„Gelebte Intransparenz“: U-Ausschuss startete mit Benkos Steuerbescheid
Der Investor kassierte 2019 von der Signa Holding fast 26 Millionen Euro. Finanzprokurator Peschorn spricht von „gelebter Intransparenz“.
Wien – Wolfgang Peschorn gehört zu den Zeugen, die im Untersuchungsausschuss gerne Auskunft geben. „Die Signa ist die gelebte Intransparenz“, diktierte er am Mittwoch den Abgeordneten ins Protokoll. Hunderte Firmen, alle verbunden. Im Auftrag des Finanzministers ist Peschorn daran beteiligt, das Gewirr zu entflechten. Über die Hintergründe dieser Firmenkonstruktion könne er nur mutmaßen: „Hinter der Struktur könnte die Idee stehen, dass man bestimmten Gläubigern Vorteile einräumen wollte.“ Offenbar wenig Verständnis hat Peschorn dafür, dass die Republik mit einem derart verschachtelten Konstrukt noch Geschäfte macht.
In Wien gibt es dafür prominente Beispiele. Der Verfassungsgerichtshof hat seinen Sitz in einer Immobilie des Signa-Konzerns. Auch das historische Postsparkassengebäude hat Benko gekauft, um es langfristig und teuer der Republik zu vermieten. Peschorn seufzt: Bis zur Privatisierung im Jahr 2000 gehörte die Bank und damit das Gebäude der Republik. Jetzt fallen hohe Kosten an.
Peschorn läutete die neue U-Ausschuss-Saison ein. SPÖ und FPÖ werfen ÖVP-Regierungsmitgliedern eine „Bevorzugung von Milliardären“ bei der Corona-Hilfsgesellschaft Cofag vor. Die ÖVP kontert mit einem U-Ausschuss über „rot-blauen Machtmissbrauch“.
Holpriger Start
Am Mittwoch begann die Cofag-Untersuchung. Es ist der erste Start eines U-Ausschusses im vor einem Jahr neu eröffneten Parlament. Ein holpriger Start: Fernseh-Übertragungen, wie sie die Parteien versprochen hatten, gibt es nicht. Und die Arbeitsbedingungen für Medien sind problematisch, kritisierten die Parlamentsredakteure.
📽️ Video | Cofag-Ausschuss: Peschorn macht den Anfang
Peschorn startete mit der Cofag. Er bedauert, dass die Finanzprokuratur in die Vorbereitungen für die Cofag-Hilfen nur kurz eingebunden war. Stattdessen habe man auf ein „Beraternetzwerk“ zurückgegriffen, das schon aus der Abwicklung der Kärntner Skandalbank Hypo Alpe Adria bekannt gewesen sei. Eine Rolle als Verbindungsmann dabei schreibt Peschorn Thomas Schmid zu – dem früheren Generalsekretär im Finanzministerium, späterer Vorstand der Staatsholding ÖBAG und zentraler Zeuge bei vielen Vorwürfen gegen die ÖVP und Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP).
Viele Fragen drehten sich aber um Benko. Peschorn berichtete von einer strukturierten Prüfung des Firmenkonglomerats im Auftrag des Finanzministers. Unter dem Signa-Dach stehen mehr als 500 Unternehmen. Für 99 davon ist das Finanzamt Innsbruck zuständig. „Gibt es so etwas wie ein Wiener und ein Tiroler Steuerrecht?“, wollte Yannick Shetty (NEOS) wissen. Peschorn verwies auf die Prüfung: „Die gesamtheitliche Untersuchung hat zum Ziel, alles hervorzubringen.“
Steuerprüfung abgeschlossen
Abgeschlossen ist eine Steuerprüfung bei der Benko-Firma Laura Ariadne. Sie betrieb den Jet des Unternehmers. Der U-Ausschuss hat Einsicht in aktuelle Dokumente aus dem Finanzministerium. Sie zeigen, dass Benko den Verlust der Flugzeug-Firma von der persönlichen Einkommensteuer in Abzug bringen wollte. Für 2019 hatte er damit vorerst Erfolg. Nun soll er rund vier Millionen Euro nachzahlen, geht aus einem Mailverkehr zwischen Finanzbeamten vor einer Woche hervor. Benkos Jahresgage bei der Signa-Holding betrug 2019 fast 26 Millionen Euro.
Nach mehr als vier Stunden ist Peschorn fertig. Vor den Kameras am Ausgang zieht er kurz Resümee – und sieht seine Rolle noch lange nicht am Ende: „Aufräumen tut die Verwaltung. Und ganz am Ende räumt die Finanzprokuratur zusammen.“
Wöginger streitet Einflussnahme ab
Hat ÖVP-Klubchef August Wöginger für die Bestellung eines ÖVP-Bürgermeisters zum Vorstand eines Finanzamtes interveniert? Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt. Eine frühere Finanzbeamtin bestätigte den Verdacht, wie aus Akten hervorgeht, die dem Cofag-Untersuchungsausschuss vorliegen. Gestern im Ausschuss musste die Zeugin zu der Frage aber keine Auskunft geben – kein Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand, beschied Verfahrensrichterin Christa Edwards.
Wöginger wird auch von Thomas Schmid belastet, dem früheren Generalsekretär im Finanzministerium und späteren Chef der Staatsholding ÖBAG. Wöginger habe sich „ganz konkret dafür eingesetzt“, dass der Bürgermeister Vorstand wird, gab der frühere Vertraute von ÖVP-Chef und Kanzler Sebastian Kurz Schmid laut Vernehmungsprotokoll an. „Ich habe mich für dieses Anliegen für Wöginger eingesetzt, weil es ihm so ein wichtiges Anliegen war und mir wiederum ein gutes Verhältnis zu Wöginger wichtig war“, ergänzte Schmid.
Wöginger selbst sieht seit Aufkommen der Vorwürfe kein Vergehen. „Natürlich habe ich mich gefreut, dass für die Position jemand aus meiner Region zum Zug gekommen ist“, meinte der nunmehrige ÖVP-Klubchef bereits nach Bekanntwerden von Schmids Aussagen. Er habe den Bürgermeister „stets für einen qualifizierten und geeigneten Kandidaten für diese Position gehalten“. Einfluss genommen habe er aber nicht.
Mehr dazu:
Erster Tag zum Nachlesen
26 Millionen Euro pro Jahr: Blick auf Benkos Gage und Steuercausa im U-Ausschuss
Benko hielt Fäden in der Hand