Falsche Identität

Ex-Wirecard-Manager und Russland-Spion Marsalek tarnte sich als Priester

Nach Auffliegen des Wirecard-Skandals 2020 flüchtete Jan Marsalek nach Russland und erhielt dort offenbar eine neue Identität.
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Laut Berichten spionierte Ex-Wirecard-Manager Marsalek mit BVT-Beamten für Russland. Moskau gab ihm nach der Flucht die Identität eines Priesters.

Wien – Russische Geheimdienste haben laut Recherchen von ZDF frontal, Spiegel, Standard und der russischen Investigativplattform The Insider den flüchtigen Jan Marsalek, österreichischer Ex-Finanzchef des Skandalkonzerns Wirecard, mit der Identität eines ihm ähnlich sehenden Priesters versehen. Im September 2020 hat Marsalek demnach die Tarn-Identität des russisch-orthodoxen Priesters mit dem Namen Konstantin Bajazow angenommen. Das Rechercheteam bezieht sich unter anderem auch auf Kopien des neuen Passes und der zugehörigen Passakte, die ein Porträtfoto Marsaleks zeigen.

Den Pass bei Moskauer Behörden beantragt und abgeholt habe eine Frau, die bereits als mutmaßliche Helferin des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB aufgefallen ist. Laut Mobilfunkdaten soll Marsalek mit ihr gemeinsam kurz nach seiner Flucht auf die besetzte Krim gereist sein.

Die Recherchen legen zudem nahe, dass Marsalek offenbar seit Jahren für Russlands Geheimdienst spioniert hat. Österreichische Ermittler werfen zudem zwei ehemaligen Beamten des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) vor, für Marsalek spioniert zu haben. Sie sollen Daten über dem Kreml missliebige Personen beschafft haben, zum Beispiel über in Europa lebende Journalisten. Ziel sei aber auch „die gezielte Einflussnahme auf Regierungs- und Parteimitglieder im Sinne russischer Interessen“ gewesen, schreiben die Ermittler laut den Medien in ihrem als Verschlusssache eingestuften Bericht. Die Gruppe habe eine „nachrichtendienstliche Zelle geschaffen, deren Kapazitäten und Fähigkeiten sich russische Nachrichtendienste bedient haben“.

Russin Natalja S. als Schlüsselfigur

Jan Marsaleks Connection zu russischen Geheimdiensten soll 2013 begonnen haben. Eine maßgebliche Rolle dabei habe die Russin Natalja S. gespielt. Marsalek habe damals in Russland über einen Deal mit dem Verkehrsbetrieb der Moskauer Metro verhandelt, ein russischer Geschäftsmann habe ihm als Unterstützerin die junge Frau, ein Erotik-Model, mit gutem Draht zur Verwaltung der russischen Hauptstadt vermittelt. Gemeinsam mit S. sei Marsalek dann auch 2013 nach Tschetschenien gereist, um Verwandte des dortigen Potentaten Ramsan Kadyrow zu treffen.

2014 habe Marsalek schließlich bei den Feiern zum 30. Geburtstag von S. in Nizza einen Ex-Elitesoldaten namens Stanislaw P. getroffen, der Marsalek an den russischen Militärgeheimdienst GRU übergeben habe. Nach Marsaleks Flucht in den Osten im Sommer 2020 habe Natalja S. dann im Herbst 2020 mit einem russisch-orthodoxen Priester, der Marsalek „verblüffend ähnlich“ sehe, in einem Wellnesshotel auf der von Russland okkupierten Krim geurlaubt. Der Ex-Bankier soll anschließend zudem einen Spionagering geleitet haben, der mutmaßlich sogar Entführungen bis hin zu Attentaten in Europa geplant habe. (TT, APA)