Dutzende Tote bei Hilfsgüter-Lieferung: Weltweites Entsetzen über „weiteres Blutbad“ in Gaza
Mehr als 100 Palästinenser sollen bei der Ankunft von Hilfsgütern im Gazastreifen ums Leben gekommen sein. Das Entsetzen ist groß, mehrere Staaten und Institutionen fordern Aufklärung.
Gaza, New York – Nach Berichten über den Tod von über 100 Palästinensern bei der Ankunft von Hilfsgütern im Gazastreifen haben mehrere Staaten und Institutionen tief betroffen reagiert. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zeigte sich in der Nacht auf Freitag auf der Plattform X empört über die Bilder, "die uns aus Gaza erreichen, wo Zivilisten von israelischen Soldaten ins Visier genommen wurden". UN-Generalsekretär Antonio Guterres sagte, dass sich eine unabhängige Untersuchung aufdränge.
Der von der islamistischen Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde im Gazastreifen zufolge sollen mehr als hundert Menschen getötet und Hunderte verletzt worden sein, als verzweifelte Menschen versuchten, an Hilfsgüter zu gelangen. Wie genau es zu der Katastrophe kam, war zunächst unklar. Nach palästinensischer Darstellung starben viele Menschen durch israelische Schüsse. Das israelische Militär machte hingegen das Gedränge und Chaos in erster Linie verantwortlich.
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Die Rolle israelischer Soldaten bei dem Vorfall müsse aufgeklärt werden, so Macron. "Ich verurteile diese Schießereien auf das Schärfste und fordere Wahrheit, Gerechtigkeit und Respekt vor dem Völkerrecht." Eine sofortige Waffenruhe sei zwingend erforderlich. Auch Frankreichs Außenminister Stéphane Séjourné forderte eine unabhängige Untersuchung. Frankreich müsse offen ansprechen, wenn "in Gaza Gräueltaten geschehen". Auch die USA drängen auf detaillierte Informationen.
Guterres „schockiert“, Borrell spricht von „Blutbad“
Guterres sagte in einer Rede auf St. Vincent und den Grenadinen, er sei schockiert über die jüngste Episode in dem Krieg. "Ich bin der festen Überzeugung, dass wir einen humanitären Waffenstillstand und die bedingungslose und sofortige Freilassung der Geiseln brauchen und dass wir einen Sicherheitsrat haben sollten, der in der Lage ist, diese Ziele zu erreichen". Der Weltsicherheitsrat in New York konnte sich bei einem Treffen am Donnerstagabend auf keine gemeinsame Stellungnahme verständigen.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sprach von einem "Blutbad". Er sei "entsetzt über die Nachrichten über ein weiteres Blutbad unter Zivilisten in Gaza, die verzweifelt humanitäre Hilfe brauchen", schrieb Borrell in der Nacht auf Freitag auf X (früher Twitter). "Diese Todesfälle sind absolut inakzeptabel." Menschen Lebensmittelhilfen vorzuenthalten sei "eine schwere Verletzung" des humanitären Völkerrechts, schrieb Borrell weiter. "Ein ungehinderter humanitärer Zugang nach Gaza muss gewährleistet sein."
Auch China zeigte sich "schockiert über diesen Vorfall und verurteilt ihn aufs Schärfste", sagte die chinesische Außenamtssprecherin Mao Ning. "Wir drücken unsere Trauer um die Opfer und unser Mitgefühl für die Verletzten aus". Sie rief die "betroffenen Parteien und insbesondere Israel" auf, die Kämpfe zu beenden und die Sicherheit der Zivilbevölkerung "ernsthaft zu schützen". Zudem müsse sichergestellt werden, dass humanitäre Hilfe in den Gazastreifen gelange.
Der Golfstaat Katar kritisierte Israel scharf. Es habe sich um ein "abscheuliches Massaker" gehandelt, das Israel verübt habe, hieß es in einer Mitteilung des katarischen Außenministeriums vom Donnerstagabend. Die internationale Gemeinschaft müsse Israel dazu zwingen, das humanitäre Völkerrecht einzuhalten und das palästinensische Volk vor Verstößen schützen, so die Regierung in Doha, die eine wichtige Rolle bei den Verhandlungen über eine weitere Feuerpause zwischen Israel und der Hamas spielt.
Der palästinensische UNO-Botschafter Riad Mansur warf Israel nach dem Vorfall die vorsätzliche Tötung von Palästinensern vor. Tausende Menschen hätten sich an dem Ort versammelt, sagte Mansur am Donnerstag in New York. "Und dann begann die israelische Armee plötzlich, auf sie zu schießen und den uns vorliegenden Informationen zufolge haben Dutzende von ihnen Kugeln im Kopf. Es ist nicht so, als würde man in den Himmel schießen, um Menschen zurückzuhalten, wenn Verwirrung und Chaos herrschten. Es wurde absichtlich gezielt und getötet." Die Angaben konnten bisher nicht unabhängig überprüft werden.
Israels Armee weist Vorwürfe zurück
Der israelische Armeesprecher Daniel Hagari wies die Vorwürfe zurück: "Es gab keinen Angriff des israelischen Militärs auf den Hilfskonvoi." Nach Angaben der israelischen Armee war es in der Stadt Gaza zu einem "Gedränge" gekommen, als tausende Menschen sich um einen Konvoi von 30 Hilfstransportern versammelten. Dabei habe es Dutzende Tote und Verletzte gegeben, von denen einige von Lastwagen überfahren worden seien. Ein Vertreter der Armee räumte eine "begrenzte" Zahl von Schüssen durch israelische Soldaten ein, die sich "bedroht" gefühlt hätten. Das von der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas kontrollierte Gesundheitsministerium des Gazastreifens sprach von einem "Massaker", bei dem 104 Menschen getötet und mehr als 750 weitere verletzt worden seien.
Der Gazakrieg war durch den Großangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober ausgelöst worden. Hunderte Hamas-Kämpfer verübten Gräueltaten vorwiegend an Zivilisten und töteten nach israelischen Angaben etwa 1.160 Menschen und verschleppten und verschleppten rund 250 Geiseln in den Gazastreifen.
Als Reaktion auf den Hamas-Angriff geht Israel seither massiv militärisch im Gazastreifen vor, erklärtes Ziel ist die Zerstörung der Hamas. Dabei wurden nach Angaben des Hamas-Gesundheitsministeriums, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, mehr als 30.000 Palästinenser getötet. (APA/dpa/AFP/Reuters, TT.com)