Israel: Palästinenser werden Gazastreifen regieren
Der Gazastreifen wird laut Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant nach Ende des Kriegs zwischen Israel und der islamistischen Hamas von Palästinensern regiert werden. "Palästinenser leben im Gazastreifen und daher werden Palästinenser ihn in Zukunft regieren", sagte Gallant am Montag bei einer Pressekonferenz. "Die künftige Regierung in Gaza muss aus dem Gazastreifen hervorgehen." UNO-Generalsekretär António Guterres äußerte indes Sorge vor einer Ausweitung des Kriegs.
Nach dem Ende des Krieges werde vom Gazastreifen "keine militärische Bedrohung" mehr ausgehen, führte Gallant weiter aus. "Die Hamas wird nicht in der Lage sein, im Gazastreifen zu herrschen und als Militärmacht zu fungieren." Die künftige Regierung werde eine "zivile Alternative" sein. Zugleich solle die israelische Armee freie Hand haben, um israelische Bürger zu schützen.
"Ich bin zutiefst besorgt von dem, was sich da entfaltet", warnte Guterres am Montag in New York vor einem Übergreifen des Konflikts auf die weitere Region. "Es ist meine Pflicht, allen Seiten diese einfache und direkte Botschaft zu überbringen: Hört auf, an der blauen Linie mit dem Feuer zu spielen, deeskaliert und bringt die Gewalt zu einem Ende."
Die blaue Linie markiert die Grenze zwischen Israel und dem Libanon. Seit Beginn des Gaza-Kriegs kommt es an der Grenze immer wieder zu Konfrontationen zwischen der israelischen Armee und der vom Iran unterstützten Hisbollah. Sie ist mit der Hamas verbündet, gilt aber als deutlich schlagkräftiger. Neben einem sofortigen Waffenstillstand forderte Guterres zudem erneut die Freilassung aller Geiseln und eine Untersuchung der von der Hamas und anderen bei dem Massaker am 7. Oktober verübten sexuellen Gewalt.
Mit Blick auf den Gazastreifen forderte Guterres bessere Bedingungen für die Versorgung mit humanitärer Hilfe. Zu oft werde die Versorgung momentan vor allem durch mangelnden Zugang behindert. Die Zahl der seit Ausbruch des Krieges in Gaza ums Leben gekommenen UN-Mitarbeiter sei unterdessen auf 152 gestiegen, sagte Guterres - so viele wie nie zuvor bei einem Ereignis in der Geschichte der Vereinten Nationen.
Gut drei Monate nach Beginn des Gaza-Krieges gibt es zudem Anzeichen zunehmender Frustration aufseiten der USA mit Israels Kriegsführung. Auf die Frage, ob die USA mehr Druck auf Israel ausüben sollten, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby: "Wir glauben, dass es an der Zeit ist, diesen Übergang zu vollziehen." Israels Armee teilte indes mit, bisher etwa 9.000 Terroristen der islamistischen Hamas und anderer Terrorgruppen "eliminiert" zu haben.
Bei israelischen Angriffen im Gazastreifen wurden laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde binnen 24 Stunden weitere 132 Menschen getötet. Die Zahl der insgesamt seit Kriegsbeginn getöteten Palästinenser sei auf rund 24.100 gestiegen, teilte die Behörde am Montag mit. Demnach wurden zudem 60.834 Menschen verletzt. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.
Washington drängt Israel seit Wochen dazu, von der intensiven Phase mit heftigen Bombardierungen zu gezielteren Schlägen gegen die Hamas überzugehen. Man habe gerade erst wieder beim Besuch von US-Außenminister Antony Blinken in Israel "intensiv über den Übergang zu Operationen mit geringer Intensität gesprochen", sagte Kirby am Sonntag (Ortszeit) in der TV-Sendung "Face the Nation" des Senders CBS. Israel habe zwar inzwischen "vorbereitende Schritte unternommen, um zu diesem Punkt zu gelangen". So ziehe die Armee einige Truppen ab und verlasse sich "etwas weniger auf Luftangriffe". Kirby fügte jedoch hinzu: "Wir glauben, dass es an der Zeit ist, diesen Übergang zu vollziehen. Und wir haben diese Gespräche mit ihnen geführt."
US-Präsident Joe Biden sei "zunehmend frustriert" über den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu und seine Ablehnung der meisten der jüngsten Anfragen der US-Regierung im Zusammenhang mit dem Krieg im Gazastreifen, berichtete das Nachrichtenportal "Axios" unter Berufung auf vier US-Beamte. So unternehme Israel nach Ansicht von Biden und seiner Berater auch nicht genug in Bezug auf humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen. Auch seien sie frustriert über Netanyahus Ablehnung des US-Plans für die Zeit nach Ende des Krieges und der Macht der Hamas.
Die USA wollen, dass eine reformierte Palästinensische Autonomiebehörde nach dem Krieg die Kontrolle in dem Küstengebiet übernimmt. Netanyahu lehnt dies ab. Er will, dass die Armee auch nach dem Krieg die Sicherheitskontrolle beibehält und fordert eine Entmilitarisierung Gazas. "Bei jeder Gelegenheit hat Netanyahu Biden den Stinkefinger gezeigt", zitierte "Axios" Senator Chris Van Hollen von Bidens Demokratischer Partei. "Sie flehen die Netanyahu-Koalition an, bekommen aber immer wieder eine Ohrfeige". Ein US-Beamter sagte dem Portal: "Es herrscht große Frustration."
Die "Washington Post" schrieb unter Berufung auf mehrere Regierungsmitarbeiter, Israel habe in den jüngsten Gesprächen deutlich gemacht, dass es seinen hochintensiven Militäreinsatz den ganzen Jänner hindurch fortsetzen wolle. Die Biden-Regierung, Israels engster Verbündeter und wichtigster Waffenlieferant, scheine nicht in der Lage oder nicht willens zu sein, bedeutsamen Einfluss darauf zu nehmen, wie das israelische Militär den Krieg führe.
Auslöser des Kriegs war der Terrorangriff der Hamas und anderer extremistischer Gruppen auf Israel am 7. Oktober. Mehr als 1.200 Menschen wurden dabei getötet und rund 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Israel reagierte auf den beispiellosen Überfall mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive im Gazastreifen. Die Hamas herrscht seit 2007 im Gazastreifen.