Zweifel am geplanten Starttermin der neuen Lehrerausbildung
Die für die Lehrerausbildung zuständigen Unis und Pädagogischen Hochschulen (PH) halten den von Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) geplanten Start der Ausbildungsreform im Jahr 2025 für unrealistisch. In den Stellungnahmen zum Gesetzesentwurf, dessen Begutachtungsfrist am Mittwoch ausläuft, warnen sie außerdem davor, dass ohne Dienstrechtsänderung statt Masterabsolventen künftig vermehrt Junglehrer mit nur dreijähriger Bachelorausbildung im Klassenzimmer stehen könnten.
Polascheks Entwurf sieht vor, dass die Lehrerausbildung künftig aus drei Jahren Bachelor- und zwei Jahren Masterstudium besteht. Derzeit sind es in der Primarstufe (v.a. Volksschule) vier Jahre Bachelor plus ein Jahr Master, bei der Sekundarstufe (Mittelschule, AHS, BMHS) vier Jahre Bachelor plus zwei Jahre Master. Der Master soll außerdem besser berufsbegleitend studierbar werden. Bei den Volksschullehrern, für deren Ausbildung die PHs alleine zuständig sind, wurde 2024/25 für die Umstellung ins Auge gefasst. Für die Sekundarstufe, wo das Studium künftig ein Jahr kürzer dauern soll als bisher, ist das Studienjahr 2025/26 als Starttermin vorgesehen.
Eine Umstellung der Ausbildung für die Sekundarstufe sei bis dahin allerdings ohne Qualitätseinbußen nicht möglich, warnen die Ausbildungseinrichtungen. Immerhin würden die Curricula von diversen Gremien mehrerer Hochschulen erstellt. Auch die Umsetzung in den Verwaltungssystemen sei so schnell nicht möglich, warnen etwa Vertreterinnen und Vertreter des Verbunds West, der die Ausbildung in Tirol, Salzburg und Vorarlberg organisiert. Aus Sicht der Universitätenkonferenz (uniko) und anderer Hochschulvertreter wäre Herbst 2026 der frühestmögliche Starttermin.
Außerdem wird in zahlreichen Stellungnahmen auf Änderungen beim Dienstrecht gedrängt, wenn der kürzere Bachelor nicht zu einer Entprofessionalisierung des Lehrerberufs führen soll. Polaschek hat bereits "Schutzmaßnahmen" angekündigt, damit Junglehrer beim berufsbegleitenden Masterstudium nicht ausgebrannt werden (maximal halbe Lehrverpflichtung, keine Klassenvorstandsfunktion, kein fachfremder Unterricht). Die nötige Dienstrechtsnovelle liegt allerdings noch nicht vor.
Im Dienstrecht müsste laut Stellungnahmen außerdem auch verankert sein, dass Bachelor- und Masterabschluss nicht gleichwertig sind: Der Masterabschluss innerhalb einer bestimmten Frist müsse Voraussetzung für eine volle Anstellung sein und zudem eine Gehaltssteigerung bringen, fordern etwa die Uni Wien und der Verbund West. Andernfalls könnte die Reform als Signal verstanden werden, dass ein Master für das Unterrichten ohnehin nicht zwingend notwendig ist, warnt man im für Wien und Niederösterreich zuständigen Verbund Nord-Ost. Schon jetzt unterrichten wegen des Personalmangels Junglehrer oft nur mit dem Bachelorabschluss. Um die Anstellungserfordernisse zu erfüllen, müssen sie derzeit innerhalb von acht Jahren den Master abschließen.
Österreichische HochschülerInnenschaft (ÖH) und Lehrervertreter fordern wiederum, dass jene Sekundarstufe-Lehrer, die eine sechsjährige Ausbildung machen und damit länger als die Generationen vor und nach ihnen studieren mussten, dafür eine Entschädigung erhalten.
Geht es nach den Uni-Senaten, sollte der Master überhaupt Voraussetzung für den Berufseinstieg sein. Sie befürchten, dass die kürzere Studiendauer für Sekundarstufen-Lehrer weniger Qualität in Ausbildung und Studium und in weiterer Folge eine Verschlechterung des Unterrichts bringt. Der berufsbegleitende Master, den Polaschek auch als Mittel gegen den sich verschärfenden Lehrermangel in bestimmten Fächern und Regionen beworben hat, wird ebenfalls von manchen skeptisch gesehen - u.a. mit Verweis auf Studien, wonach das berufsbegleitende Masterstudium zu mehr Studienabbrüchen und Dropouts aus dem Lehrerberuf wegen Überlastung führe.
Auch inhaltliche Änderungen bei der Reform stoßen in den Stellungnahmen auf Skepsis. So könne die Spezialisierung Deutsch als Zweitsprache, die die Hochschulen laut Entwurf künftig verpflichtend anbieten müssen, ohne zusätzliche Ressourcen und entsprechende Vorlaufzeit von den Hochschulen gar nicht angeboten werden. Außerdem sei unklar, was Absolventinnen und Absolventen damit unterrichten können sollen. Widerspruch gibt es auch bei den laut Novelle möglichen Fächerbündeln wie MINT. Die Uni-Senate bezweifeln, dass bei einer solchen Kombination die nötige fachliche Auseinandersetzung mit dem einzelnen Unterrichtsfach möglich ist. Die Uni Wien fordert unterdessen, dass bei besonders gefragten Fächern zeitlich befristet die Kombinationspflicht mit einem zweiten Unterrichtsfach ausgesetzt wird.
Der Streit um die Rolle von Theorie versus Praxis in der Ausbildung geht mit der Reform ebenfalls in eine weitere Runde: So gibt es in den Stellungnahmen einerseits Kritik an der geplanten Reduzierung von Fachwissenschaft und Fachdidaktik. Der AHS-Direktorendachverband fordert etwa statt weniger mehr Fachausbildung und die Österreichische Gesellschaft für Forschung und Entwicklung im Bildungswesen (ÖFEB) kritisiert vor allem die Abstriche bei den Bildungswissenschaften. Für die Österreichische Gesellschaft für Germanistik verkommt die Ausbildung mit der geplanten Reform gar zu einem "Schnellsiedekurs für angehende Lehrkräfte".
Für die Pflichtschullehrergewerkschaft geht indes der "Paradigmenwechsel" von einer Lehrerbildung zur -ausbildung immer noch zu zögerlich. Sie fordert konkret mehr begleitete Praxis im Lehramtsstudium und bei der Fachausbildung einen Schwerpunkt auf Fachdidaktik, also Methoden zur Vermittlung des Stoffs. Außerdem müssten sämtliche Studienpläne auf Doppelungen überprüft und wieder ein separate Ausbildung für Sonderpädagogik eingeführt werden. Mit der Verkürzung des Bachelors wird bereits eine langjährige Forderung der Pflichtschullehrer umgesetzt, zur Verringerung des Lehrermangels fordern sie aber weiterhin bessere Rahmenbedingungen an den Schulen wie mehr Unterstützungspersonal und weniger Bürokratie.