Innenpolitik

Kurz-Prozess: Ortner schilderte ÖBAG-Postenbesetzungen

Der Falschaussage-Prozess gegen Ex-Kanzler Kurz wird fortgesetzt
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Im Prozess gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und dessen ehemaligen Kabinettschef Bernhard Bonelli wegen Falschaussage im Ibiza-U-Ausschuss ist am Mittwoch Iris Ortner als Zeugin befragt worden. Die ÖBAG-Aufsichtsrätin ist die Tochter des Industriellen Klaus Ortner, eines Großspenders der ÖVP. Einen Zusammenhang zwischen den Spenden und ihrer Bestellung sah sie nicht. "Niemand hat mir gesagt, der Herr Schmid muss Vorstand werden", betonte Ortner.

Zuerst sollte Ortner dem Richter schildern, wie es dazu kam, dass sie Aufsichtsrätin wurde. Begonnen habe der Prozess mit einem Anruf des damaligen Finanzministers Hartwig Löger (ÖVP) in der ersten Jännerhälfte 2019. Er habe sie gefragt, ob sie grundsätzliches Interesse an dem Posten habe. "Ich war sehr überrascht" über dieses Angebot, sagte die Zeugin. Zuerst habe sie aber für sich abklären müssen, ob ein Job als Aufsichtsrätin mit ihrer Funktion im Familienbetrieb - als Geschäftsführerin der IGO-Gruppe - kompatibel sei.

In der zweiten Jännerhälfte habe sie dann einen weiteren Anruf aus dem Finanzministerium bekommen, worauf ein Treffen mit dem damaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, folgte. Dieser sollte ihr die Neustrukturierung der Staatsholding und den Job als Aufsichtsrätin der ÖBAG erklären. Die spätere Bewerbung Schmids zum ÖBAG-Chef sei dabei aber kein Thema gewesen.

Ihre Bestellung zur Aufsichtsrätin erfolgte schließlich am 15. Februar 2019. In dieser Aufsichtsratssitzung habe sie auch erstmals die anderen Aufsichtsräte kennengelernt. Dass sie Aufsichtsratsvorsitzende werden könnte, sei "nie ein Thema" gewesen, wäre es so gewesen, "hätte ich aber abgelehnt", sagte Ortner. Sebastian Kurz habe sie damals von "mehreren Abendveranstaltungen" - darunter auch ein Abendessen im Hause ihres Vaters - gekannt, Bonelli habe sie nicht gekannt.

Am 27. März wurde dem Aufsichtsrat letztlich berichtet, dass es zehn Bewerber für den ÖBAG-Chef gegeben hätte, wovon vier es in eine nähere Auswahl geschafft hätten. Einer oder eine habe die Bewerbung zurückgezogen, von den verbliebenen Bewerbern seien dem Aufsichtsrat anonyme Lebensläufe vorgelegt worden, schilderte Ortner. Der Personalberater habe aber gesagt, dass "der klare Favorit Thomas Schmid war", und auch dessen Namen genannt. Schmid habe sich daraufhin vorgestellt und zwar "sehr kompetent und überzeugend", woraufhin er einstimmig zum ÖBAG-Chef gewählt wurde. Dass er sich dafür bewirbt, habe sie erst an diesem Tag erfahren, außer jenem am 21. Jänner 2019 habe sie auch kein persönliches Gespräch mit ihm geführt. "Niemand hat mir gesagt, der Herr Schmid (Thomas, Anm.) muss Vorstand werden", betonte Ortner.

Wenig Neues brachte dann die Befragung Ortners durch Oberstaatsanwalt Gregor Adamovic. Fragen zu Beziehungen ihres Vaters etwa zu ÖVP-Politiker Axel Melchior solle er direkt an diesen richten, so Ortner. Ansonsten fehlte der Zeugin bei mehreren Fragen die Erinnerung beziehungsweise die Wahrnehmung. "Der einzige, mit dem ich über die Bestellung zum Aufsichtsrat gesprochen habe, war der damalige Finanzminister Löger", antwortete Ortner auf eine entsprechende Frage von Kurz' Verteidiger Otto Dietrich, und ergänzte dann, dass eben jenes Gespräch mit Thomas Schmid im Jänner 2019 stattgefunden habe, in dem er sie über den Job im Aufsichtsrat informierte.

Mit etwas mehr als einer Million Euro waren die Firmen Klaus Ortners der größte Spender der ÖVP im Wahljahr 2017. Dass seine Tochter Iris im Gegenzug in den ÖBAG-Aufsichtsrat kam, wurde in einer Anzeige vermutet. Ein "Anfüttern" durch korrekt abgewickelte Parteispenden ist nicht strafbar, auch dann nicht, wenn sich die Partei nachträglich dafür revanchiert, hieß es damals in der Einstellungsbegründung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), in der auch die fachliche Eignung Ortners bestätigt wurde. Nachdem sie den Anruf von Löger bekam, habe sie ihrem Vater davon erzählt, sagte Ortner. Dieser sei "genauso freudig überrascht" gewesen wie sie. Zwischen den Spenden ihres Vaters und ihrer Bestellung habe sie keinen Zusammenhang gesehen. Von der Anzeige habe sie erfahren, weil Journalisten an sie heran getreten seien und gefragt hätten, was es damit auf sich habe.

Kurz fühlte sich durch die Einvernahme, aber auch Zeugenbefragungen in früheren Prozessterminen zurückerinnert an Befragungen im U-Ausschuss. "Da geht es um die Kriminalisierung von Spenden (...) Wenn ich da zuhöre, dann kommt das alles noch mal hoch." Es sei "ein komisches Gefühl, wenn Sie das Gefühl haben, Sie haben sich strafrechtlich nichts zuschulden kommen lassen, und doch haben Sie Angst, dass irgendwo wieder irgendein Verfahren aufpoppt", nutzte der Ex-Kanzler die Möglichkeit zur Stellungnahme.

Im Laufe des Prozesses habe er vieles gehört, "was meiner Wahrnehmung entspricht, aber auch einiges, was im Gegensatz zu dem steht, an das ich mich erinnere", betonte Kurz. Er wolle darauf aufmerksam machen, "dass Wahrnehmungen unterschiedlich" seien. So habe er sich etwa bei der Einvernahme des FPÖ-Politikers Arnold Schiefer "fast nicht mehr beherrschen können", da dessen Aussagen sich nicht mit seinen gedeckt hätten. Schließlich sei ihm klar geworden, "ich wusste ja gar nicht, was der (Schiefer, Anm.) mit Schmid (Thomas, Anm.) geredet hat".

Kurz und Bonelli wird von der Anklagebehörde vorgeworfen, sie hätten als Auskunftspersonen vor dem U-Ausschuss falsch ausgesagt. Kurz soll seine Rolle insbesondere bei der Errichtung der ÖBAG und der Bestellung Thomas Schmids zu deren Chef kleingeredet haben. Die Angeklagten bestreiten die Vorwürfe. Seit dem Prozessauftakt am 18. Oktober haben zur Klärung der Schuldfrage bereits sechs Verhandlungstage stattgefunden.

Weiterhin unklar ist, wann die beiden von der Verteidigung ins Spiel gebrachten russischen Geschäftsmänner, die Schmid im vergangenen August zu einem "Bewerbungsgespräch" in Amsterdam getroffen haben soll, befragt werden. Richter Michael Radasztics hat bereits Kontakt mit ihnen aufgenommen, den beiden sei es jedoch nicht möglich nach Wien zu kommen und ein österreichisches Gericht könne sie auch nicht dazu zwingen. Der Richter sprach sich deshalb für den Vorschlag eines der beiden Russen aus, die Befragung via Zoom in einem österreichischen Konsulat durchzuführen. Dazu braucht er jedoch die Zustimmung der Parteien. Die Verteidigung gab ihm diese auch direkt, die WKStA wollte vorerst keine Erklärung abgeben, werde das aber "zeitnah" tun. Die Alternative und für den Richter der "umständlichere" Weg sei es, mit der russischen Justiz zusammenzuarbeiten, um die Zeugen nach Österreich zu bringen. Sofern diese Variante überhaupt möglich sei, bringe sie jedenfalls erheblichen Zeitverlust mit sich.

Fortgesetzt wird der Prozess am 25. Jänner mit der Einvernahme von Ex-Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) als Zeuge. Am 30. Jänner sollen ÖBAG-Aufsichtsratsvorsitzender Helmut Kern, Bernd Brünner, ehemaliger Generalsekretär im Bundeskanzleramt, und ÖBAG-Aufsichtsrätin Susanne Höllinger in den Zeugenstand treten. Am 31. Jänner folgt Günther Helm, einstiger Chef des Diskonters Hofer und später im Aufsichtsrat der ÖBAG.

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