans Mega-City Tokio auf Hochglanz. Manche mögen darüber die Nase rümpfen. Doch der mittelalte Toilettenbehübscher wirkt zufrieden. Für ihn scheint jeder Tag perfekt. Da hat er es viel besser erwischt als weiland Lou Reed in New York.

Hirayama (Koji Yakusho gewann heuer für diese Rolle in Cannes den Preis als bester Darsteller) redet nur, wenn es unbedingt sein muss. Er lebt allein, in einfachen Verhältnissen, umgeben von Pflanzen, die er großzieht, und analogen Fotos, die er selber schießt, die Regale voll mit Musikkassetten und Büchern. Er war wohl nicht immer Kloputzer. Genaueres erfahren wir aber nicht. Der schweigsame Mann bleibt ein in sich ruhendes Rätsel.

In den öffentlichen Toiletten hinterlässt Hirayama (Koji Yakusho) auch manche Botschaft.
© Polyfilm

Wie kommt Deutschlands Star-Regisseur Wim Wenders zu einem solchen Dreh in Fernost? Per Zufall: Wenders wurde nach Tokio eingeladen, um sich ein Sozialprojekt anzusehen. Namhafte Architekten gestalteten öffentliche WCs, um sie aus dem Schmuddeleck zu holen.

Manche der Bedürfnishäuschen ähneln kleinen Tempeln (oder gigantischen Pilzen), sie sind mit Holz verkleidet oder gar transparent – bis sie zugesperrt werden. Und: Die Anlagen sind peinlichst sauber.

Wenders sollte darüber eine Doku drehen, geworden ist es ein Spielfilm. Der erstreckt sich über mehr als zwei Stunden. Zugegeben, er zieht sich phasenweise. Die tägliche Routine der WC-Fachkraft wiederholt sich Tag für Tag.

„Warum machst du das so genau, es wird ja eh wieder schmutzig?“, wirft Hirayamas junger Arbeitskollege ein. Der will nichts wie weg vom Klo-Dienst. Doch der Ältere lächelt bloß. Ein in der WC-Anlage vergessenes Kind bringt er der Mutter zurück. Dieser kommt kein Wort des Danks über die Lippen. Stattdessen reinigt sie ihr Kind gründlich. Es hatte Kontakt mit dem Klo-Mann.

Regisseur Wenders ist mit „Der Himmel über Berlin“ 1987 bekannt geworden. Nun lässt er seinen Protagonisten den Himmel über Tokio beobachten, den Wechsel zwischen Licht und Schatten in den Baumwipfeln im Park, in dem er tagtäglich seine Jause verspeist. Es braucht nicht viel für ein kleines Glück, scheint die Botschaft zu sein.

Für diesen Film braucht es Geduld und Sitzfleisch.

(ab 22.12. im Kino)

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