Täter unter Drogeneinfluss

Moskau-Anschlag: Ermittler wollen Belege für ukrainische Verwicklung gefunden haben

Der Anschlag auf Menschen in der Crocus City Hall nahe Moskau forderte über 140 Tote.
© IMAGO/Dmitry Golubovich

Die Verdächtigen beim Terroranschlag in einer Konzerthalle nahe Moskau sollen russischen Ermittlern zufolge mit ukrainischen Nationalisten Kontakt gehabt haben. Indes mahnt die US-Regierung, Kiew nicht mit dem Anschlag in Verbindung zu bringen.

Moskau – Russland verfügt nach eigenen Angaben über Belege für eine Verwicklung der Ukraine in den Anschlag auf eine Konzerthalle bei Moskau. Wie das Ermittlungskomitee am Donnerstag erklärte, haben die Hauptverdächtigen von der Ukraine größere Mengen Bargeld und Kryptowährungen erhalten. Sie sollen außerdem unter Drogeneinfluss gestanden sein, wie die Nachrichtenagentur Tass berichtete.

Bei den vier Hauptverdächtigen sind laut Ermittlungskomitee technische Vorrichtungen beschlagnahmt worden. Demnach soll eine Auswertung von Verbindungsdaten zeigen, dass die Männer mit ukrainischen Nationalisten in Kontakt gestanden seien und Zahlungen erhalten hätten. Die beschriebenen Belege wurden nicht veröffentlicht.

Mit deutlich sichtbaren Blessuren wurden die Verdächtigen vor Gericht der Öffentlichkeit präsentiert.
© APA/AFP/TATYANA MAKEYEVA

Eine aktuelle Stellungnahme der Regierung in Kiew lag nicht vor. Die Ukraine hat jedoch mehrmals vehement zurückgewiesen, etwas mit dem Anschlag zu tun zu haben.

US-Regierung habe versucht, zu warnen

Der Sprecher der US-Regierung für die nationale Sicherheit, John Kirby, sagte, für den Angriff sei eindeutig die Extremisten-Miliz Islamischer Staat (IS) allein verantwortlich. Man habe die russischen Sicherheitskräfte schriftlich vor der Gefahr eines Terroranschlages gewarnt. Washington habe den russischen Geheimdiensten "klare und detaillierte Informationen über die terroristische Bedrohung bei großen Versammlungen und Konzerten in Moskau zur Verfügung gestellt", sagte Kirby am Donnerstag.

Die Vereinigten Staaten haben versucht, diesen Terroranschlag zu verhindern.
John Kirby (Sprecher der US-Regierung)

Dies sei bereits am Anfang März schriftlich über die "üblichen Verfahren und über die etablierten Kanäle" geschehen. "Die Vereinigten Staaten haben versucht, diesen Terroranschlag zu verhindern." Die US-Botschaft in Moskau hatte damals außerdem öffentlich mitgeteilt, sie verfolge Berichte, wonach Extremisten unmittelbar bevorstehende Pläne haben, große Versammlungen in Moskau anzugreifen, darunter auch Konzerte.

Die US-Regierung wies erneut russische Behauptungen, wonach die Ukraine in die Terrorattacke verwickelt sei, vehement zurück. Es handle sich dabei um "Unsinn" und "Propaganda", sagte Kirby. Stattdessen sei völlig klar, dass die Terrormiliz Islamischer Staat allein für den Terroranschlag verantwortlich gewesen sei.

Täter standen unter Drogeneinfluss

Die Nachrichtenagentur Tass berichtet indes unter Berufung auf Ermittler, dass die Terroristen unter Drogeneinfluss gestanden sein sollen. "Welche Drogen oder Psychopharmaka sie konsumiert haben, wird die Expertise feststellen", schrieb Tass. Demnach könnten die mutmaßlichen Täter nicht nur an dem Tag selbst unter dem Einfluss von Mitteln gestanden sein, sondern schon vorher.

Nach dem Terrorangriff vom vergangenen Freitag wurde die Zahl der Toten zuletzt mit 143, die der Verletzten mit 360 angegeben. Am Samstag hatten die Behörden von ersten Festnahmen berichtet. Am Donnerstag meldete das Ermittlungskomitee eine weitere Festnahme. Die vier mutmaßlichen Schützen, die laut Medien gefoltert wurden, ließen nach Gerichtsangaben die Frist für eine Berufung gegen die Haftbefehle verstreichen.

An der Halle im Nordwesten Moskaus legen Menschen seit Tagen Blumen nieder im Gedenken an die Opfer. Kremlchef Wladimir Putin hat auch fast eine Woche nach diesem schwersten Terroranschlag seit 20 Jahren dem Tatort noch keinen Besuch abgestattet. Kremlsprecher Dmitri Peskow erklärte auf eine Frage zu Putins Fernbleiben, dass der Präsident die Ermittlungen und Aufräumarbeiten nicht stören wolle.

„Putin hat versagt“

Kreml-Gegner werfen Putin seelische Kälte vor und Angst, sich an einem solchen Ort öffentlich zu zeigen. Sie kritisieren, der Präsident habe nach fast 25 Jahren an der Macht versagt – trotz Versprechen, den Terror zu besiegen und für Sicherheit zu sorgen. Putin hat den Hinterbliebenen der Toten sein Beileid ausgesprochen; die Behörden haben finanzielle Hilfen für die Verletzten und Hinterbliebenen in Aussicht gestellt.

Putin hatte bestätigt, dass Islamisten die Tat ausgeführt hätten. Allerdings sieht er eine ukrainische Spur, die er nicht näher benannte und für die er auch keine Belege anführte. Kremlsprecher Peskow betonte in einem Interview, die Drahtzieher seien noch nicht ermittelt. (APA, dpa, Reuters)

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