Kulturhauptstadt Bad Ischl: Salzblüten in der Industriebrache
Im Bad Ischler Sudhaus ist die zentrale Kunstausstellung der Kulturhauptstadt zu sehen.
Bad Ischl – Mitten in Bad Ischl neben der ehemaligen Kuranlage wird die sogenannte „Kultur(haupt-)region“ plötzlich ungewöhnlich urban. Das einstige Sudhaus, eine Industriebrache, ist einer der zentralen Ausstellungsorte der diesjährigen europäischen Kulturhauptstadt. Bad Ischl und 22 weitere oberösterreichische bzw. steirische Gemeinden sind gemeinsam das „Salzkammergut 2024“ – eine Zusammenarbeit, die sich ein Jahr lang der Kultur verschreibt. 300 Veranstaltungen sind zwischen Vorchdorf und Hallstatt geplant. Am Samstag wurde die Kulturhauptstadt mit über 10.000 Menschen, mit Pomp, Trompeten und einem Eröffnungsjodler eröffnet. Am Sonntag stand zum „Katerfrühstück“ „Europa im Umbruch“ auf dem Diskursmenü. Herfried Münkler, Nava Ebrahimi und Aleida Assmann kamen zum ersten „Weltsalon“.
Seit dem Wochenende ist auch „sudhaus – kunst mit salz & wasser“ begehbar, die zentrale, aber etwas schmal geratene Ausstellung der Kulturhauptstadt, die neben zeitgenössischer Kunst auch einen Crashkurs zur Geschichte des Salzabbaus der Region parat hält. Hier erfährt man: Seit dem Mittelalter wird im Salzkammergut das „weiße Gold“ abgebaut. Der Salzhandel hat die Region zu Wohlstand gebracht und manche gar zu Reichtum geführt. Im Bad Ischler Sudhaus wurde bis 1965 Salz aufbereitet.
Dort, wo in riesigen Pfannen Sole weiterverarbeitet wurde, ist nun Gegenwartskunst eingezogen. Das Salz ist – wie der Ausstellungstitel verrät – geblieben. Empfangen wird das Publikum etwa von der israelischen Künstlerin Sigalit Landau, die für ihre Salzskulpturen bekannt wurde. Erst 2019 zeigte das Museum der Moderne Salzburg ihre ungewöhnlichen Readymades. Versteinerte Stoffe etwa, die Landau im Toten Meer entstehen lässt. Nach Bad Ischl hat es ihr Video „Salted Lake“ geschafft, in dem mit Salzkristallen überzogene Schuhe in einen gefrorenen See einsinken.
Salz und Wasser – das sind jene Elemente, die sich gegenseitig verschlingen und auflösen, versucht die Schau in der Saline zu vermitteln. Diese Beschäftigung treibt mitunter überraschende (Salz-)Blüten – in Anna Rún Tryggvadóttirs „Garden“ oder in der Augmented-Reality-Installation der Tirolerin Eva Schlegel, die Salz von der Decke prasseln und Text durch den Raum flitzen lässt.
Erst das Element Wasser führt die Schau endgültig in die Gegenwart: Bei Radenko Milak etwa, der ein monumentales Aquarell des Rhonegletschers fertigte, auf dem – ähnlich wie in Tirol – Eisfelder mit Stoffen vor dem Schmelzen bewahrt werden. Den Klimawandel können solche Minimaleingriffe nicht aufhalten. Alles schmilzt, auch auf den Bergen rund um Bad Ischl. Caterina Gobbi verwandelt das Schmelzen des Dachsteingletschers zu ihrem Soundtrack der Klimakrise. Jetzt hallt das stetige Tropfen durch die Ausstellungshalle.
Kurator Gottfried Hattinger ist mit „sudhaus – kunst aus salz & wasser“ eine in weiten Teilen poetische Schau gelungen, die sich in der unperfekten, rohen Industrieanlage perfekt ausbreiten kann. 18 künstlerische Positionen hat Hattinger dafür ausgewählt. Als die eine zentrale Kunstausstellung der Kulturhauptstadt hätte man der Schau noch mehr Platz – und mehr Strahlkraft gewünscht.